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AWD ändert Namen auf Swiss Life Select - Prozesse wegen Fehlberatung gehen weiter

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Der Schweizer Versicherungskonzern Swiss Life ersetzt den Markennamen AWD und streicht bis zu 400 AWD-Jobs in Deutschland und der Schweiz. Bis die eigentlich strittigen Fälle von AWD-Falschberatung vor Gericht kommen wird es noch einige Zeit dauern.

(APA) - Auch bei AWD Österreich greifen die Schweizer erneut durch, nachdem der Wien-Zentrale bereits Ende 2010 die Kompetenz für Osteuropa entzogen wurde. Zu einem Stellenabbau soll es hierzulande aber nicht kommen, versicherte Swiss-Life-Sprecherin Irene Fischbach in einem Gespräch mit der Austria Presseagentur.

AWD Österreich erhält den Namen "Swiss Life Select"

AWD Österreich wird ab April ebenfalls unter dem Namen "Swiss Life Select" auftreten. Die Gesellschaft bleibt zwar bestehen, kommt aber gemeinsam mit den derzeitigen AWD-Gesellschaften Großbritannien (UK), Tschechien und Polen unter das Dach der Swiss Life International mit Sitz in Zürich. Der Chef von AWD-Österreich, Eric Samuiloff, stößt zum Swiss-Life-International-Führungsteam, das von Nils Frowein geleitet wird. Statt in die bisherige AWD-Zentrale in Hannover werde Samuiloff jetzt direkt nach Zürich berichten, so Fischbach.

Samuiloff war per März 2011 zum AWD-Österreich-Chef aufgerückt, um den Finanzdienstleister wieder auf Vordermann zu bringen. Sein Vorgänger Ralph Müller, zuvor Vorstand bei der Bank Austria, war nach kurzer Zeit an der AWD-Spitze zur Wiener Städtischen gewechselt.

VKI hat Klagen im Gesamtstreitwert von 40 Mio € eingebracht

Der AWD ist in Österreich wegen des Verkaufs von Immobilienaktien seit langem in den Negativschlagzeilen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Namen von rund 2.500 mutmaßlich Geschädigten Sammelklagen im Gesamtstreitwert von 40 Mio. Euro eingebracht. Die Verfahren laufen noch immer.

Swiss Life hat sich in puncto Klagen gegen AWD stets wortkarg gegeben. "An unserer Strategie zu den Klagen ändert sich überhaupt nichts", sagte Fischbach. "Wird werden die Verfahren weiterhin sorgfältig prüfen und behandeln." Das könnte bedeuten: An einem Generalvergleich ist man in der Schweiz nach wie vor nicht interessiert, weiterhin werden die Fälle vom AWD "als Einzelfälle" betrachtet. Der VKI wirft dem AWD systematische Fehlberatung vor. Die Berater hätten, so der Vorwurf des VKI, getrieben von hohen Provisionen, kleinen Sparbuchsparern in großem Stil Immofinanz- und Immoeast-Aktien angeboten, sie aber nicht oder nur unzureichend über die Risiken aufgeklärt. AWD bestreitet diesen Vorwurf.

Tausende AWD-Kleinanleger haben viel Geld verloren

Infolge des Kurssturzes bei Immofinanz und Immoeast haben tausende Kleinanleger viel Geld verloren; viele von ihnen sind gegen den AWD vor Gericht gezogen.

Swiss-Life-Chef Bruno Pfister gestand heute in einer Medienmitteilung "selbstkritisch" ein, "dass wir die Wachstumsmöglichkeiten in Osteuropa und Österreich überschätzt hatten". Die "Neueinschätzung der künftigen Ertragskraft von Swiss Life Select beziehungsweise der bisherigen AWD-Einheiten vor allem in Osteuropa und Österreich sowie die angepassten Pläne in Deutschland" führten auch zu der Abschreibung auf AWD in Höhe von 576 Mio. Franken (478 Mio. Euro), die im vierten Quartal 2012 vorgenommen werden soll.

AWD zieht sich aus Ungarn und der Slowakei zurück

Aus Ungarn und der Slowakei zieht sich der AWD per Jahresende ganz zurück. In den beiden Ländern konnte der Finanzvertrieb nie wirklich Fuß fassen. Die Märkte seien "schwierig", die "Wachstumsprognosen eingeschränkt", so Fischbach. Die AWD-Gesellschaften Slowakei und Ungarn seien vergleichsweise klein mit jeweils rund 20 Mitarbeitern.

2011 setzten AWD Österreich und die Gesellschaften in Zentral- und Osteuropa gemeinsam rund 64 Mio. Euro um. In Österreich beschäftigt AWD momentan rund 420 Berater und 90 Personen im Innendienst, so Fischbach. Am Mitarbeiterstand werde sich nichts ändern. Im Gefolge der Finanzkrise und der Kundenklagen hatten viele Berater dem AWD den Rücken gekehrt. Viele hatten diese Tätigkeit nur für kurze Zeit und nebenbei ausgeübt.

Auffliegen diverser Anlegerskandale

Mit dem Auffliegen diverser Anlegerskandale sind Finanzberater allgemein ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, da sie, vielfach ohne Ausbildung und ausschließlich von Verkaufsprovisionen lebend, komplizierte Finanzprodukte an den sprichwörtlichen kleinen Mann gebracht haben. an Kunden also, die ansonsten vielleicht nur auf (sichereres) Bausparen gesetzt hätte. AWD hat hier bereits Besserung gelobt und bilde seine Leute intern aus. In Österreich seien schon jetzt mehr als 90 Prozent der Berater gewerbliche Vermögensberater, behauptet Fischbach.

An den Produkten, die AWD Österreich künftig verkaufen wird, werde sich nichts ändern, so die Konzernsprecherin. Sie betonte außerdem, dass "die Reputation nicht der Hauptgrund für den Markenwechsel" sei. "Österreich steht nicht im Fokus dieser Geschichte", Swiss Life habe sich dafür entschieden, "dass die Marktbearbeitung aus einer Hand erfolgen soll".

AWD Deutschland und AWD Schweiz werden zusammengeführt, im Zuge dessen fallen bis zu 400 Jobs weg, davon 300 in Deutschland. Die restlichen AWD-Gesellschaften kommen alle zur Markteinheit International, die auch reiche Privatkunden betreut.

"Durch Namenswechsel AWD-Altprobleme billig entsorgen"

Der VKI betrachtet den Markenwechsel mit Argwohn: "Es hat den Anschein, dass die Swiss Life durch diesen Namenswechsel versucht, die Altprobleme des AWD billig zu entsorgen", so VKI-Chefjurist Peter Kolba in einer Aussendung. Die tausenden AWD-Geschädigten wüssten jedoch genau, dass es der Schweizer Versicherer seit den ersten Klagen im Jahr 2009 in der Hand gehabt hätte, "diese Probleme unbürokratisch zu lösen." Stattdessen habe man darauf gesetzt, die Verfahren möglichst lange zu verzögern. "Ein reiner Namenswechsel lässt dies nicht vergessen und ist auch für sich allein kein glaubwürdiger Neubeginn“, kritisiert Kolba.

AWD verzögert Prozess seit Jahren

Die eigentlichen Verhandlungen zu den Sammelklagen haben noch immer nicht begonnen, da AWD dies seit Jahren verzögert. Derzeit beschäftigt AWD den Obersten Gerichtshof (OGH) mit der Frage, ob die vom VKI gewählte Form der Prozessfinanzierung in Österreich zulässig ist. Das Oberlandesgericht Wien hatte die Prozessfinanzierung des VKI für rechtens befunden. Der OGH-Entscheid soll laut Kolba "in den nächsten Monaten" vorliegen. Dann könnten die Gerichte die Sache selbst verhandeln.


Hier lesen Sie alle KONSUMENT-Artikel zu AWD; ganz besonders empfehlen wir: "Geldanlage: Strukturvertrieb - Interview mit einem Aussteiger ". die gesammelten juristischen Informationen zu den Klagen des VKI gegen den AWD finden sie auf der Homepage der VKI-Rechtsabteilung www.verbraucherrecht.at.

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