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ÖBB: Reklamieren - Auf Gnade angewiesen

Gibt es Probleme bei der Bahnreise, ist es mit den Kundenrechten nicht weit her. Es bleibt das Hoffen auf den Kulanzweg.

Geschädigte stehen als rechtlose Bittsteller da

Verspätungen, verpasste Anschlüsse, verschmutzte oder versperrte WCs, nicht funktionierende Fahrkartenautomaten: Es gibt viele Dinge, die das Reisen mit den ÖBB vermiesen können, weil das Gebotene so gar nicht den Erwartungen entspricht. Was den Ärger oft potenziert, ist die Erkenntnis, dass es bei der Bahn keinen Anspruch auf fehlerfreie Dienstleistungen gibt. Die Geschäftsbedingungen der ÖBB versprechen dies auch gar nicht, sodass Geschädigte als rechtlose Bittsteller dastehen.

Vieles ist ungeregelt

Denn die ÖBB-Vorschriften, die das Verhältnis der ÖBB zu ihren Fahrgästen regeln – das sind vor allem der ÖPT (Österreichischer Eisenbahnen-Personen- und Reisegepäcktarif) und der PT/ÖBB (Personentarif ÖBB) sowie diverse Allgemeine Geschäftsbedingungen (alle auf www.oebb.at unter „Personenverkehr AG/Tarifbestimmungen“) –, sparen viel aus. Manche Bestimmung ist irreführend. Etwa wenn im ÖPT unter Punkt 21.1 sehr kategorisch steht: „Fährt ein Zug verspätet ab, kommt er verspätet an oder fällt er ganz oder auf einer Teilstrecke aus, so hat der Reisende keinen Anspruch auf Entschädigung.“ (Die ÖBB unterscheiden, für den Kunden leicht überlesbar, streng zwischen „Entschädigung“ und „Erstattung“.)

Es gibt fixe Entschädigungsregeln

Dass es mit der „Passagiercharta“ seit 14. Dezember 2004 fixe Entschädigungsregeln im Bahnfernverkehr gibt – 20 Prozent des Fahrpreises bei Verspätungen über 60 Minuten (Tagesreisen) bzw. über 120 Minuten (Nachtreisen) – bleibt unerwähnt. Die „Passagiercharta“ findet sich seltsamerweise im Anhang zum anderen Hauptregelwerk, dem PT/ÖBB.

Übervolle Züge, defekte Klimaanlagen usw.

Vieles, was in Beschwerdeschreiben an die ÖBB immer wieder auftaucht, bleibt ungeregelt und ohne von den ÖBB zugestandenen Entschädigungsanspruch – etwa übervolle Züge ohne freien Sitzplatz, brütende Hitze wegen einer defekten Klimaanlage samt nicht zu öffnenden Fenstern oder nicht eingehaltene Versprechungen wie der angekündigte, doch nicht vorhandene Kinderspielwagon.

Kein System bei Entschädigung

Hier trösten die ÖBB nach eigenem Gutdünken mit Kulanzlösungen. Darauf angesprochen, geben sich die ÖBB wortkarg. Offenbar will man nicht die  Begehrlichkeit unzufriedener Kunden wecken. So bleiben die Entschädigungen im Kulanzweg Einzellösungen, die nicht einmal in gleich gelagerten Fällen ein System erkennen lassen.

4-Euro-Gutschein und Schluss

Ein Fahrgast monierte, dass er die versprochene Auswahl an mehreren  Zeitungen und Zeitschriften im Erste-Klasse-Wagon nicht vorfand. Und erhielt prompt einen Gutschein über 4 Euro. Als er nach einer Woche mit demselben Missstand wieder vorstellig wurde, wurde ihm abschlägig beschieden: „Da Ihnen schon eine Woche zuvor für den selben Mangel ein Gutschein übermittelt wurde, sind wir der Meinung, dass diese Wiederholung damit bereits abgedeckt ist.“

Stammkunden, die aufgrund ihrer Bezahlung mit ÖBB-Cards mit Kreditkartenfunktion als solche erkennbar sind, haben dem Vernehmen nach bessere Karten. Oft scheint der Zufall – in Person des jeweiligen Sachbearbeiters – Regie beim Entschädigen zu führen.

Hartnäckig bleiben

Durch eine Ablehnung sollte man sich nicht gleich entmutigen lassen:  Eine junge Familie fror aufgrund defekter Heizung im unterkühlten Schlafwagen erbärmlich. Die ÖBB-Beschwerdestelle wies ihr Begehr nach Schadenersatz kühl ab. Eine weitere Beschwerde-E-Mail an den obersten zuständigen ÖBB-Manager bewirkte doch noch eine Teilrückvergütung.

Missstände genau dokumentieren

Ratsam ist, aufgetretene Missstände genau zu dokumentieren. Und im Zug vom Zugbegleiter eine schriftliche Bestätigung dafür zu erbitten. Bleiben Sie bei Ihrer Beschwerde sachlich und detailgenau. Die Drohung, Medien oder einen Anwalt einzuschalten, ist dem Goodwill erfahrungsgemäß nicht förderlich.

Anlaufstelle für Beschwerden

Zentrale ÖBB-Beschwerdestelle:

  • Post: Anregungen und Kritik, Postfach 76, 1020 Wien;
  • E-Mail: anregungen.kritik@pv.oebb.at
  • Telefon: 0810 100755 (werktags Mo–Fr 7:00–17:30 Uhr und Sa 8:00–15:30 Uhr; aus ganz Österreich zum Ortstarif)

Eine übergeordnete Instanz für Beschwerden ist derzeit im Entstehen. Sie soll im Herbst 2006 bei der Schienencontrol GmbH rechtlich verankert und arbeitsfähig sein. Hier werden Problemfälle behandelt, die vom betreffenden Unternehmen nicht zufriedenstellend gelöst werden oder sich überdurchschnittlich häufen ( www.scg.gv.at ).

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