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Brot und Gebäck - Semmeln auf Knopfdruck

, aktualisiert am

Statt vom Bäcker kommt frisches Gebäck immer öfter aus dem Aufbackautomaten im Supermarkt.

Knusprige Salzstangerl und Mohnflesserl, Vollkornweckerl oder ein Laib saftiges Schwarzbrot: Brot und Gebäck sind in Österreich Grundnahrungsmittel. Schon ein Blick in die Regale einer kleinen Bäckerei lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Geruch lockt Kunden an

Am unwiderstehlichsten ist aber der Duft nach frischen Backwaren. Genau damit operieren inzwischen auch die Supermärkte. Kaum eine Filiale, in der nicht in der Nähe des Eingangs eine Aufbackstation steht, die den Geruch von ofenwarmem Gebäck bis auf die Straße verbreitet. Dass sich dieses gezielte Duftmarketing lohnt, zeigen die Verkaufszahlen: Geschätzte 50 Prozent all dessen, was wir uns täglich ins Brotkörberl legen, stammt bereits aus dem Lebensmitteleinzelhandel. 

Wer beliefert Spar und Rewe?

Doch woher kommt die Ware und was wandert eigentlich in die Aufbackstationen? Wir fragten bei den zwei größten österreichischen Lebensmittelketten, Spar und Rewe, nach. Im Reich mit der grünen Tanne hielt man sich erstaunlich bedeckt. "Wir haben über 400 regionale Bäcker, die jeden Tag direkt frische Ware in die Märkte liefern", ließ uns Spar wissen. Und natürlich tiefgekühlte Semmeln & Co, die in den Filialen aufgebacken werden. Namen von Lieferanten wollte man keine nennen.

Rewe offener als Spar

Im Vergleich zu dieser Geheimnistuerei präsentierte sich Rewe erstaunlich offen. "Rund 90 bis 95 Prozent aller Brot- und Gebäckprodukte bei Billa, Merkur, Penny und Adeg kommen aus Österreich", teilte uns Corinna Tinkler, Pressesprecherin von Rewe International, mit. Als Partner wurden uns die Firmen Kuchen-Peter (ein Großbetrieb in Hagenbrunn/NÖ), die Wiener Großbetriebe Anker, Ströck und Mann, der Grazer Traditionsbäcker Sorger und die Bio-Bäckerei Schmitzberger (Braunau/OÖ) genannt.

Herkunftsgerüchte, Tiefkühlware

Herkunftsgerüchte

Dass das die ganze Wahrheit ist, bezweifeln Insider. Gemunkelt wird, dass vieles, was in den Aufbacköfen landet, mit dem Laster aus einem riesigen Werk in Polen herangekarrt wird. Auch chinesische Ware soll schon gesichtet worden sein. Bei unserem gerade in Arbeit befindlichen Test von Aufbackgebäck für zu Hause (KONSUMENT 3/2011) stellten wir jedenfalls fest: Produkte für das eigene Backrohr kommen von ziemlich weit her. Nur wenige Proben haben als Herkunftsland Österreich.

Frische aus der Tiefkühltruhe

Sicher ist: In die Aufbackstationen der Supermärkte kommt überwiegend tiefgekühltes Gebäck. Dafür werden in großen Herstellungsbetrieben sogenannte Teiglinge produziert, die – abhängig von der Gebäcksorte – entweder vorgebacken (fast fertig) oder vorgegart (halb fertig) sind und anschließend eingefroren und ausgeliefert werden. Dieses System ist für den Handel unschlagbar praktisch.

Das Ausgangsmaterial wandert in den Gefrierschrank und von dort je nach Kundenfrequenz in den Aufbackofen. Wenn es sein muss auch spät am Abend. Auf diese Art erhält der Kunde zu jeder Tageszeit ofenfrisches Gebäck. Oder auch warmes Brot, denn längst liefern die Backstationen nicht nur Semmeln & Co. Bereits vorgebackene Ware wird innerhalb weniger Minuten "aufgerescht", vorgegarte Produkte bleiben länger im Ofen.

Unterschiedliches Ergebnis

Doch wer bei den Frischetheken im Supermarkt zulangt, weiß auch: Je nach Geschick und Auslastung der zuständigen Handelsangestellten fällt das Ergebnis unterschiedlich aus: Staut es sich vor der Theke, kommt das Gebäck zu früh aus dem Ofen und hat kaum Farbe. Oder es hat Überzeit und wird dunkel und trocken, weil niemand zum Ausräumen kommt. 

Auch Bäckereien backen auf

Auch Bäckereien backen auf

Brotbackautomat Das Auf- und Fertigbacken von Teiglingen aller Art ist übrigens nicht auf Supermärkte beschränkt. Selbst in den Filialen der Bäckereiketten kommen Halb- und (Fast-)Fertigprodukte zum Einsatz. Nur kleine Bäcker mit wenigen Geschäften arbeiten noch ohne Aufbackstationen. Wir haben die Backstube eines solchen Betriebes besucht (siehe: "Was soll ich mit einem Backautomaten?").

Und natürlich geht auch in der Gastronomie längst nichts mehr ohne. Hier ist der Welser Großbäcker Resch & Frisch dick im Geschäft. Seine Lastwagenflotte bedient Wirte in ganz Österreich und den angrenzenden Nachbarstaaten.

Automaten für Jedermann

Unter dem Motto: "Back’s Zuhause" werden aber auch Privatkunden mit Tiefkühlware zum Aufbacken beliefert. Erfunden wurden die flächendeckend verbreiteten Backautomaten übrigens schon in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Damals noch schamhaft im Hinterzimmer versteckt, haben sie sich zu einem gern vorgezeigten Umsatzbringer gemausert.

Mischung aus Gärschrank und Backofen

Technische Weiterentwicklungen sorgen inzwischen für bessere Qualität der auf- oder fertig gebackenen Produkte. Aber selbst wenn Backstationen heute eine ausgeklügelte Mischung aus Gärschrank und Backofen sind: Für tadelloses Gebäck braucht es nach wie vor mehr als nur Teiglinge einschlichten, aufs Knöpfchen drücken und warten, bis es piepst. Die Wiener Brotfabrik Anker zum Beispiel stellt bei sich die in den Geschäften verwendeten Backautomaten ihrer Großkunden auf. Und entwickelt Teige, die auf das jeweils eingesetzte System abgestimmt sind.

Reportage: "Was soll ich mit einem Backautomaten?"

In der Backstube von Josef Schrott, Innungsmeister der österreichischen Bäcker, sind Aufbackstationen verpönt und werden Semmeln noch von Hand gemacht.

"Ein guter Bäcker ist ohne Weiteres in der Lage, Brot und Gebäck so herzustellen, dass es bis zum Abend frisch bleibt. In meinen Filialen gibt es nichts Aufgebackenes!" Josef Schrott hält nichts von Semmeln auf Knopfdruck.

Innungsmeister  Josef  Schrott (Bild: Landesinnung Lebensmittelgewerbe)
Innungsmeister
Josef Schrott

Seine Familie betreibt das Bäckergewerbe seit 1885. Schon der Großvater hat an jenem Standort produziert, wo sich heute noch die Bäckerei und das Verkaufsgeschäft samt angeschlossenem Kaffeehaus befinden – auf der Mariahilfer Straße 159 in Wien.

Brezeln, Torten, Neujahrsschweinchen

Gleich hinter der Verkaufstheke öffnet sich die Tür in die Backstube. Über Generationen wurde hier Raum um Raum in einen Hinterhof erweitert. Im vorderen Teil arbeiten die Konditoren. Je nach Jahreszeit fertigen sie Neujahrsschweinchen oder Osterhasen aus Marzipan in Handarbeit, rühren Kuchenteige, backen und dekorieren Torten. Ein paar Schritte weiter wird Plunderteig in Streifen geschnitten, zu großen Brezeln gedreht oder zu Taschen geformt und gefüllt. In einer großen Wanne mit heißem Fett brutzelt Schmalzgebäck. Draußen im Hof kühlen die bereits fertig gebackenen Brotlaibe aus.

"Mein Großvater hat noch mit zwei Holzbacköfen gearbeitet", sagt Josef Schrott und deutet in eine Ecke. Von den alten Öfen ist nichts mehr zu sehen, sie sind längst abgerissen. Die Backwaren von heute kommen in computergesteuerte, gasbefeuerte Backöfen. Dort wird nichts dem Zufall überlassen. Für jede Brot- und Gebäcksorte gibt es eine eigene Programmierung, die Temperatur und Dauer des Backvorgangs regelt.

Herr über die Maschinen

Herr über das knusprige Brot und die reschen Weckerl ist trotzdem ein Mensch und nicht die Maschine: Der diensthabende Bäcker bestimmt, wann der Backvorgang zu Ende ist. Semmeln werden in der Semmelmaschine geformt und bekommen dort den typischen Stern "aufgestempelt". Oder sie werden in rasender Geschwindigkeit als Handsemmel geformt: Teigkugel flach drücken, dann fünfmal hintereinander mit der Handkante einkerben, umschlagen, fertig.

Eigene Rezepturen

Während diese Kunstwerke gerade Farbe annehmen, ist längst der nächste Teig in Arbeit. In einer überdimensionalen Edelstahlschüssel vermengt ein armdicker Knethaken 50 Kilo Zutaten, die kurz vorher händisch eingewogen wurden. Schrott arbeitet mit eigenen Rezepturen. Fertigmischungen, die nur noch mit Wasser angerührt werden, mag er ebenso wenig wie Aufbackautomaten. Mit einer Ausnahme. Den allseits beliebten Kornspitz muss auch er als fixfertige Backmischung bei der oberösterreichischen Firma Backaldrin kaufen, die sich in weiser Voraussicht den Produktnamen hat schützen lassen. 

 Um 23:30 geht's los

Mit insgesamt 50 Mitarbeitern ist die Bäckerei Josef Schrott ein mittelgroßes Unternehmen. Der Betrieb in der Backstube beginnt um 23:30 Uhr, damit die Brote mit Sauerteig genügend Zeit zum Rasten und Aufgehen haben. Um 1:30 Uhr rückt dann der Großteil der Belegschaft ein. Übers ganze Jahr gesehen werden an die 300 verschiedene Produkte hergestellt. Bei den Broten besteht der Großteil des Sortiments aus Vollkornbroten in Bioqualität.

Neben dem Stammhaus gibt es noch vier weitere Filialen, die täglich mit frischer Ware beliefert werden. Ein Teil der Handsemmeln geht an die Parlamentskantine, wo die österreichischen Abgeordneten speisen. Aber auch Kindergärten und Pensionistenheime zählen zu seinen Kunden. Ein Renner sind die übergroßen Brezeln aus Plunderteig. Süß oder salzig und mit den unterschiedlichsten Bestreuungen sind sie auf allen Wiener Weihnachts- und Ostermärkten vor allem bei Kindern ein Hit.

Leserreaktionen

Schleichwerbung?

Wie konnte ein derartiger Artikel, der nur Selbstdarstellung ist und kein sachlicher, mit konkreten Mitbewerbern vergleichender Test, in die Zeitschrift gelangen? Es gibt noch viele andere Bäckereien, die ebenfalls nicht aufbacken und ebenfalls keine Fertigmischungen verwenden.

Ich bin kein Bäcker, bin mit keinem befreundet und habe auch nichts gegen die Bäckerei Schrott, bei der ich sogar regelmäßig einkaufe, aber ich finde es äußerst befremdlich und inakzeptabel, eine derart unverhohlene Werbeeinschaltung im „Konsument“ zu finden.

Peter Podiwinsky
Wien
(aus KONSUMENT 6/2011)

Wir testen nicht nur Produkte, sondern gehen auch regelmäßig in heimische Betriebe, um uns vor Ort zu informieren. Für unseren Beitrag über Brot und Gebäck gingen wir in die Backstube von Josef Schrott, Innungsmeister der österreichischen Bäcker, um an einem konkreten Beispiel zu zeigen, dass es abseits der Aufbacköfen im Supermarkt auch noch eine Backtradition ohne industrielle Fertigprodukte gibt.

Aus vielen Reaktionen wissen wir, dass unsere Leserinnen und Leser sehr an der Herkunft von Lebensmitteln interessiert sind und großen Wert auf heimische Produkte legen.

Die Redaktion

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