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Crashtest Mittelklasse - Die Jagd nach den Sternen

  • 6 Mittelklasse-Modelle im Vergleich
  • Renault Laguna machte das Rennen
Mit etwas Verzögerung hat die Automobilindustrie die Euro-NCAP-Crashtests lieb gewonnen. Heute werden die Kriterien des europäischen Konsortiums für die Crashsicherheit von Pkw nicht mehr als unrealistisch und wirtschaftsfeindlich abgetan – im Gegenteil: In den letzten Monaten hat sich die Autoindustrie einen regelrechten Wettlauf um das erste Fünf-Sterne-Auto geliefert. Renault machte mit dem neuen Modell Laguna II schließlich das Rennen. Nach dem ersten Test hatte das Auto nur knapp den fünften Stern verfehlt, Renault setzte darauf hin alles daran, die aufgedeckten Mängel im Gurtsystem und beim Seitenairbag zu beheben. Im zweiten Anlauf klappte es schließlich: Mit 33 von 34 möglichen Punkten errang das Mittelklassemodell aus Frankreich die begehrte Auszeichnung.

Allgemeiner Aufwärtstrend

Allgemein ist ein Aufwärtstrend spürbar. Die Mittelklassemodelle dieser Testserie erwiesen sich fast durchwegs als crashsicher. Vier Sterne sind heute die Regel; nur eines der 6 getesteten Autos musste sich mit drei Sternen zufriedengeben. Beim letzten Mittelklassetest im Jahr 1997 war Volvo S40 noch der einzige unter 13 Teilnehmern, der vier Sterne (mit 26 Punkten) erringen konnte.

Kopf-Airbags

Für Fahrzeuge dieser Kategorie gehören inzwischen nicht nur Seiten-Airbags zur Grundausstattung, immer mehr Hersteller statten ihre Modelle auch bereits mit Kopf-Airbags aus. Diese meist vorhangartigen Luftsäcke schützen den Kopf der Insassen bei einem Seitencrash. Bei drei der sechs getesteten Fahrzeuge ist ein Kopf-Airbag Standard, bei zwei weiteren gibt es ihn leider nur gegen Aufpreis (Rover 75 und VW Passat). Diese fünf Modelle konnten daher auch zum Pole-Test (Seitencrash gegen einen Stahlmast) antreten. Nur beim Mercedes C-Klasse gab es Probleme: Der Airbag-Vorhang entfaltete sich nicht vollständig, Mercedes hat den Pole-Test zwar bestanden, aber nur mit Einschränkungen. Nur bei den Modellen mit serienmäßigem Kopf-Airbag wurde der Pole-Test gewertet.

Teils schwere Mängel bei Kindersicherheit

So erfreulich die Entwicklung in der Insassensicherheit (für Erwachsene) ist, so wenig Fortschritte sind bei Kindersicherheit und Fußgängerschutz zu verzeichnen. In unserem Test Autokindersitze (Seite 22) zeigt sich, dass selbst die neue Generation von Sitzen verschärften Crash-Bedingungen nur bedingt standhält. Auch vergleichsweise gute Kindersitz-Modelle nützen im Autocrashtest wenig. Durch die steifere Fahrgastzelle wirkt auf die Insassen ein höherer Impuls als bisher. Für Erwachsene wird dieser durch Airbag und Gurtkraftbegrenzung gedämpft, für Kinder in Kindersitzen fehlen solche Dämpfungselemente.

Auch Isofix mit Mängeln

Weitere Ursachen sind weich gepolsterte Sitzbänke und/oder ein Gurtsystem, mit dem sich die Kindersitze nicht ausreichend fest montieren lassen. Auch bei den Isofix-Systemen (Honda und Renault) wurden Mängel offenbar. Die derzeit gebräuchliche fixe Verankerung an lediglich zwei Punkten vermag nicht zu verhindern, dass der Kopf des Kindes nach vorne geschleudert wird. Der Versuch, den Sitz oben mit einem speziellen Gurt (Top Tether) festzumachen, führt in der Praxis nicht immer zu einer Verbesserung: Gerade in einem solchen Sitz von Honda wurde eine besonders hohe Nackenbelastung für den 18-Monate-Dummy gemessen. Am schlechtesten schneiden die Kindersitze im Mitsubishi Carisma ab. Beide Kinderdummys donnern mit dem Kopf gegen den harten Fangtisch des vom Hersteller empfohlenen Storchenmühle Air Seat. Es ist dies bereits zum zweiten Mal, dass dieser Sitz beanstandet wird (wie bei Mitsubishi Space Star: siehe „Crashtest Kompakt-Vans“ [Konsument 4/2001]).

Kaum Schutz der Passanten

Das zweite unbewältigte Problem in der passiven Sicherheit stellt der Schutz von Passanten dar. Die Fahrzeugfront erweist sich fast immer als unnachgiebig, aber auch die Motorhaube gibt nur in Ausnahmefällen so weit nach, wie es erforderlich wäre. Anlass zur Hoffnung gibt lediglich Honda Civic, der den vierten blauen Stern für die Fußgängersicherheit nur knapp verfehlte. Honda schafft dies nicht mit Glück, sondern dank einem speziellen Design von Motorhaube, Kotflügel und Stoßstange. Der japanische Hersteller beweist damit, dass die Fußgänger mit gezielten Maßnahmen geschützt werden können und dies ganz und gar nicht im Widerspruch zur Sicherheit der Insassen stehen muss.

