Zum Inhalt

Allergene in Lebensmitteln - Blinde Passagiere

  • Häufig finden sich Allergieauslöser in scheinbar harmlosen Speisen
  • Jetzt werden die Kennzeichnungsbestimmungen verschärft

Steigende Zahl Betroffener

Immer mehr Menschen werden allergisch. Schätzungen zufolge ist jeder fünfte Österreicher von einer allergischen Erkrankung betroffen. Auslöser können Blütenpollen, Hausstaubmilben, Medikamente – oder eben Nahrungsmittel sein. Die Zahl der Betroffenen von „echten“ Nahrungsmittelallergien wird auf 0,3 bis 7,5 Prozent geschätzt – diese Ungenauigkeit zeigt, wie wenig man eigentlich über diese Geißel unserer Zeit Bescheid weiß. Wesentlich höher ist (vermutlich) die Zahl derer, die eine sogenannte „Pseudoallergie“ haben.

"Pseudoallergien"

Für den Betroffenen ist das um nichts angenehmer als eine „echte“, da die Symptome oft ähnlich sind. Nur die Ursache ist eine andere: Während Allergien immer auf einer Überreaktion des Immunsystems (Antikörperbildung) basieren, ist bei Pseudoallergien das Immunsystem nicht beteiligt: Hier bewirken Stoffe, die im Lebensmittel enthalten sind, dass der Körper Histamin ausschüttet, was zu allergieähnlichen Symptomen führt.

Nicht ungefährlich

Allergien (gleich welcher Art) dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden, echte Allergien können sogar lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Die Symptome reichen von Hautrötung, Übelkeit, beschleunigtem Herzschlag, heftiger Atemnot, Schwindel bis zur Bewusstlosigkeit und zum Tod infolge Kreislaufversagen.

Erdnüsse als Risikofaktor

Zu den häufigsten Auslösern von Nahrungsmittelallergien zählen Kuhmilch, Hühnereiweiß, Fisch und Schalentiere sowie Erdnüsse und Haselnüsse. Besonders Erdnüsse sind gefährlich: Schon eine ganz geringe Menge kann eine allergische Reaktion hervorrufen – 0,1 Gramm; bei Milch sind es im Vergleich dazu 5 Gramm. Die Reaktion erreicht nicht selten lebensbedrohliche Zustände, Todesfälle werden vor allem aus den USA und Großbritannien gemeldet.

Außerdem sind die Allergene hitzestabil und resistent gegenüber Verarbeitung. Das bedeutet: Während bei den meisten anderen Nahrungsmittelallergien das Allergiepotential durch Verarbeitung reduziert werden kann, bleibt es im Fall der Erdnuss gleich oder wird im Gegenteil sogar noch erhöht, etwa durch Rösten.

Ohne Deklaration

Unangenehm für die Betroffenen sind weniger die Lebensmittel in ihrer reinen Form. Wer Milch oder Haselnüsse nicht verträgt, kann diese ja vermeiden. Doch häufig finden sich geringere Mengen allergener Lebensmittel als Zutat in Produkten, wo man es nicht erwarten würde – so z.B. Milch in Salaten, Brot oder Wurstwaren. Haselnüsse wiederum sind nicht nur in der Nussschokolade drinnen sondern auch in gewöhnlicher Milchschokolade.

Unreinheiten durch Produktion

Häufig werden Allergene in der Zutatenliste gar nicht deklariert. Darüber hinaus besteht die Gefahr produktionsbedingter Verunreinigungen, beispielsweise wenn sich Reste eines Allergens in einem Behälter befinden, in dem ein an sich allergenfreies Nahrungsmittel hergestellt wird.

Dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt, beweist eine von der EU geförderte Untersuchung, an der auch der VKI beteiligt war. Mittels neu entwickelter Schnelltests (ELISA, LFD) wurden insgesamt 386 Proben in 11 Ländern auf das Vorhandensein von Erdnuss und Haselnuss untersucht.

Kein Einzelfall

In Österreich wurden 36 Proben (Milchschokolade, Kekse, Frühstückscerealien und Jogurt) gezogen. Bei fast allen Schokolade-Proben war Haselnuss als Zutat deklariert (12 von 14), ebenso bei einer Keks-Probe. Darüber hinaus war auf 17 Packungen von Schokolade, Keksen und Frühstückscerealien eine „Kann“-Kennzeichnung zu finden („kann Spuren von ...-Nüssen enthalten“).

Aber nur in 4 dieser 17 Fälle war tatsächlich ein Allergen enthalten. In sieben Fällen wurde ein Allergen nachgewiesen, das nicht deklariert war – weder in der Zutatenliste noch als „Kann“-Kennzeichnung. Das bedeutet: 19 Prozent oder fast jede fünfte Probe warnt Allergiker nicht einmal im Kleingedruckten vor gefährlichen Zutaten. Bei den Keksen traf dies auf jede zweite Probe zu (6 von 13).

