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Reisebüros - Urlaub um jeden Preis?

Wie informieren Reisebüros über das Terror-Risiko in der Türkei
und über das Korallensterben auf den Malediven?
Unsere Mitarbeiterin ließ sich beraten.
Was wissen Angestellte in Reisebüros über die Sicherheitslage in der Türkei zu sagen? Das sollte ich wenige Tage vor der Verkündung des Todesurteils gegen Kurdenführer Öcalan herausfinden. Weiters wollte ich erkunden, ob Reisebüros vom Tauchen auf den Malediven wegen des Korallensterbens abraten („Konsument“ 6/99). Gleich vorweg: Das Ergebnis war nicht gerade überzeugend. Das erste Büro in Wien handelt überwiegend mit Restplätzen. Die zwei jungen Mädchen an der Rezeption schauen mich erwartungsvoll an, als ich mich mit sorgenvoller Miene nach einem Badeurlaub in der Türkei erkundige. „Da besteht überhaupt keine Gefahr, die Clubs sind absolut sicher, Sie dürfen halt nicht in die Slums.“ Auf meinen Einwurf, dass Terroranschläge von Seiten der PKK bei einem Todesurteil für Öcalan angedroht worden sind, versucht mich die junge Dame freundlich lächelnd zu beruhigen: „Wenn Sie in New York sind, können Sie auch jederzeit abgeschossen werden. Außerdem ist das wie mit Slowenien und dem Kosovo, es handelt sich bei der Türkei schließlich um ein eigenständiges Land.“ Diesen Vergleich kapiere ich nicht, doch bevor ich fragen kann, hat sie mich schon an eine Kollegin verwiesen, die mir einen Reiseprospekt von Magic Life inklusive 10.000-Schilling-Gutschein in die Hand drückt.

Verdutzt mache ich mich zum nächsten Reisebüro auf. Zwar wird das Sicherheitsrisiko angesprochen, aber gleichzeitig stark verharmlost. „Wenn bis zur Verhandlung alles ruhig bleibt, ist wohl nichts mehr zu befürchten. Schließlich ist es kein Krisengebiet wie der Kosovo. Es kommt auch immer auf den Einzelnen an“, erklärt mir die junge Frau. „Sind Sie ein ängstlicher Typ, dann lassen Sie es sein, aber sonst… Ich fahre selber im August hin.“ Als Angsthase möchte ich nicht dastehen und beeile mich daher einzuwerfen, dass ja schließlich überall etwas passieren könnte.

Als ich sie auf das Tauchen auf den Malediven und das Korallensterben anspreche, fällt die Antwort viel differenzierter aus. „Die nächsten drei bis fünf Jahre können Sie vergessen. Erst ab zehn Meter sind die Korallen wieder bunt. Für Schnorchler also nicht geeignet“, sagt sie bestimmt. „Allerdings reichen manchen Menschen ja bunte Fische“, wirft die junge Frau verschmitzt lächelnd ein. Irritiert bedanke ich mich und steuere mein nächstes Ziel an.

Auch hier sind die Auskünfte zur Türkei eher ungenau. „Eine Garantie kann ich Ihnen nicht geben, aber bleiben Sie in den Clubs, da passiert sicher nichts. Die würden sich ja sonst die ganze Wirtschaft zusammenhauen“, betont die Verkäuferin. Sie überschüttet mich mit Werbematerial. Ganz geheuer scheint ihr die Sache dann doch nicht zu sein. „Kleine Hotels würde ich meiden, und gehen Sie nicht aus den Clubs hinaus“, betont sie noch einmal. Als ich sie auf den Widerspruch anspreche, wiegelt sie sofort ab. „Ist nur eine reine Vorsichtsmaßnahme.“ Auf die Malediven angesprochen, antwortet sie mit „keine Ahnung“ und verspricht, sich telefonisch zu erkundigen.

Auch im vierten Bezirk das gleiche Spiel. Die sehr junge Angestellte schaut mich verständnislos an, als ich über meine Türkei-Angst spreche. „Kollegen von mir waren in diesem Jahr dort. Zwar kann ich keine Garantie geben, aber abraten würde ich auf keinen Fall, es sei denn, Sie sind ängstlich“, sagt sie. Natürlich bin ich das nicht, trotzdem hake ich noch drei Mal nach, bekomme aber immer die gleiche Antwort. „Passieren kann überall etwas.“ Auch über die Malediven erfahre ich Erstaunliches: „Die regenerieren sich schon wieder, Sie können ruhig hinfahren.“ Jetzt schaue ich wirklich verblüfft, und mir kommen langsam Zweifel, wer von uns beiden mehr Ahnung hat.

Endlich gut informiert

Der Sinn von Reisebüros erscheint mir inzwischen nicht mehr so klar, und leicht aufgelöst betrete ich das nächste Lokal. Die Dame kommt gleich zur Sache und klärt mich offen und umfassend auf. „Das Risiko ist ohne Zweifel vorhanden, auch wenn es im Moment ruhig ist, können jederzeit Unruhen ausbrechen. Ich persönlich würde fahren, mein Mann und meine Freunde sicher nicht.“ Auch ist sie die erste, die mich auf die Stornierungsproblematik hinweist: „So lange wir vom Außenministerium keinen ausdrücklichen Bescheid bekommen haben, müssen Sie bei einem Storno zahlen. Ich würde mir daher einen Urlaub in der Türkei gut überlegen, obwohl es ein wunderschönes Land ist.“ Von einem Tauchurlaub auf den Malediven rät mir ihre Kollegin völlig ab. „Da ist alles kaputt, und das wird auch auf Jahre so bleiben.“
Ich bin positiv überrascht, so habe ich mir eigentlich eine gute und ehrliche Beratung vorgestellt.

Die weitere Recherche führt mich in eine niederösterreichische Kleinstadt. Vier Reisebüros möchte ich dort aufsuchen und bin gespannt, ob auch dort so vorsichtig mit Informationen umgegangen wird. Die Verkäuferin des in der Fußgängerzone gelegenen Reisebüros schaut mich ziemlich genervt an, als ich nach der Türkei frage. „Das muss jeder selbst wissen“, erklärt sie mir barsch. „Ich kann Ihnen auch nicht mehr dazu sagen, weil wir schließlich nicht in die Zukunft schauen können.“ Bezüglich der Malediven verweist sie mich an eine Taucherschule. Eine freundliche und qualitative Beratung stelle ich mir anders vor. „Es muss Ihnen klar sein, dass etwas passieren könnte. Geld bekommen Sie erst zurück, wenn ein Anschlag stattgefunden hat, deswegen ist eine Reise in die Türkei im Augenblick eine Sache, die man sich gut überlegen sollte“, betont die wesentlich kommunikativere Dame im zweiten Lokal. Auch einem Tauchgang auf den Malediven steht sie skeptisch gegenüber: „Es ist Realität, dass die Korallen sterben.“

Beim vorletzten Reisebüro werden meine Erwartungen als Konsumentin voll erfüllt. Ruhig und informativ verweist die Angestellte auf Vor- und Nachteile der von mir gewählten Urlaubsorte. „Die Türkei ist ein herrliches Land, aber wenn es knallt, dann in den Touristikzentren, da es dort am effektivsten ist. Man kann nicht in die Menschen hineinschauen, der Fanatismus Einzelner ist unberechenbar. Ich persönlich würde nicht hinfahren, aber letztendlich müssen Sie entscheiden, wie risikofreudig Sie sind.“ Auch die Malediven werden sehr offen behandelt. „Erfahrene Taucher werden enttäuscht sein, weil vieles einfach nicht mehr vorhanden ist. Viele Veranstalter bestreiten das, aber die wollen nur ihre Reisen verkaufen.“

Häufig wird abgewiegelt

Als ich mich erwartungsfroh bei der zweiten Filiale des gleichen Reisebüros informieren will, bekomme ich gleich eine kalte Dusche verpasst. „Es ist doch alles total ruhig, in den Clubs besteht doch sowieso überhaupt keine Gefahr“, versichert mir die junge Dame. „Allerdings, Kinder würde ich nur in geschützte Anlagen mitnehmen, halten Sie sich außerhalb auf, reisen Sie lieber alleine.“ Damit widerspricht sie sich eigentlich selber. Als ich die Verkäuferin darauf aufmerksam mache, wiegelt sie ab. „Das ist nur so ein Gefühl mit den Kindern, kann ich nicht so genau erklären.“ Das Malediven-Problem findet sie ebenfalls nicht so Besorgnis erregend: „Wir haben erst eine Gruppe runtergeschickt, Beschwerden gab es bisher keine.“

Fazit: Von neun besuchten Reisebüros haben nur drei umfassend und offen auf mögliche Risiken und offensichtliche Missstände hingewiesen. Bei den anderen ließen fachliche Kompetenz und Informationsbereitschaft zu wünschen übrig. Für Konsumenten, die auf die Kenntnisse der professionellen Reiseberater vertrauen, könnte der Urlaub alles andere als traumhaft verlaufen.

Gesetzliche Informationspflicht

Dr. Thomas Wolf,
Geschäftsführer des Fachverbandes der österreichischen Reisebüros:

„Wir benachrichtigen die einzelnen Reisebüros umgehend, wenn uns die offizielle Stelle des Außenamts über etwaige Sicherheitsrisiken des betreffendes Landes informiert. Auf Grund der gesetzlichen Ausübungsvorschriften ist jedes Reisebüro dazu verpflichtet, Konsumenten ausführlich zu informieren.
Allerdings können politische Ereignisse, wie der Öcalan-Fall, über die in den Medien bereits seit Wochen berichtet wird, als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Außerdem kann man ein generelles Lebensrisiko, natürlich auch auf Reisen, nicht ausschließen.“

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