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Elektrofahrräder - Eingebauter Rückenwind

, aktualisiert am

  • Elektrofahrräder zunehmend auch am heimischen Markt
  • Qualität fast durchwegs zufriedenstellend
  • Reichweiten und Akku-Ladezeiten sehr unterschiedlich

Dreimal die Strecke von Wien nach Berlin und wieder zurück radelten, statistisch betrachtet, unsere Tester im Rahmen dieser Praxisprüfung – ohne dabei ins Schwitzen zu geraten oder über Muskelkater klagen zu müssen! Denn eigentlich haben sie sich in erster Linie "radeln lassen": vom Elektrofahrrad, in dessen Sattel sich nun auch ­immer mehr Österreicher mit Vor­liebe zu schwingen scheinen.

Förderung durch Bundesländer

Jährliche Absatz­verdoppelungen freuen den Handel und beflügeln die Förderungsfantasien der ­Politik, die in der Mehrzahl der österrei­chischen Bundesländer die Anschaffung eines Elektrofahrrades mit Beträgen zwischen 200 und 400 Euro unterstützt. Das ist auch nötig, denn billig sind sie ja nicht ­gerade, die aus der Steckdose zu fütternden Drahtesel: Zwischen rund 1.400 und 2.350 Euro berappt, wer ein "Pedelec" aus unserem Test sein Eigen nennen will.

Es muss getreten werden

Pedelec – das 1999 von einer Diplomandin an der Heidelberger Uni kreierte Wort­ungetüm steht für "Pedal Electric Cycle" was durchaus die Funktionsweise eines solchen Hybridfahrzeuges umreißt: Man muss treten, damit der Elektromotor einem freundliche Unterstützung gewährt (was sie von E-Bikes unterscheidet, welche dies auch ohne eigene Leis­tung erlauben). Vorteil der Pedelecs: Es bedarf keiner Zulassung, keines Führerscheins, keiner Versicherung und der Betrieb verursacht, obwohl motorunterstützt, keine lokalen Emissionen.

Angenehme Bergfahrten

Pedelecs sind bis zu einer Nenndauerleistung von 250 Watt und einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h zugelassen; bei Über­schreiten muss sich der Motor automatisch abschalten. Bis dahin unterstützt er den Pedal­ritter aber kräftig in seinem Bemühen, ­voranzukommen. Das macht sich nicht ­zuletzt bei Bergfahrten angenehm bemerkbar, wie im vergangenen Jahr beispielsweise auch der österreichische ­Umweltminister feststellen konnte, der sich von einem Pedelec die Großglockner Hochalpenstraße hinaufradeln ließ.

Realistische Testbedingungen

Auch wir haben übrigens diesen Test bewusst nicht im Labor und auf dem Prüfstand, sondern unter realistischen Bedingungen durchgeführt, welche die Tester über asphaltierte Straßen, befestigte Wege, Steigungen und Gefälle führten. Dabei galt das beson­dere Augenmerk dem Fahrverhalten, dem Komfort, den Bremsen und der Schaltung der Räder – denn auch ein Pedelec ist ja trotz seiner Elektrounterstützung primär ein Fahrrad, dass sich auch dann gut und sicher fahren lassen soll, wenn der Motor nicht zugeschaltet wurde – oder der Akku einfach leer gefahren ist.

Wann dieser Moment des Schreckens ­eintritt, hängt neben den Gelände- und Wit­terungsbedingungen (z.B. Gegenwind), dem Fahrergewicht, dem Fahrverhalten ("schaltfaul" oder nicht) auch von der gewählten "Unterstützungsstufe" ab. Alle ­Pedelecs bieten mindestens deren zwei: Damit wird sozusagen der Leistungsrahmen des Elektromotors vorgegeben.

110 km mit einer Ladung

100 Kilometer mit einer Ladung

Von den Ergebnissen waren wir durchaus positiv überrascht: Bei geringer Unter­stützung lag die durchschnittliche Reichweite mit einem Akku bei 68 Kilometern, mit Spitzenwerten knapp unter 100 Kilometern; bei normaler Unterstützung schafften sie im Schnitt 50 Kilometer ­(Spitzenwert 73 Kilometer) und mit voller Power immerhin noch 35 Kilometer im Mittel (Spitzenwert 55). Bedenkt man, dass 60 Prozent der Autofahrten über ­Distanzen von weniger als 25 Kilo­metern führen, lässt sich die Alltagstauglichkeit eines Pedelecs recht gut abschätzen. 

