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Sommerreifen - Reifenpoker

30 Sommerreifen im Test: Die bevorstehende Reifen­kennzeichnung macht sich bemerkbar. No-Name-Produkte werden immer besser. Worauf Sie achten sollten.

Zwei überraschende Erkenntnisse hat dieser Reifentest gebracht: Erstens, dass viele Reifenhersteller bereits darauf reagiert haben, dass ab 1. November 2012 beim Verkauf zu jedem Pkw-Reifen die Kriterien Kraftstoffeffizienz, Nasshaftung und Rollgeräusche angegeben werden müssen; entweder in Form eines ­Aufklebers am Reifen selbst oder durch eine Kennzeichnung in unmittelbarer Nähe des Pneus. Zweitens, dass immer öfter Marken ganz vorne im Ranking zu finden sind, die bisher qualitativ eher weiter hinten rangierten oder überhaupt neu auf dem Markt sind.

30 Sommerreifen im Test

Zwei sehr verbreitete Sommerreifen-Dimensionen waren diesmal im Test, nämlich 165/70 R 14 und 205/55 R 16. Erstere ist eine beliebte Dimension für Klein- und Kompaktwagen, letztere eine der meistverkauften Reifengrößen überhaupt, da sie die weite Spanne von kräftig motorisierten Kompaktwagen bis hin zur Mittelklasse abdeckt. Beispiele für Fahrzeuge mit der kleineren Dimension sind Citroën C3, Fiat Panda, Renault Kangoo, Toyota Yaris und VW Polo. Die grö­ßere Dimension reicht vom VW Golf bis zur C-Klasse von Mercedes.

Kein Reifen erreicht in allen Test-Kriterien Bestnoten

Die Konstruktion von Reifen stellt immer ­einen Zielkonflikt dar. Es kann praktisch ­keinen Reifen geben, der in allen Testkriterien Bestnoten erhält. Wer besonders hohe Laufleistungen verlangt (in der Testtabelle unter "Verschleißfestigkeit“ zu finden), muss beispielsweise Abstriche beim Nassgriff in Kauf nehmen.

Ausgewogenes Leistungsprofil

Kennzeichnungspflicht verschiebt Entwicklungsschwerpunkte

So geht es im Wesentlichen darum, ein möglichst ausgewogenes Leistungsprofil zu erreichen. Die jetzt angesagte Kennzeichnungspflicht nach Umwelt- und Sicherheitskriterien verschiebt den Schwerpunkt bei der Reifenentwicklung nun doch etwas. Es ist leichter, eine hohe Kraftstoffeffizienz und ­gute Nasshaftung zu erreichen, wenn man bei der Laufleistung etwas nachlässt.

Jedenfalls dürfte man unter anderem bei Michelin so gedacht haben. Der Energy Saver wurde gründlich überarbeitet, denn gegenüber den Ergebnissen in den Jahren zuvor, wo er immer exzellente Laufleistungen erreichte, wird der Neue hier gleich von mehreren Konkurrenten geschlagen. Dafür erhielt er nunmehr die Bestnote auf nasser Fahrbahn.

Für Umwälzungen in der Strategie spricht auch, dass dieser Reifen in der größeren Dimension als einziger noch nicht lieferbar war (daher konnte er auch nicht getestet werden). Bei den Konzernmarken Goodyear, Fulda und Dunlop hingegen dürfte man noch nicht auf die Kennzeichnungspflicht reagiert haben: Tendenziell stehen hier den schlechten Leis­tungen bei Nässe sehr gute beim Verschleiß entgegen.
 

Kleine und Kompakte: 165/70 R 14

Schon bei den kleineren 165er-Reifen ist die Auswahl recht umfangreich, nur ein Produkt erwies sich als „nicht zufriedenstellend“, alle anderen sind „gut“ oder zumindest „durchschnittlich“. Neben den als hochwertig bekannten Marken wie Continental, Michelin und Pirelli tauchen zwei weitere bisher gar nicht oder zumindest weniger prominente Hersteller in der Spitzengruppe auf, nämlich Apollo und Barum.

Barum ist eine tschechische Tochter von Continental und trat bisher qualitativ kaum hervor, weder im positiven noch im negativen Sinn. Jetzt hat man den Sprung ganz nach vorne geschafft, nämlich durch Ausgewogenheit. Der Barum erbringt zwar keine Spitzenleistungen, schlägt sich aber in allen Disziplinen tapfer. Der stark expandierende indisch-südafrikanische Reifenhersteller Apollo, zu dem auch die schweizerische Marke Maloya gehört, hat 2009 den niederländischen ­Winterreifenspezialisten Vredestein übernommen. Mittlerweile rückt er auch quali­tativ nach vorne. Der Apollo Amazer 3G Maxx schaffte die beste Bewertung auf nasser Fahrbahn und lässt sich auch sonst keine Schwäche nachsagen, außer beim Geräusch.

Unterschiede beim Bremsen

Yokohama, der japanische Reifenhersteller, der bisher eher durch hohe Preise als durch außergewöhnliche Qualität auffiel, nennt sein neues Konzept BluEarth, was konkret ­bedeutet, dass durch Verwendung von ­Orangenöl der Anteil an Rohöl zurück­gedrängt werden soll. Außerdem soll das auch den Zielkonflikt zwischen Nassgriff und Kraftstoffverbrauch verringern. Allerdings nützt er sich erstaunlich stark ab, erreicht nur 60 Prozent der Lauf­leistung des nächstgereihten Fulda EcoControl. Da der ­Yokohama aber gleichzeitig die Bestnote auf trockener Fahrbahn erreichte, könnte man ihn gewissermaßen als Schönwetterreifen bezeichnen.

Totalversager Infi­nity Inf-030

Geringe Laufleis­tungen erreichten übrigens auch Khumo und Semperit. Als ­ein­ziger Totalversager bei den diesjährigen ­Reifentests erwies sich der chinesische Infi­nity Inf-030. Ihm ist ein Komplettversagen auf nasser Fahrbahn vorzuwerfen. Beim Bremsen aus 80 km/h benötigt der ­Infinity rund 13 Meter mehr bis zum Stillstand als der beste Reifen, Pirelli. Anders ausgedrückt: Das Infinity-bereifte Fahrzeug schießt noch mit 45 km/h dahin, während der Wagen mit Pirellis bereits steht.

Online-Preise meist niedriger

Kompakt bis Mittelklasse: 205/55 R 16

Aufgrund der beschränkten Teilnehmerzahl traten diesmal keine Billigreifen zum Test an, was auch mit ein Grund dafür sein mag, dass bei der kleineren Dimension nur einer durchfiel, bei der Größe 205/55 R 16 gar keiner. Alle haben in dieser Klasse die wichtige ­Nässewertung geschafft, gleichzeitig wurden aber fünf Modelle wegen ihres hohen Verschleißes abgewertet – wohl auch eine direkte Folge der neuen Kennzeichnungsregel, bei welcher der Verschleiß nicht berücksichtigt wird. Der bisher als Billigmarke für den ­Nutzfahrzeugsektor bekannte Hersteller Ceat erreicht mit seinem Modell C Formula bei durchwegs recht ausgewogenen Ergebnissen in allen Disziplinen sogar den niedrigsten Kraftstoffverbrauch.

Schwankungen beim Kraftstoffverbrauch

Die Schwankungsbreite im Kraftstoffverbrauch zwischen den besten und den schlechtesten Reifen liegt in beiden Dimensionen bei rund 0,4 Liter auf 100 km. Mit steigenden Spritpreisen gewinnt dieses Kriterium natürlich zusehends an Bedeutung. Der Kraftstoffverbrauch ist ja auch als wichtiger Umweltfaktor in der neuen Kennzeichnung enthalten. Nicht hingegen, wie schon erwähnt, der Verschleiß, der immerhin einen bedeutenden Kostenfaktor darstellt. Die besten Reifen in dieser Disziplin rollen fast doppelt so weit wie die schlechtesten. Es lohnt sich durchaus, diese Tatsache beim Preisvergleich zu berücksichtigen.

Handlungsspielraum beim Reifenkauf

Es herrscht viel Geheimniskrämerei um die wahren Reifenpreise; das gilt besonders für das Saisonprodukt Winterreifen, aber auch für Sommerreifen. Die Händler lassen sich nicht gern in die Karten schauen. Das beginnt schon damit, dass Hersteller, Impor­teure und Generalvertretungen nur in Ausnahmefällen unverbindliche Verkaufspreise bekannt geben. Damit hat sich inzwischen das Internet als wesentliches Element in der Preisgestaltung etabliert, denn dort bieten die Preislisten von Online-Reifenhändlern und Suchplattformen eine gute Orientierung für die Kundschaft. Mangels anderer Informationen sind daher auch in der Tabelle die Online-Preise (bzw. ein Durchschnitt daraus) angegeben.

Die Online-Preise (meist niedriger als in der „realen Welt“) haben sicher eine preisdämpfende Wirkung. Das heißt aber nicht zwangsweise, dass das Internet der ideale Ort ist, um neue Reifen anzuschaffen, denn sie müssen auch montiert werden. Die Praxis sieht dann so aus: Wer Reifen im Internet bestellt, lässt diese üblicherweise zu einer Werkstätte schicken, die sie auch montiert. Dabei können zusätzliche Kosten anfallen; etwa Versand­kosten, Nachnahmegebühr, mitunter auch erhöhte Kosten für die Montage, weil ja der Händler um die Handelsspanne der Reifen umfällt.

Zusatzkosten beachten

Mehrkosten für Montage, Wuchten und Entsorgen der Altreifen können den Vorteil eines niedrigeren Reifenpreises durchaus egalisieren. Hier gibt es sogar Unterschiede zwischen dem Westen und dem Osten Österreichs – im Osten ist Reifenwechseln tendenziell ­etwas günstiger. So kostet die Reifenmon­tage mit Wuchten pro Stück üblicherweise zwischen 10 und 15 Euro bei Stahlfelgen; bei Alufelgen zwischen zwei und fünf Euro zusätzlich. Zwei bis vier Euro werden meist für die Entsorgung eines Altreifens verrechnet. Es rentiert sich also durchaus, nicht nur den Reifenpreis allein zu beachten, sondern auch die zusätzlichen Kosten zu erfragen.

Testtabelle: 3/2012 Sommerreifen 165/70 R 14 T

Testtabelle: 3/2012 Sommerreifen 205/55 R 16 V

Reifenkennzeichnung ab 1.11.2012

Die Kennzeichnung ist Pflicht ab 1.11.2012. Sie informiert über Kraftstoffeffizienz, Nasshaftung und Außengeräusch, nicht aber über Verschleiß.

Reifenkennzeichnung ab 1.11.2012 Illustration: EU-Kommission  

Zusammenfassung

  • Lückenhafte Kennzeichnung. Achten Sie beim Reifenkauf nicht nur auf die ab Herbst vorgeschriebenen Kriterien Kraftstoffeffizienz, Nasshaftung und Rollgeräusch, sondern auch auf die Verschleiß­festigkeit. Sie ist ebenfalls ein wesentlicher Kostenfaktor.
  • Vorsicht, Nebenkosten! Nebenkosten für Montage, Wuchten und Entsorgung der Altreifen fallen durchaus ins Gewicht. Auch die Kosten fürs Einlagern der Winterreifen schwanken stark.
  • Nassgriff entscheidet. Auf trockener Fahrbahn schneiden auch Billigreifen oft ganz gut ab. Die Entscheidung fällt beim Nassgriff. Ein Reifen mit Schwächen im Nassgriff kann kein guter Reifen sein.
  • Riskanter Trugschluss. Wie immer die Qualität des Reifens auch sein mag, der wahre Schlüsselfaktor in Sicherheitsfragen bleibt der Mensch. Gute Reifen zu kaufen ist kein Freibrief, um schneller zu fahren – Stichwort Risikokompensation.

Testkriterien

Aus einem internationalen Gemeinschaftstest von Sommerreifen veröffentlichen wir die Ergebnisse der in Österreich erhältlichen Modelle.

Preise

Durchschnittswert aus der Befragung von Anbietern (Hersteller und Händler, auch Online-Anbieter). Alle Preise pro Stück, ohne Auswuchten, Ventil und Montage.

Nasse Fahrbahn

Handling: Zeitwertung und subjektives Urteil auf dauerberegnetem 1900-Meter-Kurs. Bremsen auf dauerberegnetem Asphalt und Beton aus 80 auf 20 km/h. Aquaplaning auf Geraden: Einfahrt in eine 7 mm tiefe Fließwasserstrecke und Beschleunigungen. Aquaplaning in Kurven: Befahren einer 200-m-Kreisbahn mit einem dauerberegneten Teilstück von 4 mm Wassertiefe. Einfahrt mit konstantem Lenkeinschlag mit 65 bis 95 km/h. Seitenführung: Befahren einer dauerberegneten Asphalt-Kreisbahn auf Zeit.

Trockene Fahrbahn

Subjektive Beurteilung der Fahrstabilität: Geradeauslauf (auch im Schub-/Zugbetrieb und bei Lastwechsel), Ansprechverhalten auf Lenkbefehle, Verhalten der Hinterachse bei minimalen Lenkwinkeländerungen und Gleichmäßigkeit der Seitenkraft (Linearität). Handling: Spurhaltung in Kurven, Zielgenauigkeit und Kurvenfestigkeit. Bremsen: Auf trockener Asphaltfahrbahn (Contidrom) werden ABS-Bremsungen von 100 auf 0 km/h durchgeführt. Pro Reifentyp 6 Messfahrten.

Verschleißfestigkeit

Prüfung am Prüfstand und im Konvoi über eine Strecke von ca. 10.000 Kilometern und auf dem Verschleißprüfstand, Messung der Profiltiefe an je 24 Reifenstellen.

Kraftstoffverbrauch

Verbrauchsmessungen bei 80, 100 und 130 km/h.

Geräusch

Innengeräusch: subjektive Beurteilung bei Fahrten auf trockenem Asphalt und Beton mit 30 bis 80 km/h.
Außengeräusch: Ermittlung der Abrollgeräusche auf einer ISO-Asphaltstrecke mit 80 km/h bei abgestelltem Motor in DB(A) nach ISO 362.

PAK-Gehalt

Aus der Lauffläche wurden Proben entnommen und untersucht. Bewertet wird die Summe aller PAK (Polyzyklische Aromatischen Kohlenwasserstoffe) in mg pro kg Laufflächengummi. - Ab 2012 wird der PAK-Gehalt nicht mehr überprüft, weil der EU-Grenzwert zuletzt von allen Markenreifen eingehalten wurde.

Schnelllaufprüfung (nicht bewertet)

Höchstgeschwindigkeitstest nach den über die DIN 78051 hinausgehenden Anforderungen (+ 10 km/h) auf einem Außentrommelprüfstand.

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