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Verkehrssicherheit: Licht am Tag - Die im Dunkeln sieht man nicht

Fahren mit Licht am Tag hat sich schnell durchgesetzt, doch die Diskussionen gehen weiter. Die erhofften positiven Effekte könnten sich ins Negative verkehren, warnen Augenärzte und Psychologen.

Sinnvoll oder nicht?

Seit 15. November 2005 muss man in Österreich beim Autofahren auch tagsüber das Licht aufdrehen, und ab 15. April 2006 wird das Zuwiderhandeln bestraft. Selbst wenn das Gesetz mittlerweile also in Kraft ist, die Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme hält unvermindert an.

Bei kaum einem anderen Thema treffen unterschiedliche Experten-Meinungen so direkt aufeinander, kräftig aufgeladen mit Emotionen. Die Fronten im Überblick: Das Kuratorium für Verkehrssicherheit und der Autofahrerclub ÖAMTC sind vorbehaltlos für „Licht am Tag“ und untermauern die Vorteile mit zahlreichen Rechenbeispielen und Studien. Dort geht man auch davon aus, dass die herannahenden Autos von Fußgängern und Radfahrern früher und besser gesehen werden können.

Gegensätzliche Ergebnisse

Beim ARBÖ hält man die aus „Licht am Tag“ folgenden Senkungen der Unfallzahlen für nicht hundertprozentig erwiesen. Kurz: Man hätte lieber eine einheitliche europäische Lösung mit speziellem „Tagfahrlicht“. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hingegen ist massiv gegen „Licht am Tag“, weil man eine deutliche Steigerung der Unfälle mit Fußgängern und Radfahrer befürchtet, da diese ohnehin sehr gefährdete Gruppe von den Autofahren noch weniger wahrgenommen würde.

Statistische Studien gelangen offenbar zu gegensätzlichen Ergebnissen. Der Grund dafür: Während eine einzelne Maßnahme wie etwa „Licht am Tag“ untersucht wird, ändern sich laufend auch andere Einflussgrößen (Verkehrsdichte, Vorschriften, Kreisverkehr statt Ampel, fahrzeugseitige Verbesserungen wie ESP etc.), sodass am Ende kaum ein verlässliches, signifikantes Ergebnis stehen kann.

Sind die Studien wertlos?

Auch zahlreiche Augenärzte und Psychologen halten Licht am Tag eher für bedenklich bis gefährlich und die üblichen so unterschiedlich ausfallenden Studien zu Licht am Tag schlicht für wertlos. Der Augenarzt Universitätsprofessor Dr. Peter Heilig hält Licht am Tag, so wie es jetzt eingeführt wurde, für kontraproduktiv: „Abblendscheinwerfer richten möglicherweise mehr Schaden an, denn sie sind für den Einsatz bei Tag alleine durch ihre Blendwirkung ungeeignet. Auch dass die Rücklichter bei Licht am Tag blind bleiben dürfen, erscheint in diesem Zusammenhang unlogisch, denn Objekte im Straßenverkehr müssen von allen Seiten wahrgenommen werden.“

Change Blindness - Veränderungen übersehen

Darüber hinaus betont Heilig, dass ein Phänomen, welches von Experten aus der Kognitionspsychologie beschrieben wurde, zu fatalen Fehleinschätzungen der Verkehrssituation führen kann. Es wird als „Change Blindness“ oder etwas holprig übersetzt als „Veränderungsblindheit“ bezeichnet. Das heißt, dass sich bei ständiger Veränderung der Blickrichtung (ausgelöst durch „Tagfahrlichter“, welche von den unbeleuchteten Verkehrsteilnehmern ablenken) schwere Wahrnehmungsmängel einstellen können. Heilig: „Das unbeleuchtete Kind am Straßenrand und sogar ein ganzer Lkw kann völlig ‚verschwinden‘.“

Auch der Film arbeitet mit dem Phänomen

Ohne „Change Blindness“ würde übrigens kaum ein Zauberkunststück funktionieren, und auch im Film werden menschliche Wahrnehmungsmängel für Effekte genutzt. Man denke an das Prinzip des Lauffilms: Bereits 24 Bilder in der Sekunde genügen, um fließende Bewegungen zu erhalten. Psychologe Sascha Dornhöfer von der Uni Dresden: „Zu etwa 18 Prozent der Zeit ist die visuelle Informationsaufnahme alleine durch natürliche Verdeckungen der Netzhaut (Lidschläge etc.) unterbrochen. Es liegt daher nahe, dass Veränderungsblindheit beim Autofahren eine Ursache für zu spät oder nicht erkannte Gefahren sein könnte.“

„Keine Verbesserung“

So kommt auch Heilig zu einem wenig erfreulichen Resümee: Licht am Tag verbessert die Verkehrssituation nur für Beleuchtete, von vorne betrachtet. Die Seiten- und Hinteransichten der Licht-am-Tag-Fahrzeuge sind genauso gefährdet wie das unbeleuchtete Kind.

Ablenkungen vermeiden

Ob nun die warnenden Stimmen Recht behalten oder nicht: Alle Verkehrsteilnehmer sind gut beraten, die Gefahren des Straßenverkehrs nicht zu unterschätzen. Vermeiden Sie möglichst alles, was Sie ablenken könnte.

Vertrauen Sie nie darauf, dass der andere sich richtig verhält.

Licht am Tag: Mehr zum Thema

Diskussionsbeiträge finden Sie im Internet unter:

Prof. Michael Bach von der Universitäts-Augenklinik in Freiburg bringt auf seiner Homepage zahlreiche Beispiele für optische Täuschungen (nicht nur im Straßenverkehr) – in englischer Sprache:

www.augen.uniklinik-freiburg.de/mit/bach .

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