Moderne Lithiumakkus

Möglich werden diese Reichweiten durch den Einsatz moderner Lithiumtechnologie bei den Akkus, die nichts mehr mit den ­alten Bleiakkus gemeinsam haben. Auch haben die Elektroräder das verstaubte Image des alten Fahrrades mit Hilfsmotor abgelegt: Als Zielgruppe gelten heute sportliche Radler, die auch längere und schwierigere Touren angehen wollen, daneben City-Radfahrer, die nicht unbedingt mit rotem Kopf und verschwitzt im Büro oder beim Termin ankommen möchten; schließlich Menschen, die sich beispielsweise zu Rehabilitationszwecken in den Sattel schwingen, dabei aber auf Nummer sicher gehen und sich für den Fall des Falles des Ein- und Anspringens der elektrischen Unterstützung versichern möchten.

Akkuplatzierung: Hinten, Mitte, Vorne

Technisch ist dies keineswegs einheitlich gelöst. So kann der Akku je nach Modell und Antriebsart am Gepäckträger, in Seitentaschen oder oberhalb des Tretlagers Platz finden (und versperrt werden). Von hier sollte er sich problemlos zum Nach­laden entnehmen lassen (was auch bei den meisten der Testkandidaten der Fall war). Deutlichere Unterschiede gibt es da schon bei der Antriebsart: Hinterrad-Naben­motor, Tretlagermotor und Nabenmotor für das Vorderrad stehen zur Wahl.

Antriebsarten

Hinterrad-­Nabenmotor

Der Hinterrad-­Nabenmotor oder auch Heckantrieb arbeitet nahezu lautlos, greift auch bei glattem oder san­digem Untergrund gut (Anfahren). Eine ­Nabenschaltung und die Rücktrittbremse sind dabei allerdings nicht möglich, der ­Radausbau wird erschwert, die Verkabelung kann – je nach Sitz des Akkus – relativ lang ausfallen. Tendenziell wird das Fahrrad auch etwas hecklastig, vor allem wenn der Akku am Gepäckträger montiert und dieser auch noch mit Gepäck oder Kindersitz belastet wird.

Tretlagermotor

Der Tretlagermotor stellt meist die kompakteste Bauform dar. Motor und Akku befinden sich zentral am Tretlager (also bei den Pedalen), was die geringste ­Kabellänge und einen gut gelagerten Schwerpunkt des Fahrrades mit sich bringt. Es können alle Schaltungsarten und Fahrradkomponenten benutzt werden, die Rücktrittbremse steht allerdings auch hier nicht zur Verfügung. Die Kosten sind ­konstruktionsbedingt meist etwas höher, der Motor ist leicht hörbar.

Vorderrad-­Nabenmotor

Der Vorderrad-­Nabenmotor oder auch Frontantrieb erlaubt die Verwendung aller Schaltungsarten, die Rücktrittbremse bleibt erhalten. Bei Beladung des Gepäckträgers stellt er ein gutes Gegengewicht dar. Das Fahrverhalten ist aber teilweise gewöhnungsbedürftig, das Rad "zieht" und neigt bei glattem oder ­sandigem Untergrund zum Wegrutschen. Wie beim Heckantrieb ist eine relativ lange Verkabelung erforderlich, der Radausbau ist erschwert und der Motor hörbar.

Welches dieser Konzepte nun "das beste" ist, lässt sich – wie auch ein Blick in die ­Tabelle zeigt – nicht eindeutig beantworten. Hier gilt es, die eigenen Fahrgewohnheiten, die typischen (Transport-)Auf­gaben, den Preis und das "persönliche Feeling" am Rad zu berücksichtigen – also bitte unbedingt vor der Kaufentscheidung beim Händler ausprobieren oder eine der vielen Veranstaltungen zum Thema "Pedelec" ­besuchen, bei denen in der Regel auch Gelegenheit zu einer Probefahrt besteht.

Bedienung und Handhabung

Elektronsiche Bedienkonsole

Bei einer Probefahrt hat man auch die Möglichkeit, die dritte wichtige Komponente des Pedelecs (neben Akku und Antrieb) in Augenschein zu nehmen: die elektronische Steuerung oder Bedienkonsole. Sie gibt Auskunft über die gerade aktive Unterstützungsstufe, zeigt die gefahrene Geschwindigkeit und die ­zurückgelegten Kilometer an.

Auch den Akkustand sollte man hier mühelos und ­exakt ablesen können, was keineswegs bei allen getesteten Rädern der Fall war. Es ist ärgerlich, wenn die Ladeanzeige "hinten nach hinkt" und man dann mehr oder ­weniger unerwartet mit leerem Akku auf freier Strecke steht; umgekehrt freut man sich wohl auch nicht über "Panikmache", wenn der Bordcomputer einen weitgehend entleerten Akku anzeigt, obwohl man damit noch locker bis nach Hause käme.

Ersatzakkus teuer

Wer auch hier auf Nummer sicher gehen möchte, sollte bei längeren Touren sein ­Ladegerät oder einen Ersatzakku dabei­haben. Für Letzteren sind allerdings zwischen 500 und 800 Euro zu bezahlen und man fährt mit zusätzlichen 2 bis rund 4 Kilogramm durch die Gegend (nach 500 bis 700 Ladezyklen steht übrigens ohnehin ­eine Akku-Neuanschaffung an).

Das Ladegerät ist da zwar deutlich leichter, sollte aber auch nicht zur Annahme veranlassen, man könne bei der Landpartie einfach ­irgendwo haltmachen und schnell einmal den Akku auf­laden: Bis nahezu sieben Stunden würde die Einkehr im Dorfwirtshaus schon dauern müssen (Genesis und Schachner), und selbst der Testsieger (KTM) zwingt mit rund drei Stunden Ladedauer zu einem etwas ausgedehnteren Mittagessen.

Wie tritt es sich ohne Unterstützung?

Im Ernstfall bliebe also nur das Selbertreten ohne Unterstützung. In dieser Betriebsart schneiden die Pedelecs nicht gerade überragend ab (nicht zuletzt aufgrund des höheren Gewichtes). Es gibt nur zwei ­"gute" Bewertungen (KTM und Matra Sports). Deshalb sei nochmals daran erinnert, das man beim Kauf die "normalen" Konstruktions- und Fahreigenschaften des Rades nicht zugunsten der Einschätzung der elektrisch-motorischen Fähig­keiten ver­nachlässigen sollte.

Natürlich zeigen sich auch in der vom Motor unterstützten Betriebsart Unterschiede, etwa im Ansprechverhalten: Geht das Fahrrad ab wie eine Rakete oder fährt man sanft an? Wie feinfühlig reagiert die Motorsteuerung auf Veränderungen der Trittstärke oder beim ­Abschalten des Motors, sobald man die zulässige Höchstgeschwindigkeit erreicht hat (sanftes Zurücknehmen oder abrupter Abbruch des Antriebs)?

Wie verhält sich das ­Pedelec bei Fahrten in der Ebene und wie am Berg? Die Tabelle und die Kurzbeschreibungen bieten Ihnen die entsprechenden Hinweise. Damit Sie nach dem Kauf nicht doch noch ins Schwitzen kommen.

Tabelle: Elektrofahrräder

Zusammenfassung

  • Nicht gerade billig: Elektrofahrräder sind wesentlich teurer als herkömmliche Drahtesel – "gute" gibt es kaum unter 2000 Euro.
  • Deutliche Leistungsunterschiede: Vor allem bei der Reichweite pro Akkuladung gibt es teils ­erhebliche Unterschiede. Die Ladezeiten differieren ebenfalls sehr stark – auch hier sollte man deshalb die angepeilte maximal erforderliche Reichweite pro Ladung/Ausflug im Auge behalten.
  • Eignung zum Selbertreten: Vor dem Kauf auch die Konstruktions- und Fahreigenschaften des Rades für den konventionellen Tretbetrieb ausprobieren.

Pro und Kontra

Pluspunkte

  • Fahrspaß bei geringer körperlicher Anstrengung
  • spürbare Unterstützung vor allem bei Bergfahrten oder Gegenwind
  • einfache Bedienung der Steuereinheiten
  • einfacher Akkuwechsel
  • keine lokalen Emissionen

Schwachpunkte

  • vergleichsweise hohes Fahrradgewicht
  • Geräuschentwicklung des Motors, vor allem bei Bergfahrten
  • oft unrunder Tritt bei Bergfahrten
  • häufig Schaltschwierigkeiten bei Nabenschaltungen
  • bei Modellen mit Vorderradantrieb Aus- und Einbau vergleichsweise schwierig
  • ohne Motorunterstützung schwerer lenkbar als herkömmliches Fahrrad

Darauf sollten Sie achten

  • Beschränkung der Reichweite beachten, eventuell Reserveakku besorgen
  • Gewichtsverteilung: möglichst in Schwerpunktnähe
  • Vorsicht in der Beschleunigungsphase (meist bis 10 km/h), sie ist oft sehr kraftvoll
  • Energierückgewinnung (Rekupation) in der derzeitigen Form nicht effizient und eher ein Verkaufsgag
  • beim Umstieg vom Auto, etwa für die Fahrt zum Arbeitsplatz, frühzeitig an (sichere) Abstellmöglichkeiten denken

Bildergalerie: Elektroantrieb

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Bild: Vki
Vorderrad-Nabenmotor bzw. Frontantrieb |
Bild: Vki
Tretlagermotor |
Bild: Vki
Hinterrad-Nabenmotor bzw. Heckantrieb |
Bild: Vki
Akkus Elektrofahrräder Die Akkus (2 bis 4 kg schwer) können abmontiert und zum Aufladen mitgenommen werden. |
Bild: Vki
Bild: Vki
Bild: Vki
Bild: Vki

Testkriterien

Bei den Testobjekten handelt es sich um insgesamt acht elektromotorisch unterstützte Fahrräder mit den derzeit gängigen Antrieben. Drei Räder verfügen über Vorderradnabenmotorantrieb, zwei über Hinterradnabenmotorantrieb und drei über Tretlagermotorantrieb, wirkend auf die Hinterräder. 

Fahrverhalten, Komponenten: 6 Personen beurteilten anhand umfangreicher Fragebögen das Fahrverhaltenden, den Komfort, die Bremsen und die Schaltung der Räder nach Testfahrten über unterschiedliche Strecken (asphaltierte Straße, befestigte Wege, Steigungen, Gefälle).

Akkuleistung: Bei diesen Fahrten wurde die Leistungsfähigkeit der Akkus und die Reichweite mit einer Ladung ermittelt. Es wurden mehrere Fahrten durchgeführt und der Mittelwert der Reichweiten in den verschiedenen Leistungsstufen bewertet. Insgesamt wurden ca. 3.000 km gefahren (350 – 400 km pro Rad).

Bedienungsanleitung: Von einem Experten wurden die Bedienungsanleitungen hinsichtlich der Bedienung der Steuereinheit und des Antriebs beurteilt.

Anbieter

Flyer: Bike & Sports Handels GmbH
Reitern 12
A-4822 Bad Goisern
06135 64 09
www.panchowheels.at

Genesis: Intersport Austria GmbH
Flugplatzstraße 10
A-4600 Wels
07242 233-0
www.genesisbikes.at

Gepida: EHS Export & HandelsgesmbH
Bahnhofstraße 46
A-4600 Wels
07242 20 63 60
www.ehs.at

Giant: Klocker KEG
Giant Österreich
Fiecht Au 30a
A-6134 Vomp
0664 407 01 25
www.giant-bicycles.com

Kettler Austria GmbH
Ginzkeyplatz 10
A-5020 Salzburg
0662 62 05 01-0
www.kettler.at

KTM Fahrrad GmbH
Harlochner Straße 13
A-5230 Mattighofen
07742 40 91-0
www.ktm-bikes.at

Matra Sports: Funbike GmbH
Halleiner Landesstraße 116
A-5412 Puch bei Hallein
06245 707 07-0
www.funbike.at

Schachner GmbH
Gewerbepark Pölla 6
A-3353 Seitenstetten
07477 429 73
www.elektrobikes.com

Leserreaktionen

Schwachsinn

Elektrofahrräder sind ökologisch- ökonomischer Schwachsinn. Wenn ich die Ressourcen berücksichtige, die allein schon für die Herstellung dieser komplexen hybriden Produkte verbraucht werden, dann noch der Energieverbrauch für das regelmäßige Aufladen der Akkus, die außerdem nach 500 bis 700 Ladezyklen, wie Sie schreiben, neu angeschafft und auch wieder entsorgt werden müssen ... und das, um eine gesundheitsfördernde Tätigkeit wie das pure Radfahren zu minimieren!

Für mich ein wunderbares Beispiel für ein Produkt, das zwar den herstellenden Unternehmen finanziell gut tut, dem Konsumenten aber so nützt wie das Fitnesscenter dem Holzfäller.

Mag. Walter Stach
Wien
(aus Konsument 8/2010)

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