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ÖBB-Cards: Verwirrspiel für Senioren - Teure Zwangsbeglückung

Ein seltsames Verwirrspiel treiben die ÖBB mit Stammkunden, die sich eine Österreichcard leisten oder in das Reich der Seniorenermäßigung (derzeit 63 Jahre) eintreten.

Die Österreichcard der ÖBB, die Jahreskarte für ÖBB-Züge und einige Privatbahnen (ausgenommen Westbahn), könnte für Bahnfahrer das sein, was für viele das eigene Auto vor der Haustür ist: ein niedrigschwelliger Mobilitätszugang; einfach einsteigen und losfahren, ohne jedes Mal zuerst die nötige Fahrkarte besorgen zu müssen. Doch die ÖBB geben ihren Stammkunden, die auf eine Österreichcard setzen, preislich – und auch leistungsmäßig – seit Jahren kalt-warm. 

Im Juli 2012 überraschten sie positiv, indem sie die Preise für dieses Produkt um rund 8 Prozent senkten. Die Preissenkung schien durchaus logisch und gerechtfertigt, war ja der Leistungsumfang der Österreichcard über die Jahre deutlich geschrumpft – etwa durch die Einstellung zahlreicher Bahnlinien und den Wegfall vieler zuvor inkludierter Leistungen (z.B. Zutritt zu den ÖBB-Lounges für Inhaber von Österreichcards 2. Klasse oder kostenlose Radmitnahme-Tageskarten). Doch diese Preis-Leistungs-Anpassung schien die ÖBB bald wieder zu reuen. 

Österreichcard: Jährliche Preiserhöhung 

Seither wurden die Preise nun fast jährlich deutlich hochgefahren: 2015 und 2017 waren es jeweils plus 2,5 Prozent (2. Klasse) bzw. plus 5 Prozent (1. Klasse), 2018 plus 4 bzw. plus 8 Prozent. 2019 wurden nochmals 3 bzw. 6 Prozent aufgeschlagen. Der Preis für die Österreichcard ist heute mit 1.889 Euro (ÖC Classic 2. Klasse) und 2.839 Euro (ÖC Classic 1. Klasse) bereits um 15 Prozent (2. Klasse) bzw. gar um 29,6 Prozent (1. Klasse) höher als vor sieben Jahren. 

Die ÖBB rechtfertigen diese Preiserhöhungen mit dem Hinweis, dass die Österreichcards deutlich billiger seien als Vergleichsangebote in der Schweiz (Generalabonnement Erwachsene, 2. Klasse, 3.392 Euro) und in Deutschland (BahnCard 100, 2. Klasse, 4.270 Euro). Das lässt für die Zukunft Teures befürchten. Dabei ist der Vergleich schlicht falsch, denn das SBBGeneralabo umfasst neben den Zügen auch die Nutzung der Buslinien, Stadtverkehre, Schiffe und Seilbahnen in der Schweiz. Und das in Deutschland mit der BahnCard 100 nutzbare Schienennetz ist mehr als sechsmal so lang wie die mit der Österreichcard befahrbare Strecke (rund 5.200 km) und es kann auch der Nahverkehr in über 120 Städten genutzt werden.

Teurere Tickets mit der Vorteilscard Senior

Flucht aus der Vorteilscard Senior 

Die Tarifreform im VOR Verkehrsverbund Ost-Region 2016 brachte auch Seniorenermäßigungen für Einzeltickets und Tageskarten. Voraussetzung: Man kauft eine ÖBB-Vorteilscard Senior um 29 Euro. Warum reicht dafür nicht einfach ein Ausweis, der das Alter nachweist, fragen empörte Seniorinnen und Senioren in E-Mails an KONSUMENT. Bald stellten die ersten fest, dass sie trotz dieser neuen Senioren-„Ermäßigung“ plötzlich deutlich mehr bezahlen mussten. 

So schrieb Herr Gregor W. im November 2018 in einem Leserbrief an Konsument: „Mit der 2016 durchgeführten VOR-Tarifreform erhöhte sich der Preis für ein Ticket Gänserndorf – Wien-Mitte mit der ÖBB-Vorteilscard Senior beträchtlich. Ich bezahle damit für diese Strecke 4,30 Euro, mit der ÖBB-Vorteilscard Classic hingegen nur 2,60 Euro!“ 

Vorteilscard Classic deutlich billiger

Das gleiche Phänomen – teurere Tickets mit der ÖBB-Vorteilscard Senior als mit der ÖBB-Vorteilscard Classic – tritt auch in anderen Verkehrsverbünden auf. Denn die Seniorenermäßigung in den Verkehrsverbünden ist meist merklich geringer als die 45 bis 50 Prozent mit Vorteilscards im ÖBB-Tarif.

Es verwundert nicht, dass immer mehr Senioren aus der Vorteilscard Senior „flüchten“: „Aufgrund der massiven Schlechterstellung der SeniorenCard-Kunden habe ich meine Senioren-Card gekündigt und mir die teurere Vorteilscard Classic gekauft“, schreibt etwa Gregor W. Doch so einfach geht das nicht – nicht der Wunsch des Kunden, sondern sein Alter ist den ÖBB Befehl: Sie schicken jedem ab dem 63. Lebensjahr die Vorteilscard Senior, auch wenn die Vorteilscard Classic bestellt wurde. 

Haben Sie auch solche Erfahrungen gemacht? Schreiben Sie uns!

Zwangsbeglücklung: automatische Umstellung

Das ÖBB-Kundenservice dazu an Hans B.: „Aufgrund des Alters (ab einem Kundenalter von 63 Jahren) wird die Vorteilscard Classic automatisch in eine Vorteilscard Senior umgewandelt. Diese Umstellung können wir leider nicht verhindern, da das System die Umwandlung durchführt und wir leider keinen Einfluss drauf haben.“ „Chaotischer geht‘s wohl nicht mehr“, bringt es Gregor W. fassungslos auf den Punkt.

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