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Crashtest - Gegen den Baum geschleudert

  • Erstmals in Europa: Crash gegen einen Mast
  • Der „Poletest“ zeigt, ob Kopfairbags funktionstüchtig sind
  • Vier Sterne sind heute schon Standard

Beim Seitenaufpralltest wird ein Crash mit einem Pkw simuliert. Die Aluminiumwabenbarriere, die auf einem Schlitten gegen die Fahrertüre geschleudert wird, befindet sich in einer exakt definierten Höhe – die Unterkante muss einen Bodenabstand von 30 Zentimeter aufweisen. Sie trifft oberhalb des Türschwellers auf die Tür, Verletzungsgefahr besteht vor allem für die Brust und den Bauch des Fahrers. Der Kopf wird durch den Aufprall Richtung Seitenfenster geschleudert, häufig durchschlägt der Schädel des Dummys die Scheibe. Die nachgebende Scheibe stellt jedoch keine große Gefahr dar, die Kopfbelastung übersteigt selten den gelben Bereich.

Auch Crash mit Lkw wird simuliert

So realistisch dieser Test eine seitliche Kollision mit einem anderen Pkw simuliert, so wenig sagt er über die Gefährdung des Kopfes aus, wenn dieser nicht mehr auspendeln kann, sondern auf ein festes Hindernis prallt. Was passiert, wenn ein Lkw gegen die Fahrertüre knallt? Oder wenn der Wagen ins Schleudern gerät und gegen einen Baum prallt? Dann ist der Kopf stark gefährdet.

Aus diesem Grund hat das Euro-NCAP-Konsortium einen zweiten Seitencrashtest konzipiert, der diese Unfallsituation simuliert: den so genannten Poletest, nach der englischen Bezeichnung für Mast. Das Testfahrzeug wird auf einem Schlitten mit einer Geschwindigkeit von 29 Stundenkilometer gegen einen fest verankerten Mast geschleudert, wobei sich der Dummy-Kopf genau in einer Linie mit dem Mast befindet.

Poletest

Dieser Crashversuch wird auf Wunsch des Herstellers durchgeführt. Voraussetzung ist allerdings, dass der betreffende Wagen im konventionellen Seitencrash mit einem sehr niedrigen Kopfverletzungsrisiko abgeschnitten hat – ein grüner Kopf ist also Bedingung.

Die Automobilhersteller haben dadurch die Möglichkeit, ihr Euro-NCAP-Rating um zwei Punkte zu erhöhen. Das erzielbare Punktemaximum beträgt 34 statt 32 Punkte. Auf diese Weise kann das Automodell einen fünften Stern ergattern. Für crashsichere Autos wäre dies die Möglichkeit, sich von dem breiter werdenden Feld der Vier-Sterne-Träger abzuheben. Andererseits werden sich in der Regel nur solche Hersteller einem Poletest unterziehen, deren Modell mit einem Kopfairbag ausgestattet ist, denn sonst sind die Chancen, diesen Test zu bestehen, äußerst gering. Im teureren Segment sind die seitlichen Airbags im Kopfbereich schon zur Serienreife gelangt: Ein Polster entfaltet sich vor dem Seitenfenster, um den Kopf abzufangen und gegen den harten Aufprall zu schützen.

Ein Fünf-Sterne-Auto steht noch aus

Fünf Modelle der Mittel- und der Oberklasse von Mercedes, Volvo und Saab haben sich dem Poletest unterzogen; Saab 9-3 und Volvo S80 haben das gesamte Crashtest-Programm durchgemacht, die anderen drei wurden bereits früher getestet und haben jetzt den Poletest nachgeholt. Das Ergebnis: Die Kopfairbag-Konstruktionen erfüllen in allen Fällen ihren Zweck, unabhängig davon, ob es sich um klassische Airbags handelt oder um einen regelrechten Vorhang, der von der A- bis zur C-Säule reicht und auch Personen im Fond des Wagens schützt (bei Mercedes E und Volvo S80). Der sich bildende Sicherheitspolster schützt den Kopf wirksam vor dem eindringenden Mast. Alle Poletest-Absolventen wurden mit zwei zusätzlichen Punkten belohnt, was in der Symbolgrafik mit einem grünen Stern um den Dummy-Kopf versinnbildlicht ist.

Einen fünften Stern in der Endabrechnung schaffte dennoch kein Modell. Dazu waren die Ergebnisse im Frontalcrash nicht gut genug. Der Saab 9-5 verpasste das Ziel relativ knapp, relativ weit vom fünften Stern entfernt sind Mercedes E und Volvo S70, die beide im Frontalaufprall eine enttäuschende Vorstellung boten: Vor allem die Füße sind einem hohen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Dank dem gutenErgebnis des Poletests konnten sich Mercedes E und Volvo S70 aber immerhin von drei auf vier Sterne verbessern. Als recht schwach erwies sich auch der neu getestete Saab 9-3. Die Fahrgastzelle wurde gestaucht, das Dach stark verbeult. Das Gurtsystem belastete die Brust sowohl des Fahrers als auch des Beifahrers stark. Verschlimmert wurde dies dadurch, dass das Lenkrad relativ weit nach hinten und nach oben versetzt wurde.Besser erging es dem zweiten Debütanten der Euro-NCAP-Testserien. Die stabile Fahrgastzelle des Volvo S80 gewährleistet recht gute Überlebenschancen.Bei den schwachen Ergebnissen im Frontalcrash ist zu berücksichtigen, dass die schwereren Modelle der Mittel- und Oberklasse mehr Crashenergie absorbieren müssen als kleinere Autos. Bei diesem Test wird ein Frontalzusammenstoß mit einem gleich schweren Pkw simuliert. Crasht ein schwerer Pkw dagegen mit einem Kleinwagen, wären die Folgen für den Großen glimpflicher.

Seitencrashtest

Beim Seitencrashtest sind hingegen die Bedingungen für jedes Fahrzeug gleich. Die seitlich eindringende Barriere trifft auf jedes Testfahrzeug mit der gleichen Wucht auf. Dank Seitenairbag konnten fast alle voll punkten. Viermal wurde ein grünes Männchen vergeben. Nur der Mercedes fällt hier doch recht deutlich ab. Der in der Türe untergebrachte Seitenairbag kann ein erhöhtes Verletzungsrisiko vor allem im Brustbereich nicht verhindern.

In den restlichen Testkategorien fallen die fünf nicht besonders aus dem Rahmen: Die Sicherheit von Kleinkindern in den von den Herstellern empfohlenen Rückhaltesystemen ist im Großen und Ganzen zufriedenstellend. Mit einer Ausnahme: Ausgerechnet der Saab 9-5, der für Erwachsene die geringsten Verletzungsgefahren birgt, enttäuschte in der Kindersicherheit: Beim Seitenaufprall wurden die Köpfe beider Kinder-Dummys über die Seitenflügel des Sitzes hinaus geschleudert.

Fußgänger werden nach wie vor ignoriert

Das gewohnte Bild bot sich den Testern bei der Prüfung der Fußgängersicherheit. Vor allem für die Beine von Passanten stellt die Fahrzeugfront ein unnötig hohes Verletzungsrisiko dar. Aber auch bei einem Kopfaufprall sind die meisten Motorhauben immer noch zu unnachgiebig. Am schlimmsten ist es um den Saab 9-3 bestellt: Fußgängersicherheit ist hier „praktisch nicht existent“, wie es im Testbericht wörtlich heißt. Einen kleinen Lichtblick gewährt Volvo S70. Er hätte beinahe die geplanten EU-Bestimmungen für die Fußgängersicherheit erfüllt.

Nur knapp verfehlte der Volvo einen dritten blauen Stern – es wäre eine Premiere bei den Euro-Crash-Serien gewesen.

Kopfairbag

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Kopfairbag
Kopfairbag Der Kopfairbag bei Mercedes E und Volvo S80 entfaltet sich wie ein Vorhang von der A- bis zur C-Säule (im Bild ein Mercedes CL). |

Weich gepolstert. Alle getesteten Kopfairbags erfüllen ihre Funktion. Mit ihnen hat man auch hohe Überlebenschancen, wenn man von einem Lkw „abgeschossen“ oder der Wagen gegen einen Baum geschleudert wird.

Bester in der Oberliga. Der Saab 9-5 erzielt bei den großen Limousinen (Mittel- und Oberklasse) das beste Resultat. Der Standard wurde in den letzten Jahren deutlich gesteigert, Verbesserungen sind aber immer noch möglich.

Mangelhaft für Kinder und Fußgänger. Die ungelösten Probleme der Autobranche: Vor allem beim Seitenaufprall können die Köpfe von Kleinkindern nicht in der Schale des Kindersitzes gehalten werden. Und die Sicherheit von Fußgängern ist den Autokonstrukteuren scheinbar keine Überlegung wert.

Im Test: Phase VIIa+ der Testserie im Auftrag des Euro-NCAP-Konsortiums: Poletest an 5 Wagen der Mittel- und Oberklasse, 2 davon komplett getestet. Weiters zwei Wagen anderer Klassen.

Frontal- und Seitenaufprall (sowie Poletest); bei jedem Crash wird die Gefährdung des Fahrers bewertet, für den Beifahrer nur beim Frontalaufprall: Entsprechend dem Punkteergebnis (maximal 34) werden bis zu 5 Sterne vergeben. Die Kindersicherheit wird lediglich verbal beurteilt. Die Fußgängersicherheit wird in einem getrennten Vier-Sterne-Rating beurteilt.

Frontalaufprall: Aufprall mit 40 Prozent Überdeckung (fahrerseitig) gegen eine verformbare Barriere nach EEVC-Spezifikation. Aufprallgeschwindigkeit 64 km/h. Zwei Hybrid-III-Dummys auf den Vordersitzen; bewertet wurden folgende Körperbereiche: Kopf/Hals – Brust – Becken/Oberschenkel/Knie – Unterschenkel/Füße.
Weiters zwei Dummys (entsprechend einem 18 Monate und einem 3 Jahre alten Kind) in vom Hersteller empfohlenen Kindersitzen am Rücksitz.

Seitenaufprall: Euro-SID-Dummy am Fahrersitz in mittlerer Position; bewertet wurden Kopf, Brust, Bauch und Becken. Weiters zwei Kinder-Dummys wie beim Frontalaufprall. Aufprall mit 50 km/h mit EEVC-Barriere auf der Fahrerseite.

Poletest: Ein Euro-SID-Dummy am Fahrersitz, Bewertung wie bei Seitenaufprall. Wagen wird auf Prüfschlitten mit 29 km/h fahrerseitig (in Linie mit dem Kopf) gegen einen Stahlmast geschleudert.

Fußgängersicherheit: Mit einer simulierten Aufprallgeschwindigkeit von 40 km/h wurden Köpfe von Erwachsenen- und Kinder-Dummys gegen die Motorhaube (bzw. Windschutzscheibe) und Beinformen gegen die Fahrzeugfront geschleudert.

Detaillierte Ergebnisse zu allen bisher durchgeführten Euro-NCAP-Crashtests im Internet: www.fia.com/tourisme/safety/safint.htm

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