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Bahnfahren - Ärger auf Schiene

Tarif-Wirrwarr, irrtümliches Schwarzfahren, Verspätungen – das Bahnfahren hat seine Tücken, wie die Beschwerden von Fahrgästen zeigen.

Von 1,2 Millionen ÖBB-Fahrgästen täglich beschweren sich nur 0,017 Prozent (ÖBB-­Eigenangabe). In absoluten Zahlen ergibt das jedoch immerhin 74.460 unzufriedene Kunden  der Bahn im Jahr. Letzte Hoffnung für Bahnkunden, deren Beschwerde vom Bahnunternehmen nicht zufriedenstellend behandelt wird, ist die Schlichtungsstelle der Schienen-Control. Diese Stelle hat also einen guten Überblick darüber, wo für Bahnkunden die Tücken lauern, die die Reiselust rasch in Bahnfrust verwandeln können. Im Jahr 2011 landeten 659 Beschwerden, nicht nur über die ÖBB, bei der Schlichtungsstelle.

Der Streit ums Geld

Bei den meisten Beschwerden geht es ums Geld: Fahrgeldnachforderungen, Inkasso­gebühren und Fahrpreiserstattungen. Seit die ÖBB im Regionalverkehr (REX- und R-Züge sowie S-Bahnen) keine Tickets mehr im Zug verkaufen, nahmen die Problemfälle zu. Das Ticket muss in diesen ÖBB-Regionalverkehrszügen jetzt vor dem Einsteigen in den Zug gekauft werden, sonst gilt man als Schwarzfahrer und muss mit einer deftigen Strafzahlung rechnen: 65 Euro, die sich auf 95 Euro erhöhen, wenn man mit Erlagschein zahlt. Und rasch auch noch mehr, wenn nicht binnen 14 Tagen bezahlt wird. Die ÖBB-Personenverkehr AG fackelt nicht lange und übergibt die Forderung ohne Mahnung und manchmal auch ohne Behandlung eines Kundeneinspruchs direkt ans Inkassobüro.

Kein Ticketkauf in der Bahn

Eltern fallen mitunter aus allen Wolken, wenn der ertappte Sprössling sie nicht informiert hat und plötzlich das Schreiben des ­Inkassobüros ins Haus flattert. Auch wer ­selten Bahn fährt oder von Fernzügen gewohnt ist, dass man auch im Zug ein Ticket kaufen kann, gerät schnell in diese unan­genehme und kostspielige Situation. Marie-Theresia Röhsler, Geschäftsführerin der Schienen-Control, empfiehlt, in jeden Fall erst einmal zu zahlen, auch wenn man die Strafzahlung für nicht gerechtfertigt hält. Dann sollte man Beschwerde einlegen.

Wann ist der Bahn-Ticketautomat defekt?

Nur wenn es am Bahnhof kein Ticket gibt, etwa weil der Fahrkartenautomat defekt ist, darf man ohne Fahrkarte einsteigen. Doch ein Ticketautomat gilt für die ÖBB nicht als defekt, wenn nur das Zahlen mit Karte nicht funktioniert, Barzahlung aber schon. Auch sollte man einen Automaten nicht für defekt halten, weil er eine Banknote nicht annimmt. ÖBB-Automaten akzeptierten nur Bank­noten, auf die maximal 9,90 Euro Wechselgeld herausgeben werden muss. Es hängt also vom Ticketpreis ab, welche Banknoten der Fahrkartenautomat zulässt.

Wenn er ­tatsächlich defekt ist, sich aber irgendwo auf dem Bahnhof ein funktionierender befindet, darf man nicht ohne Fahrschein in den Zug steigen, ebenso wenig wegen großer Eile oder einer langen Schlange vorm Automaten. Auch wenn die Beweislast beim Bahnunternehmen liegt, empfiehlt es sich, einen Defekt des Fahrkartenautomaten zu dokumentieren, etwa durch ein Foto mit der Handykamera oder einen Anruf im Callcenter 05 17 17.

Lesen Sie außerdem folgende KONSUMENT-Artikel rund um das Thema "Bahn":

Sparen mit Konsument: Bahnfahren 11/2012
Bahnfahren: Ticketkauf 7/2012
Bahntarife: Sonderangebote 6/2012
Bahn: Angebote für Jungendliche 5/2012
Neue WESTbahn 12/2011
ÖBB: Fahrgastbeschwerden 4/2011
ÖBB: Senioren auf Schiene 2/2011

 

Vorsicht bei telefonischer Ticketbuchung

Falsche Information

Neben Geldforderungen sind keine, falsche oder widersprüchliche Informationen und deren Folgen der zweithäufigste Beschwerdegrund bei der Schienen-Control. Wenn sich erst im Nachhinein herausstellt, dass eine Information nicht richtig war, können bereits Anschlüsse versäumt, falsche Tickets gekauft oder teure Fahrgeldnachforderungen entstanden sein.

Vorsicht geboten ist bei der telefonischen Ticketbuchung über das Callcenter. Da ­sorgen immer wieder Hörfehler für falsch ausgestellte Tickets und Ärger. Tipp: Die ­entgegengenommene Bestellung nochmals vorlesen lassen!

Kein Storno, kein Geld zurück

Für bereits gekaufte Online-Fahrkarten gibt es grundsätzlich weder Erstattung noch Storno-Möglichkeit, ebenso wenig bei SparSchiene-Tickets. Auch das seit September 2012 neue Onlineticket-System hat das nicht geändert. Es wurde aber in den Bestellvorgang ein zusätzlicher Schritt eingebaut, die Buchungsbestätigung. Der Vertrag zwischen dem Kunden und der ÖBB kommt mit der Bestätigung der erfolgreichen Buchung auf www.oebb.at zustande und das Zahlungsverfahren wird zu diesem Zeitpunkt aus­gelöst. Mit der Buchungsbestätigung kann das Ticket auch erst knapp vor Fahrtantritt „bezogen“ werden. Solange das Ticket nicht bezogen wurde, kann man die Buchungs­bestätigung auch stornieren: bis zum ersten Geltungstag kostenlos. Ab dem ersten Geltungstag bis maximal sechs Monate nach Ende der Geltungsdauer beträgt die Stornogebühr eines noch nicht bezogenen Onlinetickets pro Person 50 Prozent des Ticket­preises, mindestens aber 15 Euro. Nicht ­stornierbar sind Buchungen, die per paybox oder Bankeinzug bezahlt wurden.

Anspruch auf Entschädigung

Die Anzahl der Beschwerden betreffend ­Verspätungen und Zugausfälle war im Jahr 2011 geringer als 2010. Bei Zugverspätungen im Fernverkehr besteht für Fahrgäste ab 60 Minuten ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 25 Prozent, ab 120 Minuten sind es 50 Prozent des Ticketpreises. Im Nahverkehr erhalten Inhaber von Verkehrsverbundkarten eine Entschädigung in Höhe von 10 Prozent der Kosten einer Monatskarte für die jeweilige Bahnstrecke und für jeden Monat, in dem der vom Bahnunternehmen garantierte Pünktlichkeitsgrad nicht ein­gehalten wurde. Diese Regelung führte zu mehr Pünktlichkeit.

Tarifänderungen schlecht kommuniziert 

ÖBB-Kunden ärgern sich immer wieder, wenn Tarifänderungen schlecht kommuniziert werden. So löste etwa die Abschaffung der Vorteilscard-Ermäßigung beim Minimax-Ticket im Juli 2012 empörte Briefe an die KONSUMENT-Redaktion aus.

Die sogenannte Rückfahrregelung fiel mit dieser Tarifreform ebenfalls weg. Sie sorgte zwar oft für Verwirrung, kam aber Fahr­gästen preislich entgegen, deren Fahrziel an einem Ort ohne Fernzughalt lag. Jetzt muss jeder gefahrene Kilometer bezahlt werden. Wenn bei einer Reise von Salzburg nach Melk die schnellste Verbindung über St. Pölten führt, fallen zusätzliche 50 Kilometer an: von Salzburg nach St. Pölten, von dort zurück nach Melk. Dafür sind jetzt an Automat und Schalter zwei Tickets nötig. Nur online kann das als ein Ticket gebucht werden.

Hohe Erfolgsquote der Schienen-Control

Tarif-Wirrwarr

Der Kauf des richtigen und günstigsten ­Tickets ist eine Herausforderung. Bei der ÖBB-Personenverkehr AG gibt es laut Schienen-Control 55 nationale und internatio­nale Tarife. Die ÖBB versprechen, dass mit ihrer Vorteilscard eine Ermäßigung von 45 Prozent gewährt wird, bei Buchung über Internet oder Automat gibt es zusätzlich 5 Prozent Selbstbucherbonus. Das stimmt aber oft nicht. So kostet etwa die Fahrt von Zeiselmauer nach Wien Stadtgrenze 4 Euro für Vollzahler, für Vorteilscard Besitzer 2,90 Euro. Von Zeiselmauer nach Klosterneuburg-Kierling sind es für Vollzahler 2 Euro und für Vorteilscard Besitzer nur ­geringfügig weniger: 1,90 Euro.

Ermäßigungen gelten nur für Tickets nach ÖBB-Haustarif

Da verweisen die ÖBB – für den Fahrgast wenig befriedigend – auf die historisch ­gewachsene Tariflandschaft in Österreich. Die versprochenen Ermäßigungen gelten nur für Tickets nach ÖBB-Haustarif, nicht jedoch für Verbundfahrscheine. In Verbundgebieten, also bei den meisten Fahrten im Nah- und Regionalverkehr, wird an der Personenkasse oder beim ÖBB-Fahrkartenautomaten das Vollpreistickets auf Basis des jeweiligen Verbundtarifs berechnet, der meist günstiger ist als der ÖBB-Tarif. Die Preisreduktion durch die Vorteilscard wird aber vom Standardpreis des ÖBB-Tarifs berechnet, weil Ver­bünde die meisten Vorteilscards nicht anerkennen. Eine Vorteilscard Senior gilt auch in den meisten Verkehrsverbünden. So weicht die Ermäßigung meist von den 45 bzw. 50 Prozent ab, was für den aufmerksamen Fahrgast nach Zufallsprinzip aussieht und ihn entsprechend verärgert.

Beim ÖBB-Online-Ticketing hingegen wird unabhängig von der gewählten Strecke stets zum ÖBB-Tarif abgefertigt, da es sich hier um einen reinen ÖBB-Vertriebskanal handelt – hier stimmen auch die Rabatte.

Letzte Hoffnung Schlichtungsstelle

Die Erfolgsquote der Schlichtungsstelle der Schienen-Control kann sich sehen lassen: In rund 80 Prozent der Streitfälle zwischen Fahrgast und Bahnunternehmen konnte eine Lösung gefunden werden, die für den Fahrgast akzeptabel war. Insgesamt wurden 27.540 Euro an Entschädigungen und Strafnachlässen „erschlichtet“ – meist im Kulanzweg. Telefonische Auskünfte erhalten Sie ­unter 01 505 07 07-700, ein Formular zum Download gibt es auf www.schienencontrol.gv.at. Bei Beschwerden über ausländische Bahnunternehmen hilft das Europäische ­Verbraucherzentrum: Tel. 0810 810 225, max. 0,0676 Euro/Minute, Montag bis Freitag 9 bis 15 Uhr, www.europakonsument.at.

Online-Beschwerdeformular

Beschwerdeformular Schienen-Control; Bild: Screenshot/VKI 


Wenn Sie Ärger mit den Leistungen mit der Bahn haben, können Sie sich auch an unser VKI-Beratungszentrum (www.konsument.at/service) wenden.

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