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ÖBB: Fahrgast-Beschwerden - Endstation Schlichtungsstelle

Bei groben Verspätungen haben Bahnfahrer Entschädigungsansprüche. Eine unabhängige Schlichtungsstelle unterstützt Fahrgäste bei Konfliktfällen mit Bahnen. Und sie gestaltet als Aufsichtsbehörde die Spielregeln im Bahnverkehr mit.

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206 Millionen Fahrgäste beförderten die ÖBB im Jahr 2009 in ihren Zügen, 33 Millionen davon in Fernzügen. Meist verlaufen Bahnfahrten problemlos. Doch Wetter, technische Gebrechen oder Organisationsmängel führen immer wieder zu unerfreulichen Erlebnissen. In solchen Fällen stellen Bahnfahrer oft frus­triert fest: Ihre Rechte sind nur bescheiden.

Rechte der Fahrgäste

In den letzten Jahren hat sich bei den Fahrgastrechten einiges zum Positiven verändert. Die EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr vom Oktober 2007, die im April 2010 in ­nationales Recht umgesetzt wurde, hat die Entschädigungsrechte bei Verspätungen erweitert.

Und mit der Schlichtungsstelle der Schienen-Control GmbH gibt es erstmals in Österreich eine unabhängige Stelle, die ein Fahrgast anrufen kann, wenn er im Streitfall mit einem Bahnunternehmen zu keiner ­akzeptablen Lösung kommt.

Anspruch auf Entschädigung

Die Umsetzung der EU-Verordnung ins nationale Recht hat einen Rechtsanspruch auf ­Entschädigung für grobe Verspätungen gebracht. So werden bei Fernzügen bei einer Verspätung von 60 bis 119 Minuten 25 Prozent des Preises der Fahrkarte, bei einer Verspätung ab 120 Minuten 50 Prozent erstattet. Im Nahverkehr erhalten Inhaber von Jahreskarten für jeden Monat, in dem der vom Bahnunternehmen garantierte Pünktlichkeitsgrad (90 Prozent auf ÖBB-Strecken) nicht eingehalten wurde, eine Entschädigung in Höhe von zehn Prozent der Kosten einer Monatskarte.

Verspätungen werden kontrolliert

Der Pünktlichkeitsgrad wird erst vom Bahnunternehmen selbst festgestellt und dann von der Schienen-Control nach strengen Kriterien überprüft. Als pünktlich gilt ein Zug, der nicht mehr als fünf Minuten vom Fahrplan abweicht. Ursula Zechner, Geschäftsführerin der Schienen-Control, betont aber, dass die Schienen-Control im Sinne der Weiterentwicklung der Fahrgastrechte und einer Qualitätsverbesserung von den Bahnunternehmen ab Mai 2011 neue Pünktlichkeitsgrade fordert.

Konkrete Fragen unerwünscht

Im Jahr 2010 zahlten die ÖBB ihren Fahr­gästen aufgrund dieser Ansprüche für Zugverspätungen oder anderer Reiseprobleme nach eigenen Angaben etwa 300.000 Euro an Entschädigung. Bei konkreten Fragen zu ihrem Beschwerdemanagement üben sich die ÖBB in Diskretion und "bitten um Verständnis, dass Details dazu wettbewerbsrelevant sind und daher nicht veröffentlicht ­werden".

Grundsätzlich werde versucht, innerhalb von acht Werktagen auf Beschwerden zu antworten, zumindest in Form einer Zwischenantwort, wenn erst eine Stellung­nahme oder Information von anderen ÖBB-Gesellschaften eingeholt werden muss oder ein betroffener Zugbegleiter gerade frei hat.

Oft Kulanzlösungen

Oft Kulanzlösungen

Kulanzlösungen, fasst die Schlichtungsstelle der Schienen-Control ihre Erfahrungen zusammen, gibt es häufig bei Fällen, in denen es Qualitätseinbußen gegeben hat, etwa durch den Ausfall der Heizung. Dabei wird der Preis der bezahlten Tickets für die Höhe der Entschädigung herangezogen. Geht es um Fahrgeldnachforderungen, sei vor allem bei Schülern oder Kindern mit Kulanz zu rechnen, heißt es.

