Zum Inhalt

Spielen - Einfach abschalten

Auch im Zeitalter von Gameboy, Playstation und Computerspielen sind Brettspiele nicht völlig out, wie die Aktivitäten rund um den „Spiele Kreis Wien“ zeigen.

Für Martina N. gibt es alle drei Wochen zwei Fixtermine: Jeweils am Dienstag und Donnerstag treffen einander nämlich die Aktiven vom „Spiele Kreis Wien“ zu ihren regelmäßigen Spielabenden. Martina N. versäumt nur ungern eine solche Gelegenheit. Für sie gehören – wie für viele andere der 300 Mitglieder und rund 40 bis 50 regelmäßig Aktiven des Spielekreises – Brett- und Gesellschaftsspiele zu den wichtigsten Freizeitrequisiten.

Wer mit dem Spielekreis – dessen eingetragene Bezeichnung „Spiele Kreis Wien“ aus einem Missverständnis bei der Festlegung im Vereinsbüro stammt – in Kontakt kommt, stößt bald auf den Namen Ferdinand de Cassan. Er und seine Frau Dagmar sind „Pate“ und „Seele“ dieser Idee, die dazu geführt hat, dass für eine Runde von Menschen Brett- und Gesellschaftsspiele mehr als ein fallweise ausgeübtes Hobby geworden sind.

Größte Spielesammlung

Schon in seiner Jugend begann de Cassan Spiele zu sammeln. Die Trennung von seiner damaligen Freundin halbierte seinen Spieleschatz und festigte in ihm den Wunsch, eine ganz persönliche Spielesammlung anzulegen. In den frühen siebziger Jahren besaß er bereits eine stattliche Anzahl von Spielen und veranstaltete mit seiner Frau Dagmar und Freunden zu Hause Spielabende. Heute besitzt de Cassan die unglaubliche Zahl von 10.847 verschiedenen Spielen aus aller Welt, wobei deutschsprachige Exemplare und solche aus dem englischen und amerikanischen Raum den Hauptteil bilden. Längst ist de Cassans Spielesammlung, die in seinem Anwesen im Marchfeld, wo er hauptberuflich eine Gärtnerei mit Rosenzucht betreibt, einen ansehnlichen Teil des Hauses einnimmt, zur umfangreichsten Sammlung Österreichs, ja wahrscheinlich sogar Europas geworden. Die de Cassans nehmen es mit den Spielen ganz genau – jedes Spiel ist computermäßig erfasst, katalogisiert und über Internet abrufbar, viele von ihnen sind nach bestimmten Kriterien geordnet. Für diese Arbeit sorgt Dagmar de Cassan, die die Spielleidenschaft ebenso gepackt hat wie ihren Mann.

Spielen im Verein

Zurück zum Spielekreis: Aus der kleinen Gruppe begeisterter Spieler im privaten Kreis wurde mehr, und damit entstand auch die Notwendigkeit, aus den privaten vier Wänden in ein Kaffeehaus zu übersiedeln. Somit war der Grundstein für den heutigen Verein gelegt. Das war im Jahre 1984. Man traf sich in der Folge im 3-Wochen-Rhythmus zum Spielen. De Cassan brachte jeweils Spiele mit – und tut dies auch heute noch –, wobei besonders beliebte immer wieder gespielt und neue erprobt wurden.

Der Spielekreis wuchs. Auch der Treffpunkt wurde wiederholt geändert. „Wir haben eine lange Reihe von Kaffeehäusern durchgeackert, bevor wir an unserem vorläufig letzten Treffpunkt, dem Café Wilhelmshof (Wien 3, Erdbergstraße 27) anlangten“, erinnern sich die de Cassans. „Unsere Bedürfnisse sind ja nicht so bescheiden: Wir benötigen relativ viel Platz und große Tische, an denen unsere Mitglieder gemeinsam einige Stunden lang spielen können.“

Ein gesellschaftliches Ereignis

Heute zählt der „Spiele Kreis Wien“ 300 Mitglieder, die jährlich je 385 Schilling Mitgliedsbeitrag bezahlen, was gerade die monatlich erscheinende und in Eigenregie produzierte Clubzeitung finanziert. 15 bis 40 Aktive erscheinen zu den Spielabenden, die jeweils dienstags und donnerstags – und das alle drei Wochen – stattfinden.

„Häufigere Treffen befürworte ich nicht“, so Organisator de Cassan, „denn die Einhaltung der Spieltermine soll Spaß machen, und viele unserer Mitspieler haben auch zahlreiche andere Verpflichtungen.“

Wie in den Anfangstagen, als der „Spiele Kreis Wien“ noch die einzige derartige Gruppierung in Österreich war, schleppt das Ehepaar de Cassan an den Clubtagen rund 100 Spiele herbei: neue Spiele, gute alte Bekannte, Spiele, die das letzte Mal nicht zu Ende gespielt werden konnten, besondere Wünsche der Mitglieder.

Am Abend unseres Besuches im Spieleclub beschäftigten sich vier Spieler gerade mit jenem Spiel, das am Tag zuvor zum „Spiel des Jahres 1999“ im deutschsprachigen Raum gekürt worden war: „Tikal“ von Ravensburger – ein Strategiespiel, bei dem sich die Spieler als Expeditionsleiter mit einem dazugehörigen Team durch den dichten Urwald schlagen müssen, um Maya-Tempel freizulegen und Schätze zu heben. Das Urteil der Mitspieler im Spielkreis nach Absolvierung der rund zweistündigen „Profiversion“ des Spieles: interessant, lustig und spielenswert.

An einem anderen Tisch delektieren sich drei junge Männer an einem Kartenspiel, das sie selbst mitgebracht haben. Es handelt sich um besonders gestaltete Karten, die bei Kartenliebhabern als Sammelobjekte gelten. An diesem Abend wird gerade eine Serie von witzigen Figuren aus dem Wilden Westen für ein pokerartiges Spiel (aber ohne Geldeinsatz!) verwendet.

Praxistest für Spiele

Was früher als kleine Privatrunde begann, ist heute auch in der Fachwelt längst zu einer anerkannten Größe geworden. Als Spielpromoter und Beurteiler von Spielen erhält de Cassan von allen Spielerzeugern automatisch und kostenlos die neuesten Kreationen auf dem Spielemarkt. Und die Beurteilungen der Mitglieder des Spielekreises, die man in der jeweils nach der Spielekreis-Clubwoche erscheinenden Zeitung „win“ nachlesen kann, werden von Fachleuten ernst genommen. Jährlich kommen rund 300 neue Spiele auf den Markt, der größte Teil von ihnen ist laut Ferdinand de Cassan „verwendbarer Durchschnitt“. Nur ca. alle 5 bis 10 Jahre gibt es einen wirklichen „Kometen“ unter den Spielen, meinen die Spieler des Spielekreises. Sie sind freilich im Laufe der Zeit auf Grund ihrer Erfahrungen zu kritischen Spielbeurteilern geworden, die auch eine gestohlene Idee auf Anhieb erkennen. „Viele Spiele sind heute mehr oder weniger gute Neuauflagen altbekannter Spiele“, so de Cassan. Andererseits ist aber nicht jedes Spiel zu jeder Zeit brauchbar. So gab es in der Vergangenheit überaus gute Spiele, die man heute wohl kaum mehr spielen würde. Auch bestimmte Trends können ausgenommen werden. Interaktive Rollenspiele waren der Hit der siebziger Jahre, Quizspiele á la Trivial Pursuit der Renner der Achtziger. De Cassan sammelt allerdings auch Spiele, die er als weniger gut klassifiziert, und ist vor allem an Secondhand-Stücken und exotischen Spielen interessiert.

Das Fest der Spiele

Das Spielefest, das alljährlich im Austria Center Wien im November veranstaltet wird (diesjähriger Termin: 19. bis 21. November) wäre undenkbar ohne die Mitarbeit des Spielekreises, dessen Mitglieder dort in der Spielothek ehrenamtlich Dienst machen und Interessierten Spiele zeigen und erklären.

Die Aktivitäten des Spielekreises gehen noch darüber hinaus. Es werden Kontakte zu anderen Gruppierungen in Österreich aufrechterhalten „Andere Spielkreise stehen zwar in keinem Zusammenhang mit uns, aber wer gerne spielt, ist willkommen“ (de Cassan). Man pflegt Kontakte zu deutschen Spielgruppen und besucht einschlägige Messen in Österreich und Deutschland. Und man trifft sich natürlich auch, über den Spielekreis hinaus, in kleinen Gruppen zum Spielen.

Für Martina N. hat der „Spiele Kreis Wien“ das Leben im wahrsten Sinne von Grund auf beeinflusst. Als Studentin ging sie mit einem Kollegen hin, weil ihr Brettspiele sehr ans Herz gewachsen waren. Dort lernte sie ihren späteren Mann kennen. Obwohl die beiden zwei kleine Töchter haben und außerdem berufstätig sind, versäumen sie auch heute nur ungern – und selten – einen Spielekreis-Termin. Kein Wunder, wenn auch die beiden Kleinen bereits das Spielfieber gepackt hat.

Spielen

×
Brettspiele Stapel
Brettspiele Stapel Beim Clubabend stehen an die 100 Spiele zur Auswahl. |
Brettspiel Menschen
Brettspiel Menschen Die Mitglieder treffen einander alle drei Wochen. Dann werden Neuerscheinungen getestet, Evergreens wieder einmal gespielt und Extrawünsche erfüllt. |
Vereinsblatt Win Brettspiele
Vereinsblatt Win Brettspiele Eine Fundgrube für Spielefreaks: „Win“ –  das Vereinsblatt mit Spielrezensionen. |
Brettspiele Stapel
Brettspiel Menschen
Vereinsblatt Win Brettspiele

Kontakadresse

„Spiele Kreis Wien“
Clublokal Café Wilhelmshof
Erdbergstraße 27, 1030 Wien

Treffen jeweils alle drei Wochen am Dienstag und Donnerstag.

Internet-Adresse: win.spielen.at, E-mail-Adresse: office@spielen.at

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang