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Auto-Rückruf - Vertuscht und eingespart

Jüngste Skandalfälle in der Automobilbranche sollten Anlass genug für ein Umdenken sein: Rückrufaktionen dürfen nicht mehr länger verheimlicht – oder gar eingespart – werden.

In den vergangenen Wochen wurde die Automobilbranche gleich von zwei skandalösen Vorfällen erschüttert. Der Autohersteller Mitsubishi und der Reifenerzeuger Bridgestone/Firestone stehen unter Verdacht, Mängel vertuscht und notwendige Rückrufaktionen nicht durchgeführt zu haben.

Einmal mehr zeigt sich: Man sollte nicht den falschen Schluss ziehen, dass ein Produkt, das selten oder nie von Rückrufaktionen betroffen ist, hochwertig und der Konkurrenz überlegen ist. Vielmehr spricht es für die Seriosität eines Unternehmens, wenn es wichtige Informationen unverzüglich an seine Kunden weitergibt. Viele Branchenvertreter bezeichnen eine Rückrufaktion sogar als Marketingaktion, als Chance, dem Konsumenten zu zeigen, wie sehr man sich um ihn kümmert.

Vertuschung

Doch in der Praxis scheinen diese Erkenntnisse keinen großen Niederschlag zu finden. Reaktionen der betroffenen Firmen auf den Vertuschungsskandal deuten viel eher darauf hin, dass weiter gemauert wird. So hat die Unternehmensgruppe Bridgestone/Firestone noch zu einem Zeitpunkt von einer „freiwilligen“ Rückrufaktion gesprochen, als Ford sich bereits öffentlich von seinem Partner distanziert hatte und die Behörden bereits strafrechtliche Konsequenzen überlegten. Bei Mitsubishi wiederum begründete man die Vorfälle in Japan mit den Eigenheiten der japanischen Gesetzgebung. Wenn es sich um keine sicherheitsrelevanten Mängel handle, sei es nicht nötig, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Wir meinen: Auch wenn Leib und Leben nicht unmittelbar gefährdet sind, hat der Konsument ein Recht auf Information. Die Nutzung eines defekten Fahrzeuges kann stark beeinträchtigt sein, der finanzielle Schaden für den Kunden beträchtlich.

Ohne Kontrolle

Wie sieht die Situation in Österreich aus? Um möglichst alle von einem Rückruf betroffenen Fahrzeugbesitzer zu erreichen, kann auf das zentrale Zulassungsregister des Innenministeriums zurückgegriffen werden. Seit Februar 2000 erfolgt die Verständigung der Betroffenen nicht mehr durch das Ministerium sondern durch den Versicherungsverband, der über die Daten des Zulassungsregisters verfügt. Das System ist automatisiert; aus Datenschutzgründen kann niemand – weder der Importeur, noch der Versicherungsverband oder die Behörden – einzelne oder selektierte Daten abrufen. Mangels Daten gibt es aber auch keine Statistik darüber, bei welchen Teilen eines Autos die größten Probleme auftreten, oder wie hoch das Gefährdungspotenzial ist. Natürlich kann auch niemand kontrollieren, ob Rückrufaktionen ordnungsgemäß – unverzüglich und ohne Kostenbelastung für den Autobesitzer – durchgeführt werden.

Lückenlose Erfassung nicht gewährleistet

Die Rückrufpraxis ist alles andere als perfekt. Die Autofirmen sind nicht verpflichtet, Rückholaktionen über das Zulassungsregister durchführen zu lassen. Sie können die Kunden auch direkt informieren. Überdies werden Mängel, bei denen die Fahrzeugsicherheit nicht beeinträchtigt ist, von vielen Firmen still und heimlich beim nächsten Service behoben, ohne den Betroffenen darüber zu informieren. Aber selbst wenn alle Fahrzeughalter angeschrieben werden, ist eine lückenlose Erfassung nicht gewährleistet. Die Betroffenen können einen Zweitwohnsitz haben oder übersiedelt sein. Die Verständigung erfolgt nicht einmal per eingeschriebenem Brief. Firmenaussendungen (ob vom Versicherungsverband oder vom Autoimporteur) werden häufig für Werbung gehalten; es wäre daher nicht verwunderlich, wenn so ein Brief ungelesen im Papierkorb landet.

Zufall führt Regie

Umso wichtiger wäre es, dass – neben der individuellen Verständigung der Betroffenen – auch die Öffentlichkeit über Mängel informiert wird. Fahrzeugbesitzer, die nicht auf direktem Weg erfasst wurden, könnten so die Informationen über Medien und Interessenvertretungen erhalten – nicht zuletzt über unsere Rubrik „Gefährliche Produkte“.

Erschreckend ist, wie leichtfertig manchmal mit Sicherheitsmängeln umgegangen wird. Ein Beispiel: Seit nahezu zwei Jahren gibt es immer wieder Beschwerden über Bremsprobleme bei Audi A4 und VW Passat: Auf salznasser Strasse wird die Bremskraft stark reduziert. Neue Bremsbeläge könnten das Problem beseitigen. Doch was tut der VW-Konzern? Er „hat sich entschlossen, jeden Kunden individuell zu betreuen“. Soll heißen: Es gibt keine Rückrufaktion, sondern ein Merkblatt, in dem den Kunden der (fragwürdige) Rat erteilt wird, ab und zu während der Fahrt die Bremse zu betätigen, um die Beläge zu säubern. Nur wer hartnäckig bleibt, bekommt als besondere Kulanz des VW-Konzerns neue Bremsbeläge. Nach der derzeitigen Rechtslage können wir Betroffenen leider nur Folgendes raten: Seid hartnäckig!

„Sofern es die Verkehrssituation zulässt, sollte man ab und zu während der Fahrt leicht abbremsen. Das entfernt die Rückstände von der Bremsscheibe."

Fragwürdige Empfehlung von VW an seine Kunden: Auffahrunfälle könnten die Folge sein.

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