Die einlangenden Beschwerden würden auch zu einer Verbesserung des Angebots genutzt, versichern die ÖBB. So führte etwa eine Beschwerde im Dezember 2010, weil in Leibnitz Schulkinder immer wieder vor einem Zug ­gefährlich drängeln, dazu, dass die ÖBB auf diesem Zug bis auf Weiteres Zugbegleiter einsetzen und so die Situation entschärfen.

Kundenforum

Die ÖBB sehen auch das ÖBB-Kundenforum als Angebot an ihre Kunden, die Zukunft der Bahn aktiv mitzugestalten. Es tagt alle paar Monate. Die 20 ehrenamtlichen Mitglieder (ein Viertel wird jedes Jahr gegen neue ausgetauscht) bringen ihre Erfahrungen und Meinungen als Bahn- und Buskunden ein, um so die ÖBB-Personenverkehr AG bei der kundenorientierten Verbesserung ihres Mobi­litätsangebots zu unterstützen. Mitglieder und Protokolle der Treffen finden Sie auf www.kundenforum.oebb.at. Über diese Website kann auch Kontakt zum ÖBB-Kundenforum aufgenommen werden.

Letzte Hoffnung Schlichtungsstelle

Die Schlichtungsstelle der Schienen-Control hat ähnliche Aufgaben wie die Schlichtungsstellen im Telekom- und Energiebereich. Sie kann von Fahrgästen in Konfliktfällen angerufen werden, wenn eine konkrete Geschäftsbeziehung (Fahrkarte, Frachtbrief o.Ä.) vorliegt und der Passagier mit dem Bahnunternehmen keine Einigung erreicht hat.

Nicht zuständig ist die Schlichtungsstelle für Beschwerden über Bauarbeiten, Lärmbelastung und Ähnliches, auch nicht für Busse und Straßenbahnen. Die Schienen-Control kann nur Lösungen im Kulanzweg anstreben – das ­allerdings sehr erfolgreich. Im Jahr 2010 ­wurden 502 Fälle an die Schlichtungsstelle herangetragen. Die meisten Beschwerden betrafen Fahrgeldnachforderungen oder Inkassogebühren.

Tipp der Schlichtungsstelle

Tipp der Schlichtungsstelle

Mit Fahrgeldnachforderungen oder Inkassogebühren keinesfalls nachlässig umgehen, sondern immer in angemessener Zeit reagieren und Tickets, Beweise oder die Korrespondenz mit dem Unternehmen aufbewahren. Ebenfalls häufig sind Beschwerden über ­Verspätungen sowie Beschwerden über die Qualität der angebotenen Produkte. Nur bei 17 Beschwerden konnte keine Einigung erzielt werden. 29 wurden abgelehnt oder eingestellt. Die erreichten Entschädigungen und Strafnachlässe summierten sich auf rund 24.000 Euro.

Verspätungsentschädigung

Die Schienen-Control hat auch Agenden einer Aufsichtsbehörde, der die Bahnunternehmen etwa ihre Entschädigungsbedingungen vor Einführung oder Änderung vorlegen müssen. Das nützt sie auch, um Änderungen anzuordnen: etwa, dass kostenlos angemessene Mahlzeiten und Erfrischungen angeboten werden müssen, wenn ein Fernzug mehr als 60 Minuten Verspätung hat. Oder dass Entschädigungen vom Bahnunternehmen innerhalb eines Monats nach Einreichung des Antrags auszubezahlen sind.

Die Schienen-Control hat auch durchgesetzt, dass die Verspätungsentschädigung kaum noch ausgeschlossen werden kann, auch nicht bei Verspätungen aus witterungsbedingten oder technischen Gründen, aufgrund des Verhaltens von Dritten oder ­wegen eines Streiks.

Verbesserungen im Service

Die Schienen-Control nimmt Beschwerdefälle außerdem zum Anlass, mit den ÖBB über Verbesserungen im Service zu verhandeln. So konnte sie erreichen, dass Onlinebuchungen auf der ÖBB-Website für Reisen ins Ausland jetzt um einiges einfacher und auch datensicherer sind. Die Zahlungsdetails müssen nun erst am Ende der Buchung eingegeben werden.

Und der Fahrgast wird über die tatsächliche Verfügbarkeit des gewünschten Tickets schon früher informiert. Vorher wurde erst am Ende des Buchungsvorgangs automatisch und nur mit einem kleinen Hinweis versehen ein teureres Ticket angeboten, wenn das gewünschte Ticket nicht mehr verfügbar war.

Die Schienen-Control konnte auch klarstellen, dass die ÖBB-Personenverkehr AG Vertragspartner des Kunden ist, wenn dieser sein Ticket über einen ihrer Vertriebskanäle gekauft hat. Damit kann die ÖBB-Personen­verkehr AG Beschwerdefälle und Entschä­digungsforderungen nicht mehr wegen ­Unzuständigkeit ablehnen.

Mehr Konflikte durch Selbstbedienungsstrecken

Mehr Konflikte durch Selbstbedienungsstrecken

Ein Anwachsen der Beschwerdefälle befürchtet die Schlichtungsstelle durch die mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2010 erfolgte Umstellung sämtlicher Regional- und Nahverkehrsstrecken der ÖBB-Personenverkehr AG auf Selbstbedienungsstrecken. Die Möglichkeit, Fahrkarten im Zug zu kaufen, wurde damit in diesen Zügen abgeschafft.

Keine Kulanz zu erwarten

Wer ohne Fahrkarte angetroffen wird, zahlt nun geschmalzene 65 Euro Kontrollgebühr. Ausgenommen sind nur Menschen mit Behinderungen, hochbetagte Menschen, denen die Bedienung eines Fahrscheinautomaten nicht zugemutet werden kann, sowie Kinder bis 15 Jahre, die ohne Begleitung reisen. Auf Gründe wie Eile oder Mangel an passendem Kleingeld nehmen die ÖBB dabei keine Rücksicht, warnt die Schienen-Control.

Auch ein defekter Fahrkartenautomat werde nur bei einem Totalausfall sämtlicher Fahrkarten­automaten am Bahnhof und wenn es außerdem keine Personenkasse gibt als Entschul­digung anerkannt. Der Ausfall von nur einer Zahlungsart wie der Bankomatkartenzahlung genügt nicht.

Beim Zugbegleiter melden

Im Zug solle der Fahrgast, rät die Schienen-Control, dann auch gleich aktiv den Zugbegleiter aufsuchen, über das Problem berichten und eine Fahrkarte verlangen. Bei Ver­spätungen sei es immer vorteilhaft, so ein weiterer Tipp, Mitarbeiter des Bahnunternehmens nach der weiteren Vorgehensweise zu fragen, um eventuell zustehende Ansprüche nicht zu verlieren.

So erhält man Informationen bezüglich der jeweiligen Möglichkeiten wie Rücktritt von einer Fahrt, Nichtbenützungsbescheinigung oder kostenlose Übernachtungsmöglichkeit. Handelt man ent­gegen den Tarifbestimmungen, jedoch auf Empfehlung eines Mitarbeiters des Bahn­unternehmens, so ermöglicht dies oft ein ­kulanteres Vorgehen.

Schriftlich kontaktieren

Betroffene können sich schriftlich (per E-Mail, Fax oder Brief) an die Schlichtungsstelle wenden:

Schienen-Control GmbH, z.H. Schlichtungsstelle, Praterstraße 62–64, 1020 Wien; schlichtungsstelle@scg.gv.at; Fax +43 1 505 07 07-180. 

Zusammenfassung

  • Entschädigung bei Bahnverspätungen. Im Fernverkehr ab 60 Minuten, im Nahverkehr für Inhaber von Jahreskarten, wenn der Pünktlichkeitsgrad von 90 Prozent nicht erreicht wurde.
  • Erst an die Bahn wenden. Ein Fahrgast muss seine Beschwerde erst gegenüber ÖBB oder Privatbahn einbringen. Wird keine Einigung erzielt, kann er sich an die Schlichtungsstelle der Schienen-Control wenden.
  • Vorsicht auf Selbstbedienungsstrecken. Im ÖBB-Nahverkehr darf man nur mit ­gültiger Fahrkarte einsteigen, sonst wird eine Strafgebühr fällig.

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