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Bestattung - Zurück zur Natur

Es muss nicht immer ein Erdgrab sein. Die Aschenurne kann auch im Wurzelbereich eines Baumes beigesetzt werden.

Der Wald in Mauerbach ist ein beliebtes ­Ausflugsziel der Wiener. Wer auf Höhe der Mauerbachstraße 47 in den Forstweg einbiegt, kommt nach etwa 400 Metern zum „Wald der Ewigkeit“, dem ersten österreichischen Natur­bestattungswald. Ein Ort, der so gar nichts von einem Friedhof hat. Keine Grabsteine, keine Blumengebinde, keine Gräber. Auf den ersten Blick ein Waldstück wie jedes andere, nur dass hier einige Bäume hoch oben eine Banderole tragen. Darauf steht „Baum des Friedens“ oder „Baum der Freude“.

Themenbäume oder Bäume ohne Kennzeichnung

Dieses Areal hat das Gießhübler Unternehmen Naturbestattung GmbH von den Österreichischen Bundesforsten gepachtet. Hier können an den Wurzeln der Bäume Asche­urnen beigesetzt werden, genauer gesagt: biologisch abbaubare Urnen. Man kann zwischen einem Themenbaum mit Banderole und einem ohne Kennzeichnung wählen. Zwischen Buche und Eiche. Zwischen einem alten und einem jungen Baum – je nach Wunsch kann die Preisdifferenz bis zu 400 Euro ausmachen.

In Wien möglich

Seit 2008 gibt es diese Beisetzungsstätte der besonderen Art mitten im Wald, abseits vom Lärm und der Hektik des Alltags. Fünf Jahre, sagt Elisabeth Zadrobilek, die Naturbe­stattung-Geschäftsführerin, habe sie für die Bewilligung kämpfen müssen, bis hin zum Verfassungsgerichtshof. Bei der MA 40, der Wiener Magistratsabteilung für Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, muss Zadrobilek für jede Urnenbeisetzung um eine Einzel­­bewilligung ansuchen. Dass die Asche eines Verstorbenen überhaupt außerhalb von Friedhofsmauern beigesetzt werden kann, macht das Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz möglich, das ein Recht auf eine sogenannte Privatbegräbnisstätte einräumt.

Unterschiedliche Bestattungsgesetze

Neun Bundesländer hat Österreich – und ­damit auch neun unterschiedliche Leichen- und Bestattungsgesetze. Was hier erlaubt ist, das ist anderswo verboten. In Vorarlberg etwa, wo der Anteil an Kremationen besonders hoch ist, besteht kein Recht auf eine Privatbegräbnisstätte. Somit hat dort ein Bestattungswald auch keine Chance, zumindest nicht nach derzeit gültigem Recht.

Baumgrab, Bestattung im Fluss

Bäume, Sträucher, Rasen

Ortswechsel. Der Wiener Zentralfriedhof, Europas zweitgrößter Friedhof. Eine Begräbnisstätte mit Tradition, die dennoch die Zeichen der Zeit erkannt hat. Friedhöfe können heute freier agieren als früher, müssen freilich auch mehr darauf achten, dass die Bilanzen stimmen. Seit 2009 gibt es am Wiener Zentralfriedhof auch einen Waldfriedhof. Die Grabsteine der umliegenden Gräber ­weisen mit ihrer Rückseite zu diesem Areal (Gruppe 35A), durch das ein Waldweg führt. Wie im „Wald der Ewigkeit“ können hier, in einer Tiefe von 80 bis 100 Zentimetern, im Wurzelbereich der Bäume, Ascheurnen versenkt werden. Diese müssen nicht einmal aus biologisch abbaubarem Material bestehen, es können auch ganz gewöhnliche Aschekapseln sein.

