Zum Inhalt

Sonderklasse ohne Zusatzversicherung - Kostenfalle

Hat ein Patient keine private Krankenzusatzversicherung, kann die unabsichtliche Zustimmung zur Unterbringung in der Sonderklasse hohe Kosten verursachen.

Der Fall: Antrag auf Zweibettzimmer unterschrieben

Herr P. wird mit massiven Kreislaufproblemen und starkem Durchfall in ein öffentliches Spital eingeliefert. Im Zustand schlimmster Erschöpfung wird ihm ein Antrag zur Unterbringung in einem Zweibettzimmer vorgelegt.

Der stark geschwächte Patient geht davon aus, lediglich einer normalen Aufnahme zuzustimmen, und unterschreibt die Erklärung, ohne diese im Detail durchzulesen. Nach der Entlassung erhält Herr P. zu seiner großen Verwunderung von der Krankenanstalt eine Rechnung mit einem vierstelligen Eurobetrag für die Unterbringung in der Sonderklasse.

Intervention: Keine Geschäftsfähigkeit ...

Herr P. wendet sich mit der Bitte um Vermittlung an die Tiroler Patientenvertretung. Diese argumentiert gegenüber der Krankenanstalt, dass dem Patienten zum Zeitpunkt der Vorlage des Aufnahmeantrages nicht bewusst gewesen sei, welche Erklärung er unterzeichnete. Er habe sich über den Inhalt der Erklärung in einem wesentlichen Irrtum befunden.

... wegen starker Erschöpfung

Die Höhe der zu erwartenden Kosten sei dem Patienten nicht mündlich erläutert worden. Zudem sei es Herrn P. aufgrund seines massiv geschwächten Allgemeinzustandes kaum möglich gewesen, den Vertrag im Detail zu lesen und zu verstehen. Von einer uneingeschränkten Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Unterfertigung könne daher nicht ausgegangen werden.

Aufklärung gefordert

Ergebnis: Kulanzlösung verwehrt

Die Krankenanstalt besteht auf Bezahlung der in Rechnung gestellten Sonderklassenleistungen und lehnt einen Verzicht auf die Kosten mit dem Hinweis auf den vom Patienten unterschriebenen Aufnahmeantrag ab. Auch eine Kulanzlösung wird dem Patienten von der Krankenanstalt mit dem Hinweis auf den bestehenden Vertrag verwehrt. Die aus Sicht der Patientenvertretung nachvollziehbare Erklärung des Patienten wird gewissermaßen als Ausrede abgetan.

Fazit: Mitarbeiter fragen

Bei der Aufnahme in Krankenanstalten werden Patienten häufig nach einer privaten Zusatzversicherung gefragt. Wird einem Patienten in der Folge ein Antrag auf Aufnahme in die Sonderklasse vorgelegt, sollte er das Formular genau lesen.

Bestehen Zweifel über den genauen Vertragsinhalt, ist es ratsam, einen Mitarbeiter des Krankenhauses über den Inhalt des Antrags zu befragen und so lange mit der Unterzeichnung der Erklärung zuzuwarten, bis Klarheit über den Vertragsinhalt besteht. Gleiches gilt für Patienten, die sich aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes außerstande sehen, eine rechtswirksame Erklärung abzugeben. Ist sich der Patient nicht sicher, ob er über eine entsprechende Zusatzversicherung verfügt oder ob die Kosten für eine Sonderklassenunterbringung durch eine (andere) abgeschlossene Versicherung Deckung findet, sollte er unbedingt bei seiner Versicherung nachfragen.

Aufklärung gefordert

Die Tiroler Patientenvertretung fordert in diesem Zusammenhang, dass Krankenanstalten die Patienten begleitend zur Vorlage der schriftlichen Aufnahmeantrags mündlich über die wichtigsten Punkte des Aufnahmeantrages aufklären, damit im Vorhinein Unklarheiten bzw. Verwechslungen vermieden werden können.

Im Speziellen muss auf anfallende Zusatzkosten für die Unterbringung im Sonderklassezimmer sowie auf die zusätzlichen Honorare der Ärzte hingewiesen werden. Dabei sollte besonders auf den körperlichen und geistigen Zustand des Patienten zum Zeitpunkt der Vorlage des Aufnahmeantrages Rücksicht genommen werden.

VKI-Kooperation mit Patientenanwaltschaft Tirol

In unserer Rubrik "Patientenanwaltschaft" berichten wir über Fälle, mit denen österreichische Patientenanwältinnen und -anwälte befasst sind.

Die Tiroler Patientenvertretung weist darauf hin, dass Patienten Formulare (z.B. den Aufnahmeantrag), die ihnen im Krankenhaus vorgelegt werden, vor der Unterzeichnung unbedingt durchlesen sollten, da sonst hohe privat zu tragende Kosten entstehen könnten. Bestehen Zweifel über den Inhalt des Vertrages, sollte man vor der Unterschrift Mitarbeiter des Krankenhauses dazu befragen. Die Patientenvertretung fordert, dass Patienten im Spital mündlich über die wichtigsten Punkte des Aufnahmeantrags aufgeklärt werden müssen.

Tirol
Patientenvertretung
Meraner Straße 5 (1.Stock)
6020 Innsbruck,
Tel. 0512 508-7702,
Fax 0512 508-7705
E-Mail: patientenvertretung@tirol.gv.at
Patientenvertretung Tirol

 

Buchtipp: "Mein Recht als Patient"

Patienten haben häufig das Gefühl, ihren Ärzten ausgeliefert zu sein. Doch wer krank ist, ist durchaus nicht schutzlos – vorausgesetzt, er kennt seine Rechte. Unser Buch zeigt anhand konkreter Beispiele, welche Rechte Patienten im Gesundheitsbetrieb haben und welche Möglichkeiten bestehen, diese durchzusetzen.

www.konsument.at/patient-recht

Aus dem Inhalt

  • Krankenkasse und freie Arztwahl
  • Welche Behandlung steht mir zu?
  • Das Recht auf Selbstbestimmung
  • Behandlungsfehler und Haftung des Arztes
  • Psychiatrie und Heimunterbringung
  • Gesundheitsakte, Krankengeschichte, Datenschutz

196 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Mein Recht als Patient 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Krankentransport in Wien - Lange Wartezeiten

Seit dem 1. April 2019 dürfen in Wien Transporte mit der Krankentrage bzw. mit dem Tragsessel nur noch durch Blaulichtorganisationen erfolgen. Seither häufen sich bei der Patientenanwaltschaft die Beschwerden über stundenlange Wartezeiten.

Fehler im Operationssaal - Vergessene Magensonde

Im Operationssaal arbeiten viele Menschen zusammen, Fehler können da nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Doch gute Kommunikation, Koordination und Checklisten können die Sicherheit im OP fördern.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang