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Medikamente: Preissprung - Patienten zahlen drauf

, aktualisiert am

Unsere Leser klagen über gestiegene Medikamentenpreise. Die Pharmaindustrie behauptet, Medikamente seien billiger geworden. Beide Seiten haben recht.

Steigende Preise

Nicht nur die Preisentwicklung bei Lebensmitteln oder Treibstoff stößt Konsumenten derzeit sauer auf, auch der Gang in die Apotheke hat für so manchen einen nicht krankheitsbedingten Schweißausbruch zur Folge. Im letzten halben Jahr häuften sich die Reklamationen unserer Leserinnen und Leser zu stark gestiegenen Arzneimittelpreisen.

Fast scheint es so, als müsse – wie die Ärztekammer in ihrer sommerlichen Plakatkampagne suggeriert – „die beste Medizin“ auch teurer werden. Ins Bild passt eine Aussage des Präsidenten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, Erich Laminger, im Juli gegenüber der Tagespresse, wonach die Medikamentenkosten im ersten Halbjahr 2008 um gut 8,3 Prozent gestiegen seien. Laminger führt dies teilweise auf teurere Medikamente zurück.

Fallende Preise

Dem widerspricht der Generalsekretär des Verbandes der pharmazeutischen Indus­trie Österreichs (Pharmig), Jan Oliver Huber. Die Preise für bereits auf dem Markt befindliche Medikamente seien seit 1995 im Fallen begriffen, der Durchschnittspreis für eine Medikamentenpackung sei von 10 auf 8,60 Euro gesunken. Alleine im vergangenen Jahr seien für rund 840 Medikamente Preisreduktionen vereinbart worden.

Unter der Teuerungsrate

Im Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend argumentiert man auf Nachfrage ähnlich. „Insgesamt gesehen gibt es bei Preiskorrekturen in den letzten Jahren bezüglich bestehender Arzneimittel mit gegebenen unveränderten Packungsgrößen eine negative Preissteigerung“, formuliert Pressesprecherin Daniela Klinser. Will heißen: Medikamente sind im Schnitt billiger geworden.

In einer Stellungnahme verweist der Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes, Friedemann Bachleitner-Hofmann, darauf, dass die Medikamentenpreisentwicklung in Österreich deutlich unter der Teuerungsrate von 3,9 Prozent liege. Von Jänner 2006 bis Juni 2008 hätten sich die Arzneimittel lediglich um 1,8 % verteuert. Die Medikamentenkosten in Österreich lägen zudem deutlich unter dem EU-Schnitt.

„Wenige Fälle von Preissteigerungen“

Sind unsere Leserinnen und Leser also etwa Sinnestäuschungen aufgesessen? Wir wollen es genau wissen und konfrontieren die Apothekerkammer mit dem Protest der Konsumenten. Dort gibt man sich verdutzt: "Die Meldung über eklatante Preissteigerungen bei Medikamenten überrascht uns", sagt Rainer Prinz von der Rechts- und sozialpolitischen Abteilung.

Die genannten Beispiele beschränkten sich, so Prinz, auf wenige Fälle. Sehr wenigen Preissteigerungen stünden monatlich zahlreiche Präparate gegenüber, deren Preis sinke, argumentiert er, und übermittelt eine lange Liste mit Hunderten von im Preis gesunkenen Arzneimitteln. Diese würden "eine sehr deutliche Sprache sprechen und die wenigen Beispiele von Preissteigerungen in einem anderen Licht erscheinen lassen".

Rezeptpflicht oder nicht

Eine Analyse der Aufstellung ergibt jedoch, dass sich darin fast ausschließlich rezeptpflichtige Präparate befinden, die von der Krankenkasse erstattet werden. Für den Konsumenten fällt in der Regel die Rezeptgebühr von 4,80 Euro an. Viele Preisreduktionen machen sich deshalb in der Geldbörse nicht bemerkbar. Auf unsere Bitte stellt uns die Apothekerkammer auch eine entsprechende Auflistung rezeptfreier, sogenannter OTC-Präparate zur Verfügung, die der Patient in der Apotheke selbst zu bezahlen hat.