Gemeinschaftsgrab in der Natur

Rund um einen Baum gibt es 12 Grabstellen, in denen, hintereinander versetzt, bis zu zwei Urnen beigesetzt werden können – das ist nicht viel, bedenkt man, dass in einem üblichen Erdgrab von einem Quadratmeter immerhin acht Urnen Platz haben. Eine Schautafel am Eingang des Waldfriedhofs gibt Auskunft über die Lage der einzelnen Gräber. An den Bäumen selbst fehlt jede ­Information. Der Name des Verstorbenen kann gegen Aufzahlung an einer gemein­samen Gedenkstätte verewigt werden. Es dürfen keine Blumen gepflanzt werden und es darf nichts in die Baumrinde geritzt werden. Ein Gemeinschaftsgrab ohne individuelle Gestaltungsmöglichkeit.

Pro Jahr kommt es auf den 46 Friedhöfen der Friedhöfe Wien GmbH zu 3.500 Urnen­beisetzungen. Der Anteil alternativer Bei­setzungsformen macht, so Friedhofsleiter ­Andres Kals, etwa 10 Prozent aus, Tendenz steigend. Neben dem Waldfriedhof gibt es bei der Feuerhalle Simmering Baum-, Strauch- und Rasengräber.

Ewiger Kreislauf

Wer entscheidet sich für ein Baumgrab? Es sind vor allem Menschen, die sich in besonderer Weise mit der Natur verbunden fühlen, sagen Zadrobilek und Kals. Diesen Menschen ist wichtig, dass ihre Totenasche zurück in den Kreislauf der Natur kommt. So ist für sie eine Art Fortbestehen möglich. Der Mensch ist tot, der Baum lebt weiter – und in ihm und durch ihn der Verstorbene.

Der Baum als lebendiges Wesen

Für manche ist der Baum darüber hinaus ein höchst lebendiges Wesen. Ein Beispiel dafür ist die Buche. Dieser Baum verfügt über ausgeprägte soziale Eigenschaften, das schreibt jedenfalls Peter Wohlleben, Förster in Rheinland-Pfalz, in seinem Buch „Der Wald“. ­Ältere Buchen stehen demnach mit jüngeren, gleichsam ihren Kindern, über ihr Wurzel­werk in ständigem Kontakt. Und sie lassen ihnen wenn nötig Nährstoffe ­zukommen oder warnen sie bei Gefahr vor Insektenattacken, so der Autor.

Für Paracelsus (1493–1541), den Philosophen und Arzt, waren Bäume „beseelte ­Wesen“. Lange haben wir, modern und aufgeklärt, darüber nur milde gelächelt. Heute ist die Wissenschaft dabei, für die eine oder andere mystische Vorstellung möglicherweise empirische Belege zu finden.

Kosten: mindestens 4.000 Euro

Wer seine Asche bei einem Baum vergraben lässt, der bietet seinen Hinter­bliebenen ­einen Ort der Andacht und des ­Trostes. Der Baum lebt, er blüht und verliert im Herbst seine Blätter. Wer im Frühjahr sein Ohr an den Stamm einer Buche hält, vermag vielleicht zu hören, wie das Wasser im Inneren in die Höhe schießt. Man kann die Sache natürlich auch pragmatisch sehen: Es ist die Natur, die hier die Grabpflege übernimmt. Praktisch für jene, die keine Nachkommen haben oder diese mit der Grabpflege nicht belasten wollen.

Die Kosten für eine Baumbestattung einschließlich allem, was dazukommt (etwa Leichenüberführung und Kremierung), belaufen sich auf mindestens 4.000 Euro. ­ Dafür entfallen die Kosten für Grabstein, ­Einfassung und Grabpflege. Folgekosten entfallen im „Wald der Ewigkeit“ ganz; auf dem ­Wiener Zentralfriedhof kann das Benutzungsrecht nach zehn Jahren gegen Bezahlung verlängert werden.

Flussbestattung

Was tun, wenn jemand mehr Beziehung zum Element Wasser hat? Kein Problem – vorausgesetzt, derjenige ist mit einer Verabschiedung in Niederösterreich einverstanden. Denn dort darf, mit sogenannter Beisetzungsbewilligung des jeweiligen Bürger­meisters, die Totenasche in der Donau versenkt werden; in Wien dagegen nicht. Der seit 2002 liberalisierte Bestattungsmarkt macht vieles möglich, aber Details regelt nach wie vor das jeweilige Landesgesetz.

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