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Stromliberalisierung - Was ein Wechsel bringt

Soll man seinen Stromlieferanten wechseln? Die intransparente Stromtarifgestaltung und bürokratische Schikanen verunsichern die Konsumenten. Sicher ist: Die Einsparungsmöglichkeiten sind gering.

Wir bedauern sehr, dass Sie sich entschlossen haben, Ihren Stromlieferanten zu wechseln. Leider wird das für Sie mit einem finanziellen Nachteil verbunden sein.“ (Antwortschreiben eines Gebietsversorgers an einen umstiegswilligen Kunden.) Die alteingesessenen Monopolbetriebe sind nicht zimperlich, wenn ihnen ein Privatkunde abhanden kommt. Manche versuchen, den Ausstiegswilligen mit kaum verhüllten Drohungen und falschen Behauptungen zur Umkehr zu drängen. Nur Großkunden haben’s besser: Sie werden mit Rabatten von 30 Prozent und mehr zum Bleiben bewogen.

Für Konsumenten

Was die mit 1. Oktober startende Liberalisierung den Konsumenten bringt, ist höchst ungewiss. Nicht einmal das eine weiß man nämlich mit Gewissheit: ob man sich durch einen Wechsel überhaupt etwas erspart.
Zwar gibt es plakative Angebote von alternativen Stromlieferanten – 47 bis 48 Groschen je Kilowattstunde –, doch gilt dies nur für den so genannten Energiepreis. Eine Vergleichszahl dazu werden Sie auf Ihrer bisherigen Stromrechnung vergeblich suchen. Die Gebietsversorger agieren sehr erfinderisch, um den einzigen vergleichbaren Tarifbestandteil möglichst zu verstecken. In der Regel wird der Netzpreis (pro Jahr) ausgewiesen, den Energiepreis (pro kWh) müssen Sie sich selbst ausrechnen. Es wäre natürlich überhaupt kein Problem, diesen Wert auf jeder Jahresabrechnung aufscheinen zu lassen, doch Transparenz wird in der Strombranche klein geschrieben.

Wie errechne ich meinen Energiepreis?

Dazu benötigen Sie die Angaben in Ihrer Jahresabrechnung (Preise netto ohne Umsatzsteuer):

Grundpreis (oder „Grundentgelt“)
+ Arbeitspreis (oder „Verbrauchspreis“, Preis pro kWh)
- evtl. Bonus
- Netzpreis (Netznutzungsentgelt +
                   Netzverlustentgelt + 
                   evtl. Gebrauchsabgabe)

= Energiepreis

Erst wenn Sie diesen Betrag durch den Verbrauch pro Verrechnungsperiode (in kWh) dividieren, erhalten Sie den Energiepreis pro kWh. Achten Sie darauf, dass sich alle Angaben auf dieselbe Verrechnungsperiode beziehen (zum Beispiel ab 1. 9. 2000)!

Wie viel kann ich durch einen Wechsel einsparen?

Wie erwartet wurden die Unterschiede im Energiepreis stark eingeebnet, für Durchschnittshaushalte sind nur mehr geringe Einsparungen möglich. Aus der Tabelle ist zu ersehen, dass bei einem Jahresverbrauch von 3500 kWh nur wenige Gebietsversorger einen höheren Energiepreis verlangen als die Billiganbieter.
So können bei Wienstrom und EVN rund 4,5 Prozent des Bruttopreises eingespart werden. Ansonsten bleiben die Einsparungen meist im Promille-Bereich. Es empfiehlt sich, die mögliche Einsparung immer in Relation zur Gesamtbelastung (inklusive Umsatzsteuer, Energieabgabe und sonstigen Abgaben) zu betrachten.

Wie kündige ich einen bestehenden Stromliefervertrag?

Sie müssen eine Kündigungsfrist (ein bis zwei Monate) einhalten. Vorsicht: Auch wenn die Kündigungsfrist kürzer ist, müssen Sie bis Ende 2002 Ihren Netzbetreiber acht Wochen vor dem Ende des alten Vertrages informieren. Bis dahin gilt also de facto eine Acht-Wochen-Frist. Neue Stromanbieter übernehmen in der Regel die Kündigung für ihre Neukunden. Jedenfalls sollten Sie den alten Vertrag erst kündigen, wenn Sie einen neuen haben.

Worauf ist beim neuen Liefervertrag zu achten?

Da sich die Tarife in nächster Zeit häufig verändern werden, sollten Sie sich nicht allzu lange binden. Die Vertragsdauer sollte nicht länger als ein Jahr sein, die Kündigungsfrist ein Monat. Achten Sie auch darauf, dass der Beginn der Lieferung exakt (auf die Stunde genau) fixiert ist. Erkundigen Sie sich, ob es Mindest- oder Höchstabnahmemengen gibt, von denen Sie betroffen sein könnten.

Was ist von Bonus- oder anderen Zusatzangeboten zu halten?

Wenn Sie die Angebote vergleichen, sollten Sie sich auf das Wesentliche beschränken. Ein unattraktiver Stromtarif bleibt unattraktiv, auch wenn er mit ein paar Zuckerln versüßt wird. In der Regel sind die Zusatzangebote vernachlässigbar oder überflüssig. Beispiel: Ein Tag Freistrom – das macht gerade ein paar Schilling aus. Oder das Angebot einer Versicherung gegen Stromunfälle. Dieses Risiko wird ohnehin durch eine private Unfallversicherung oder eine Haushaltsversicherung abgedeckt. Außerdem sind gerade Stromunfälle im privaten Bereich äußerst selten. Interessant ist allenfalls ein Einstiegsbonus (300 kWh gratis) – das ist aber nur eine einmalige Leistung.

Muss der Stromzähler ausgetauscht werden?

Eine der Schauergeschichten, die von den alten Stromversorgern in die Welt gesetzt wurden, um ihren Kunden einen Wechsel zu verleiden. Faktum ist: Für private Haushalte gibt es ein standardisiertes Lastprofil, daher braucht man keinen neuen (elektronischen) Stromzähler. Für die Ablesung ist weiterhin der Netzbetreiber verantwortlich. Auch andere technische Umstellungsschwierigkeiten gehören ins Reich der Fabel. Ebenso die Behauptung, Stromstörungen künftig nicht mehr beheben zu können. Der Netzbetreiber hat auch weiterhin für den reibungslosen Stromtransport zu sorgen, schließlich wird ihm diese Aufgabe ja mit dem Netzpreis abgegolten.

Kann ich den – verbilligten – Nachtstromtarif behalten?

Viele Haushalte beziehen zur Warmwasserspeicherung oder zum Heizen Strom, der zumeist nur in der Nacht geliefert wird. Für diesen Strom wird ein so genannter Schwachlasttarif verrechnet, der wesentlich niedriger als der normale Tarif ist – und zwar sowohl der Netz- als der Energieanteil. Kunden, die umsteigen wollen, sollten darauf achten, dass der neue Stromlieferant auch einen günstigen Energiepreis für Nachtstrom anbietet. Muss man den normalen Energiepreis zahlen (rund 50 Groschen/kWh), wird sich ein Umstieg häufig nicht lohnen. Ein teilweiser Wechsel (neuer Anbieter nur für Normalstrom, Nachtstromlieferung weiterhin durch den Gebietsversorger) wäre zwar technisch möglich, der Gebietsversorger kann aber nicht dazu gezwungen werden.

Warum müssen Stromrechnungen so kompliziert sein?

Statt Grundpreis, Messpreis, Arbeitspreis, Energiepreis, Netzpreis und vieles mehr könnte es auch ganz einfach eine jährliche Grundgebühr plus Verbrauchspreis (pro kWh) geben. Durch den Wechsel des Stromlieferanten wird’s allerdings noch um eine Stufe komplizierter: Wer wechselt (zu Switch, MyElectric), wird in Hinkunft zwei getrennte Rechnungen für die Netzdienstleistung und für die Stromlieferung zu bezahlen haben.

Warum bieten Stromhändler nur den Energiepreis an?

Das ist die einfachste Lösung für sie. Es wäre allerdings durchaus möglich, dass ein Händler seinen Kunden den ganzen administrativen Aufwand abnimmt und ein Pauschalangebot offeriert: „Sie zahlen bei mir x Schilling pro Kilowattstunde, dafür übernehme ich sämtliche Kosten“ – nicht nur für die Stromlieferung, sondern auch für die Netznutzung, sowie alle Gebühren (von der Energieabgabe über eine mögliche Gemeindeabgabe bis zu den „Stranded Costs“).
Zurzeit gibt es nur einen Stromlieferanten, der so kundenfreundlich agiert: die oekostrom AG. Sie kennt einen einzigen Preis: 2,50 Schilling pro kWh. Alles inklusive. Der Preis ist vergleichsweise hoch, aber dafür haben Sie die Gewissheit, nur für wirklich sauberen Strom zu zahlen.

Kann man bei Haustürgeschäften ohne Bedenken zugreifen?

Keineswegs! Die Stromverrechnung ist nicht leicht durchschaubar, schon gar nicht an der Haustür. Direktvertriebsfirmen ködern Konsumenten in der Regel mit Lockangeboten. Da wird nur ein Energiepreis genannt, aber eine klare Aussage, wie viel Sie sich tatsächlich pro Jahr ersparen, wird vermieden. Oder es werden überhaupt Luftgeschäfte getätigt. Die Vertriebsfirma schließt mit Ihnen einen Vertrag ab, ohne selbst über einen Vertrag mit einem Stromproduzenten zu verfügen. Daher: nichts unterschreiben! Verlangen Sie genaue Unterlagen und Vergleichsrechnungen in schriftlicher Form. Erkundigen Sie sich bei dem vom Vertreter genannten Stromlieferanten, ob tatsächlich eine Geschäftsbeziehung mit der Vertriebsfirma besteht.

Wie funktioniert eine Einkaufsgemeinschaft?

Eine Einkaufsgemeinschaft oder Pool ist der Zusammenschluss einer großen Zahl von Verbrauchern mit dem Ziel, für die gebündelte Stromnachfrage Preisnachlässe bei Anbietern zu erwirken.
Konkretes Beispiel: Der Dachverband der Gemeinnützigen Bauvereinigungen hat mit My Electric einen Liefervertrag abgeschlossen. Ersparnis: ein paar Groschen pro Kilowattstunde.

Stromtarife im Vergleich

Die Tabelle (siehe dazu: Tabellen - "Stromtarife im Vergleich") zeigt es: Ein Wechsel zu einem der drei alternativen Billiganbieter (switch, Raiffeisen-WK, My Electric) zahlt sich nur für eine Minderheit der Stromkunden aus. Der Vergleich wurde für drei unterschiedliche Verbrauchstypen berechnet (Jahresverbrauch in kWh). Die Spalte „Billigstangebot teurer/billiger...“ gibt die Differenz an zwischen den Gesamtstromkosten des Gebietsversorgers und dem günstigsten „Billigangebot“.

Nur bei einer negativen Differenz ist eine Einsparung möglich. (Ist sie positiv, heißt das, dass der Strompreis des Gebietsversorgers unter jenem des Billiganbieters liegt.)

Für die bei den drei Billiganbietern angegebenen Gesamtkosten wurde beispielhaft der Netztarif von Wienstrom herangezogen.

Grundsätzlich ist das jeweils günstigste Angebot der Gebietsversorger berücksichtigt. Es handelt sich zum Teil um relativ neue Tarifvarianten; der alte Tarif, den Sie bezahlen, ist möglicherweise um einiges höher – erkundigen Sie sich bei Ihrem Gebietsversorger, ob und unter welchen Bedingungen Sie auf den neuen Tarif umsteigen können.

Strom-Hotline: Der VKI hat in Kooperation mit der Elektrizitäts-Control GmbH eine Service-Hotline für alle Fragen rund um die Stromliberalisierung eingerichtet. Tel: 0810 810 224 – aus ganz Österreich zum Regionaltarif. Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr.

Tarifrechner: Auf ihrer Homepage (www.e-control.at)bietet die E-Control GmbH einen interaktiven Tarifkalkulator: Nach Eingabe von Postleitzahl und Jahresstromverbrauch bekommen Sie die drei preisgünstigsten Angebote genannt.

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