OTC-Präparate: Tendenz steigend

Hier zeigt sich in der Tat ein anderes Bild. Die Preisentwicklung der 3.101 (Stand Juni 2008) in österreichischen Apotheken erhältlichen OTC-Medikamente weist im ersten Halbjahr 2008 (Preisvergleich im Zeitraum 31.12.2007 bis 30.6.2008) eine teilweise markante Steigerung auf. Insgesamt wurden 482 Präparate teurer und nur 6 Mittel billiger. 36 Präparate verteuerten sich im genannten Zeitraum um mehr als 30 Prozent, 33 Präparate um 25 bis 30 Prozent, 11 Präparate um 20 bis 25 Prozent und 402 Präparate um bis zu 20 Prozent. Die Preise von 2.613 Medikamenten blieben unverändert.

Die "Spitzenreiter"

Spitzenreiter in Sachen Teuerung ist das Präparat Pankreoflat Dragees. Der Preis der 25-Stück-Packung des Magenmittels aus dem Hause Solvay stieg im Beobachtungszeitraum um sage und schreibe 198,8 Prozent von 4,15 auf 12,40 Euro. Ebenfalls happige Aufschläge verzeichnen die Cevitol Kautabletten (500 mg/30 Stück) der Lannacher Heilmittel GmbH – von 3,15 auf 5,90 Euro (87,3 Prozent) – oder die Solcoseryl Salbe (5 %, 20 Gramm) der Firma Valeant Pharmaceuticals: von 2,65 auf 4,70 Euro (77,4 Prozent). Auffällig auch: Bei 13 der 35 Präparate, die sich um mehr als 30 Prozent verteuerten, handelt es sich um Homöopathika, größtenteils aus dem Hause Weleda.

Rückzug vom Markt

Wir haben die Hersteller beziehungsweise Vertreiber der Präparate, die mit einer Teuerung von mehr als 30 Prozent zu Buche schlagen, nach den Gründen für die massiven Aufschläge befragt. Fast alle machen gestiegene Preise für Rohstoffe, Transport und Verpackung verantwortlich und verweisen darauf, dass die Preise der betreffenden Produkte über lange Jahre konstant geblieben seien. Und fast alle lassen durchblicken: Alternative zur Preisanpassung wäre ein Rückzug der Medikamente vom österreichischen Markt.

Preissprung bei Medikamenten: Wie die Firmen reagieren

Friedrich Kohaut, Solvay Pharma Ges.m.b.H.: Die einzige Alternative zu der durchgeführten Preis­erhöhung wäre die komplette Zurücknahme von Pankreoflat vom österreichischen Markt gewesen.

Ingeborg Walsberger, Lannacher Heilmittel Ges.m.b.H.: Über 15 Jahre haben wir den Preis nicht erhöht, obwohl die Material- als auch die Produktionskosten überproportional gestiegen sind. So haben sich z.B. die Wirkstoffkosten seit 1993 um 136 % erhöht. Da unsere Verkaufspreise die Kosten bei Weitem nicht mehr deckten, mussten wir die Fabriksabgabepreise er­-höhen.

Holger Feil, Valeant Pharmaceuticals GmbH: Die Gründe für die Preiserhöhung liegen in gestiegenen Produktionskosten, leider hat sich eine Produktion zum alten Herstellerabgabepreis für uns nicht mehr gerechnet. Alternativ hätte das Produkt aus dem Markt genommen werden müssen.

Jöran Moshuber, Weleda GmbH & Co KG: Ich habe größtes Verständnis für jeden Konsumenten, der plötzlich vor dem erhöhten Preis steht. Ich frage mich aber dabei, ob der Konsument zufriedener wäre, wenn es das Produkt gar nicht gäbe.

Bernhard Wittmann, Sigmapharm Arzneimittel GmbH & Co KG: Viele Produkte mit geringem Preis sind schlicht und einfach nicht mehr wirtschaftlich vertretbar zu vermarkten. Und zwar nicht, weil der Deckungsbeitrag zu klein wäre, sondern weil er negativ geworden ist! Wäre uns die gegenständliche Preiserhöhung nicht genehmigt worden, hätte dies zum Rückzug von Präparaten vom Markt geführt.

Reinhard Kosch, Leitung Adler Apotheke: Wir haben uns entschlossen, das Produkt weiterhin am Markt zu behalten und vielen zufriedenen Anwenderinnen und Anwendern weiterhin zugänglich zu machen! Dazu musste eine Preisanhebung erfolgen, damit wir nicht weiter drauflegen müssen ... Die wahren „Geldfresser“ kann man leider nicht so schnell identifizieren: Das sind z.B. viele Produkt-Neueinführungen – hier legen die Firmen mit hor­renden Fantasiepreisen los, damit am Ende auch genug überbleibt.

Fritz Gamerith, Madaus Gesellschaft m.b.H.: Wir halten normalerweise einen Vorrat an pflanzlichen Ausgangsstoffen von über einem Jahr, sodass uns ein Ernteausfall in einem Jahr nicht in Schwierigkeiten bringt. Wenn jedoch, wie in diesem Fall, die Ernte mehrere Jahre hindurch schlechter ausfällt, sind wir leider gezwungen, diese Preis­erhöhungen weiterzugeben.

Preissprung bei Medikamenten: Was unsere Leser berichten

Ich wollte mir in der Apotheke eine Packung Rennie Digestiv kaufen. Der Preis war früher 7,70 € für 75 Stück, somit 0,120666 € pro Stück. Dieses Medikament gibt es nicht mehr, sondern nur mehr Rennie Antacidum Peppermint um 5,35 € für 36 Stück, somit 0,14861111 € pro Stück. Das ist eine Preissteigerung von 23,16 Prozent. Jahrzehnte kam dieses Medikament ohne Pfefferminzgeschmack aus und wirkte gut. Sollte der Pfefferminzgeschmack diese Preiserhöhung rechtfertigen?

In Ihrer letzten Ausgabe haben Sie das Medikament Bifiteral Pulver um 5,90 € (10 Stück) angeführt. Der Preis in der Apotheke war wenig später 8,30 € – das sind immerhin 40 Prozent mehr.

Meine Frau braucht wöchentlich eine Tube (5 g) Solcoseryl Dental . Im Dezember 2007 kostete eine Tube 7,30 €, ab 1. April 2008 kostete eine Tube 9,80 €, das entspricht einer Teuerung von zirka 34 Prozent.

Zur Linderung meiner Histamin-Unverträglichkeit habe ich bis vor Kurzem das Nahrungsergänzungsmittel PelLind-Kapseln der Firma Pelpharma bezogen. 50 Stück kosteten zirka 40 €. Nunmehr wird derselbe Wirkstoff unter dem Namen DAOSin von der Firma Melbrosin mit derselben Tagesdosis in Packungen zu je 30 Kapseln für den Preis von 29,90 € vertrieben.

Für Reductil (10 mg) habe ich mit Privatrezept 49,90 € bezahlt, auf einmal kostet dasselbe Präparat 66,90 €.

Ich leide unter mitunter starken Kopfschmerzen. Das Präparat Avamigran hilft mir ganz gut – 20 Tabletten kosteten bis vor 2 Jahren zirka 3,50 € und nun 7,05 €.

Plötzlich kosteten Pankreoflat Dragees zu 25 Stück anstatt 4,15 € sage und schreibe 12,40 € – eine Preissteigerung von 198,8 Prozent.

Vitamin-D-Tropfen ( Oleovit D3 ) für meinen Sohn habe ich am 24.9.2007 in einer Apotheke in Wattens um 2,10 € gekauft. Die gleiche Packung hat am 7.1.2008 4,20 € gekostet. Eine Teuerung um genau 100 Prozent. Erklärung für diesen Preisanstieg gab es seitens der Apotheke keine.

Supradyn Vital 50+ wurden neu verpackt, seither sind bei gleichem Preis anstatt 100 nur noch 90 Tabletten in der Packung. Ich habe die Firma Bayer angeschrieben, aber nie Antwort erhalten.

Mir ist eine Preissteigerung bei der Mundspülung Chlorhexamed (200 ml) aufgefallen. Im Jänner 2007 kostete das Präparat 7,10 € im April 2008 8,75 €.

 

Preissprung bei Medikamenten: Kompetent mit "Konsument"

Medikamentenpreise. Der durchschnittliche Medikamentenpreis ist in den letzten Jahren zwar gefallen, viele rezeptfreie Präparate wurden allerdings teurer.

Spitzenreiter. Führend in Sachen Teuerung bei frei verkäuflichen Präparaten sind die Pankreoflat Dragees. Der Preis der 25-Stück-Packung dieses Magenmittels stieg im Beobachtungszeitraum um 198,8 Prozent.

Ursachen. Als Gründe für die Preissteigerungen nennen die Hersteller gestiegene Preise für Rohstoffe, Transport und Verpackung. Als Alternative geben sie an, die betreffenden Präparate vom Markt zurückziehen zu müssen.

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