Österreich im Durchschnitt

Im internationalen Kontext befindet sich Österreich ziemlich genau in der Mitte. Besser schnitten Norwegen, Spanien, Frankreich, Belgien und Großbritannien ab; wobei in Norwegen (dem einzigen Nicht-EU-Land in dieser Untersuchung) nur 3 Prozent der Proben ungekennzeichnete Allergene enthielten. Den Negativrekord schaffte Slowenien, wo 51 Prozent der untersuchten Lebensmittel nicht deklarierte Haselnüsse oder Erdnüsse enthielten. Auch in Griechenland, Tschechien, Portugal und Italien wurden die Tester öfter fündig als in Österreich. Übrigens waren im Ausland auch Produkte aus Österreich betroffen: In Slowenien waren es drei, in Großbritannien eines.

Vorhandene Nachweisgrenzen

Die Untersuchung sollte die Brisanz der Allergieproblematik aufzeigen. Die Ergebnisse beziehen sich nur auf die untersuchte Charge, das gilt vor allem für Produkte mit Kann-Kennzeichnung, da muss man immer damit rechnen, dass die betreffenden Allergene enthalten sind. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es Nachweisgrenzen gibt. Bei der ELISA-Methode können Mengen unter 2,5 mg pro kg nicht nachgewiesen werden, bei LFD beträgt die Grenze 5 mg/kg. Auch neue (und sehr zuverlässige) Methoden können also nicht gewährleisten, dass ein Produkt 100 Prozent frei von Allergenen ist.

Untersuchung mit Konsequenzen

In Hinkunft werden es Allergiker jedenfalls etwas leichter haben. Am 25. November 2005 treten in Österreich neue Kennzeichnungsbestimmungen in Kraft: Eine Reihe allergener Stoffe (darunter Erdnüsse und Haselnüsse) muss dann zwingend gekennzeichnet werden. Allergene Einzelzutaten müssen namentlich genannt werden, die Angabe von zusammengesetzten Zutaten oder einer Kategorie(„Pflanzeneiweiß“) reichen nicht aus. Außerdem bleibt das Verunreinigungsrisiko wie bisher bestehen.

Bitterer Beigeschmack

Experten befürchten, dass „Kann“-Kennzeichnungen überhand nehmen. Für die Hersteller ist dies die einfachste Methode, dem Gesetz Genüge zu tun. Sie ersparen sich auf diese Weise Qualitätssicherungssysteme, die sicherstellen, dass die Produkte frei von Verunreinigungen sind. Für die Betroffenen stellt dies eine höchst unbefriedigende Lösung dar. So bleibt ihnen unter Umständen der Zugang zu ganzen Produktgruppen verwehrt, wie es bei Schokolade schon derzeit der Fall ist.

Allergene in Lebensmitteln: Kompetent mit Konsument

  • Kennzeichnung genau lesen. Allergiker sollten immer auf das klein Gedruckte achten, ob Zutatenliste oder Kann-Kennzeichnungen.
  • Vorsicht bei Schokolade. Haselnuss- oder Erdnussallergiker müssen vor allem bei Schokolade aufpassen: Fast alle Produkte enthalten Allergene. Ähnliches gilt für Produkte, die andere Nüsse (Walnüsse, Mandeln...) enthalten.
  • Mangelhaft gekennzeichnet. Jede fünfte Probe enthielt ein Allergen, das nicht gekennzeichnet war. Ärgerlich für Allergiker ist aber auch der umgekehrte Fall: (Kann-)Kennzeichnung auf der Verpackung, obwohl kein Allergen enthalten ist (36 Prozent).

Links zum Thema

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Krapfen im Test - Welche Krapfen sind am besten?

Krapfen im Test - Welche Krapfen sind am besten?

Wir haben 31 mit Marillenmarmelade gefüllte Krapfen aus Bäckereien, Diskontern und Supermärkten getestet. Das Ergebnis macht Gusto: 27 Mal vergaben wir eine gute Note, nur vier Produkte schnitten durchschnittlich ab.

Fleischersatz: Wie gesund sind die Alternativen? premium

Fleischersatz: Wie gesund sind die Alternativen?

Wir haben 323 vegane und vegetarische Lebensmittel auf ihre Nährwerte, den Grad der industriellen Verarbeitung und die Verbraucherfreundlichkeit der Kennzeichnung hin überprüft.

Test: Welche Kochbox ist die beste? premium

Test: Welche Kochbox ist die beste?

Fehlt es an Zeit oder Inspiration, kann man sich online eine Kochbox mit Rezept und Zutaten auswählen und liefern lassen. Für unseren Vergleich bestellten drei Testpersonen jeweils 18 Gerichte.

Test Verfälschte Lebensmittel: Oregano premium

Test Verfälschte Lebensmittel: Oregano

Gewürze sind teuer und werden oft mit minderwertigen pflanzlichen Bestandteilen gestreckt. Besonders häufig ist Oregano betroffen. Wir haben 27 in Österreich erhältliche Produkte auf ihre Echtheit hin untersuchen lassen.

TEST Striezel: Süße Versuchung premium

TEST Striezel: Süße Versuchung

Wir haben 15 Striezel getestet, darunter elf Produkte, die im Supermarkt erhältlich sind und vier, die es nur beim Bäcker gibt. Vier Striezel schneiden mit sehr gut, sechs mit gut und fünf mit durchschnittlich ab. Nur ein Produkt fiel bei der Verkostung durch, am meisten haperte es bei der Kennzeichnung.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang