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Lebensmittelkontrolle - Mehr Sicherheit für die Konsumenten?

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Die neue Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit soll Österreichs Lebensmittel noch sicherer machen. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten.

Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und das Bundesamt für Ernährungssicherheit nahmen am 1. Juni ihren Dienst auf. Geht man von dem zu Grunde liegenden Gesetzestext aus, ist dies ein durchaus ehrgeiziges Projekt: Das Bundesamt ist dabei für die Vollziehung der hoheitlichen Aufgaben zuständig, die Agentur stellt Personal und Ausrüstung bereit. Jene Aufgaben der Lebensmittelsicherheit und Kontrolle, die bisher bereits Bundesangelegenheiten waren, jedoch aufgeteilt auf zwei Ministerien und 19 verschiedene Dienststellen (unter anderem die Bundesanstalten für Tierseuchenbekämpfung und für Lebensmitteluntersuchung und -forschung), wurden nun zusammengelegt.

Lückenlose Kontrolle als Ziel

Verschiedene landwirtschaftliche Bundesanstalten, die etwa für die Zulassung und Kontrolle von Saatgut, Futter- oder Pflanzenschutzmitteln beziehungsweise Düngemitteln zuständig sind, wurden ebenfalls eingebunden. Auch der Bereich der humanmedizinischen Seuchenbekämpfung wurde der Agentur und dem Bundesamt zugeschlagen. Antibiotikaresistenzen, Salmonellen oder Tuberkulose beispielsweise seien Probleme, so Sozialminister Haupt, die bei Menschen und im Stall gleichermaßen aufträten. Ziel: die lückenlose Kontrolle eines Lebensmittels vom Stall beziehungsweise Feld bis auf den Teller.

Den Ministern weisungsgebunden

Alleiniger Eigentümer von Amt und Agentur (die als GmbH organisiert ist) bleibt der Bund, vertreten durch Landwirtschafts- und Sozialministerium. Die Führung obliegt derzeit zwei Geschäftsführern, die jedoch den beiden Ministern gegenüber weisungsgebunden sind.

Kontrolle durch das Landwirtschaftsministerium

Damit verliert das, was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, einiges an Glanz: die durchgängige Kontrolle. Bedenkt man, dass diese Kontrolle großteils durch das Landwirtschaftsministerium selber erfolgt, so stellt sich angesichts der unappetitlichen Einblicke in die „gute landwirtschaftliche Praxis“, die die Konsumenten bei jedem neuen Lebensmittelskandal gewinnen, die Frage, ob hier nicht der Bock zum Gärtner gemacht wird. Viele europäische Staaten und die EU-Kommission sind sich dieser Problematik auch bewusst und übertragen die Kontrolle ihrer Lebensmittel dem Gesundheitsressort oder für Verbraucher zuständigen Gremien.

Veröffentlichung von Untersuchungsergebnissen

Es bleibt also abzuwarten, wie rasch sich ein Verdacht auf bestimmte Missstände in den Probenplänen niederschlagen wird oder wie schnell und detailliert nun etwa Untersuchungsergebnisse veröffentlicht werden. Auch bisher waren die jährlich ermittelten Rückstandsdaten vorhanden, wurden aber der Öffentlichkeit und den Dienststellen vorenthalten. Höchstens bei Skandalen werden sie – unter dem Motto „wir haben ja untersucht und alles im Griff“ – zur Beschwichtigung „aus der Schublade geholt“.

Ausstattungen zu gering

Ein weiterer Schwachpunkt ist die finanzielle Ausstattung der Agentur, deren für die nächsten Jahre zugeteilte Mittel dem entsprechen, was die einzelnen Behörden schon bislang erhielten, und dann noch leicht absinken werden. Schon dieses Budget war in der Vergangenheit allerdings zu knapp. So beklagte etwa die EU wiederholt, dass durch verstärkte Antibiotika-Kontrollen im Jahre 1998 der reguläre Fleischprobenplan in Österreich nicht eingehalten werden konnte, da dafür die personelle, technische und räumliche Ausstattung nicht ausreichte – und auch in den folgenden Jahren nicht entsprechend aufgestockt wurde. Auch ein Blick in den Probenplan 2000 zeigt: zu wenig Kontrollen – außer bei Fisch.

Kontrolle auf Sparkurs

Wie angesichts dieser finanziellen Knappheit die im Gesetz geforderte „Vorhaltung von Laborkapazitäten für Krisen und Notstandsfälle“ bewerkstelligt werden soll, ist fraglich, da der Prüfungsaufwand sicherlich steigen wird. Lebensmittel müssen etwa auf immer mehr bedenkliche oder schädliche Stoffe untersucht werden. Einserseits, weil die Wissenschaft den Nachweis von immer mehr Stoffen ermöglicht, andrerseits, weil die Hersteller den Labors immer um eine Nasenlänge voraus sind. Darüber hinaus darf die routinemäßige Suche nach Stoffen, deren Einsatz teilweise in Österreich oder der EU schon längst verboten ist, ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Das zeigt der neueste Skandal um Nitrofen, das völlig unvermutet in Bio-Fleisch gefunden wurde.

Keine Verbesserung durch Privataufträge

Um zusätzliche Mittel zu verdienen, steht es der Agentur frei, Aufträge von Privaten anzunehmen. Doch dem steht das bereits vorhandene Kapazitätsproblem entgegen. Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, wie unabhängig eine Institution sein kann, wenn deren zahlende Kunden gleichzeitig von ihr überwacht werden sollen. Hier ist die Politik gefordert, künftig dafür zu sorgen, dass zumindest die finanzielle Ausstattung der Agentur so gestaltet wird, dass sie unabhängig von den privatwirtschaftlichen Einkünften und am entsprechenden Stand der Technik agieren kann und gar nicht erst in „Gewissenskonflikte“ kommt.

Minister fordern Straffung des Kompetenzweges

Das Vorhaben der Minister, auch die Länder in Bundesamt und Agentur einzubinden, wurde von den Ländern vorerst abgelehnt. Sinnvoll wäre es deshalb gewesen, weil es auch einige Landesprüfanstalten gibt. Die Probennahme erfolgt jeweils durch die Bezirksbehörde vor Ort. Lebensmittelpolizei und Marktamt sind ebenso Landessache wie einige wesentliche Überwachungsfunktionen, etwa im Bereich Bodenschutz. Die Hoffnung auf Straffung des Kompetenzenweges und Bündelung der Ressourcen haben die Minister aber noch nicht aufgegeben; die Einladung an die Länder, sich einzubringen, steht nach wie vor: Von den laut Gesetz möglichen drei Geschäftsführerposten wurden bislang nur zwei (interimistisch) vergeben, der dritte ist allfälligen Kandidaten der Länder vorbehalten.

Neue Lebensmittel untersuchen

Ein großer Schwachpunkt aus Sicht des Konsumentenschutzes ist das Fehlen eines eindeutig formulierten Auftrags, technologisch neue Lebensmittel zu untersuchen. Gemeint ist die Fülle neuer Produkte, die zusätzlich einen gesundheitlichen Nutzen versprechen. Ein Beispiel wären „probiotische“ Produkte, von denen die Hersteller behaupten, dass sie die Abwehrkräfte des Körpers stärken. Hier wäre eine wirklich unabhängige qualitative und gesundheitliche Bewertung dringend nötig (siehe auch „Konsument“ 8/01). Eine offensive Lebensmittelstrategie darf nicht beim Krisenmanagement enden. Obwohl dem Schutz der Verbraucherinteressen auf dem Papier großes Gewicht verliehen wurde, wurde noch kein Vertreter von Konsumenteninteressen einbezogen – auch nicht der VKI.

Fazit: Auf dem Papier macht das neue Konzept einen durchaus vernünftigen Eindruck. Wie die Umsetzung der Ziele in die Praxis aussehen wird, hängt jedoch ganz wesentlich von den politischen Akteuren ab.

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