Mittelklasse

color>

sehr hoch

hoch

durchschnittlich

niedrig

sehr niedrig

Renault Laguna II
F B S K

33 Punkte

Die Fahrgastzelle bleibt vollständig stabil. Bis auf eine geringe Brustbelastung sind die Insassen gut geschützt. Makellos im Seitencrash.


Mercedes C
F B S K

31 Punkte

Die steife Fahrgastzelle bietet guten Schutz, ist aber für die hohe Brustbelastung des Fahrers verantwortlich. Kopf-Airbag nicht voll entfaltet.


Audi A4
F B S K

30 Punkte

Außer einer erhöhten Brustbelastung durch die Gurtstraffer kaum Schwächen im Crash-Test. Aber Fußgängerschutz wird komplett ignoriert.


Rover 75
F B S
rechtsgelenkt

30 Punkte

Nur die hohe Brustbelastung führt zu Punkteabzügen. Mit serienmäßigem Kopf-Airbag wäre Ergebnis noch besser. Hohes Risiko für Kinder.


VW Passat
F B S

28 Punkte

Der Kopf des Fahrers hat zwar Kontakt mit der Türsäule, was aber ohne Folgen bleibt. Schwerer wiegt der Brustkontakt mit dem Lenkrad.


Mitsubishi Carisma
F B

24 Punkte

Der Fahrerkopf hat Kontakt mit dem Lenkrad, was Mitsubishi den vierten Stern kostet. Beiden Kindern drohen schwere Kopfverletzungen.


Fünfstufiges Euro-NCAP-Rating für Frontalaufprall (Fahrer und Beifahrer) und Seitenaufprall plus Poletest (Fahrer).

Vierstufiges Rating für die Fußgängersicherheit.

Poletest bestanden

Poletest mit Einschränkung bestanden

Anmerkungen:
Modelle linksgelenkt (wenn nicht anders angegeben).
F – Fahrer-Airbag, B – Beifahrer-Airbag, S – Seiten-Airbag, K – Kopf-Airbag

Kompakt-Vans

Opel Zafira
F B
rechtsgelenkt

22 Punkte


Fiat Multipla
F B
rechtsgelenkt

19 Punkte

Nachtrag zum Crashtest Kompakt-Vans („Konsument“ 4/2001): Auf Wunsch der Hersteller waren Nachtests notwendig. Doch die von Opel und Fiat durchgeführten Modifikationen brachten nicht das gewünschte Ergebnis. Die Fahrgastzelle des Zafira erwies sich erneut als instabil, Kopf und Brust des Fahrers prallten auf das Lenkrad. Das Release-System (Entkoppelung) der Pedale funktionierte auch diesmal nicht.
Kleine Einschränkung: Auf der linken Seite des Opel Zafira scheint der Crashimpuls niedriger zu sein. Dies belegt ein ADAC-Test aus dem Vorjahr, der mit einem linksgelenkten Fahrzeug durchgeführt wurde. Die Belastungen für den Fahrer waren dabei deutlich geringer.
Noch ärger wurde die Struktur des Multipla in Mitleidenschaft gezogen. Der Fahrerkopf knallt auf das Lenkrad – letztlich nur drei von 16 Punkten im Frontalcrash. Der beste Kompakt-Van – Nissan Tino – hat im Frontcrash 12 Punkte erzielt, 30 insgesamt.

Kompaktklasse

Honda Civic
F B S
rechtsgelenkt

27 Punkte

Der neue Honda Civic ist einer der besten in der Kompaktklasse. Die hohe Brustbelastung durch den Gurt und ein hohes Verletzungsrisiko für Knie und Oberschenkel trüben das Ergebnis ein wenig. Fast hätte der Civic zweimal vier Sterne errungen. Mit 27 Punkten in der Crashsicherheit rangiert er ex aequo (mit Mercedes A) an zweiter Stelle (hinter Renault Mégane, 28 Punkte). In der Fußgängersicherheit wurde der vierte Stern nur knapp verfehlt. Jedenfalls das bisher beste Ergebnis in dieser Wertung.

4 Sterne Standard.

Für neuere Automodelle sind 4 Sterne Stand der Technik. Die Fahrgastzelle (der Überlebensraum für die Insassen) bleibt weitgehend stabil.

Schwere Last für Kindersitze.

Die steiferen Strukturen führen dazu, dass stärkere Kräfte auf die Kindersitze einwirken. Die bestehende Kindersitz-Technologie stößt an ihre Grenzen, neue Antworten müssen gefunden werden.

Hoffnung für Fußgänger.

Die hartnäckige Behauptung, Fortschritte in der Crashsicherheit gingen zwangsläufig auf Kosten des Fußgängerschutzes, konnte endlich in der Praxis widerlegt werden: Auch 4 blaue Sterne sind keine Utopie mehr.

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