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Abfertigung neu - Nicht hetzen lassen

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Allerorts herrscht Jubel über die Abfertigung neu, die jetzt in Kraft tritt. Doch besonders Arbeitnehmer sollten auch hier auf das „Kleingedruckte“ achten.

Abfertigung für alle“ bedeutet: Auch bei Selbstkündigung durch den Arbeitnehmer, Entlassung oder frühzeitiger Arbeitgeberkündigung gehen einmal erworbene Ansprüche nicht mehr verloren. Statt im Fall des Falles eine Abfertigung auszuzahlen, überweisen Arbeitgeber nun monatliche Beiträge an externe Mitarbeitervorsorgekassen (MVKs), die die einzelnen Summen für die Anspruchsberechtigten verwalten. Dies alles gilt für Dienstverhältnisse, die nach dem 1. 1. 2003 begonnen werden. Allerdings sind einige Gruppen von Erwerbstätigen ausgeschlossen: Freie Dienstnehmer, Neue Selbstständige, Werkvertragsnehmer und andere Menschen mit so genannten „prekären“ Arbeitsverhältnissen sowie natürlich „echte“ Unternehmer.

Knackpunkt „alte“ Dienstverträge

Eine der spannendsten Fragen wird sein, was mit bereits bestehenden Dienstverhältnissen passiert. Grundsätzlich unterliegen diese auch weiterhin dem alten Recht, also Abfertigung bei Kündigung durch den Arbeitgeber frühestens nach drei Jahren (zwei Monatsgehälter), bis maximal 12 Gehälter nach 25 Dienstjahren. Diese Ansprüche laufen auch nach 2003 weiter wie gehabt. Der Gesetzgeber hat jedoch vorgesehen, dass Arbeitnehmer ganz oder teilweise auf das neue Modell umsteigen können. Beim Vollumstieg werden die bisherigen Abfertigungsansprüche gänzlich oder teilweise an eine MVK übertragen und auch einbezahlt. Bei Teilumstieg werden die Abfertigungsansprüche, die bis 31. 12. 2002 angefallen sind, „eingefroren“ und bleiben zu den alten Bedingungen erhalten, ab 1. 1. 2003 gilt das neue Abfertigungssystem. Es heißt hier „Können, nicht müssen“: Niemand darf dazu gezwungen werden.

Verlust von Ansprüchen möglich

Beim Umstieg lauern mehrere Fallen. Für Arbeitnehmer, die bei ihrem jetzigen Arbeitgeber bereits einen Abfertigungsanspruch erworben haben, bringt das neue System auf jeden Fall Nachteile, weil es im neuen System nicht mehr so hohe Abfertigungen geben wird. Und werden die alten Abfertigungsansprüche auf die MVK übertragen, ist der Betrag, der tatsächlich übertragen wird, frei vereinbar. Praktisches Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit 10 Dienstjahren hat Anspruch auf vier Monatsentgelte Abfertigung. Aber ein Arbeitgeber könnte mit dem Arbeitnehmer ausmachen, dass nur zwei Entgelte in die MVK übertragen werden. Den Rest „schenkt“ der Arbeitnehmer dem Chef – natürlich nicht freiwillig. Wie viel bei Umstieg ins neue System von den Ansprüchen wirklich übertragen wird, wird wohl in den Betrieben hart verhandelt werden müssen. Es gibt natürlich noch keine Gerichtsurteile dazu, aber ein Übertrag von weniger als 50 Prozent wird von Experten als sittenwidrig erachtet. Manche Kollektivverträge sehen bei Abfertigungen eine Besserstellung gegenüber dem Gesetz vor. Auch diese Abfertigungen waren bisher steuerlich begünstigt. Damit ist nun leider Schluss. Prinzipiell kann der Umstieg für Arbeitnehmer in steuerlicher Hinsicht eine Verschlechterung bedeuten. Des einen Leid, des andern Freud: Möglicherweise schauen beim Umstieg der gesamten Belegschaft Steuervorteile für den Betrieb heraus.

Drohender Druck auf Arbeitnehmer

Alle diese Faktoren könnten dazu führen, dass mehr oder minder starker Druck ausgeübt wird, ins neue System zu wechseln. Hier klafft eine Lücke im Arbeitsrecht. Wenn ein Arbeitnehmer gekündigt wird, weil er zum Beispiel seine nicht bezahlten Überstunden eingeklagt hat, kann diese Kündigung erfolgreich vor dem Arbeitsgericht angefochten werden, nämlich wegen „verpöntem Motiv“. Doch leider gibt es in Zusammenhang mit dem erzwungenen Umstieg auf die Abfertigung neu dieses „verpönte Motiv“ nicht.

Natürlich ist es auch nicht sinnvoll, wenn Arbeitnehmer von sich aus an den Arbeitgeber herantreten und um Umstieg ersuchen, weil sie schon länger daran denken, die Firma zu verlassen und sich ihre Abfertigung sichern wollen. Der Chef wird vermutlich den Braten riechen und einem Übertritt gar nicht oder nur zu sehr ungünstigen Bedingungen zustimmen, so dass nur ein geringer Teil der Abfertigunsansprüche übertragen wird. Im Extremfall könnte er sogar versuchen, dem Mitarbeiter eine „Fristlose“ anzuhängen, um Kosten zu sparen.

Bei Umstiegsangeboten Gewerkschaft oder Arbeiterkammer fragen

Jedenfalls muss der Dienstgeber mit jedem Arbeitnehmer eine gesonderte Übertrittsvereinbarung abschließen. Gewerkschaften und Arbeiterkammern rufen eindringlich dazu auf, bei Umstiegsangeboten ihren Rat einzuholen, ehe man etwas unterschreibt. Vor allem steuerliche Auswirkungen müssen individuell berechnet werden.

Nicht drängen lassen

Auch drängen lassen sollte man sich nicht. Vereinbarungen können frühestens ab 1.1.2003 abgeschlossen werden. Die Frist dafür läuft bis 31.12.2012.

Bis Ende 2002 sollte eine Mitarbeitervorsorgekasse ausgewählt sein. Das kann der Chef nicht allein. Entweder schließt er dazu mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung ab. Wo kein Betriebsrat existiert, haben die Arbeitnehmer ein qualifiziertes Einspruchsrecht, das heißt, mindestens ein Drittel der Belegschaft muss gegen die MVK Einwände erheben, dann ist das Begehr nach einer anderen Kasse zu erfüllen.

Bei Redaktionsschluss war der Markt der Mitarbeitervorsorgekassen noch stürmisch in Bewegung, daher können wir  seriöserweise noch keine Tabelle dazu bringen.

Nicht zu viel erwarten

Einen ausgezeichneten, laufend aktualisierten Überblick sowie rechtlichen Rat bietet die Homepage der Gewerkschaft der Privatangestellten: www.gpa.at. Hier kann man sich auch über die Veranlagungskriterien der Institute kundig machen. Einige wollen die Veranlagung der Gelder nach ethischen Kriterien durchführen, also keine Aktien zum Beispiel von Waffenerzeugern oder Betrieben, die indische Kinder zu Hungerlöhnen beschäftigen. Das klingt gut, muss aber im Vertrag genau definiert sein! Auch ist darauf zu achten, wie die Einhaltung diese Vorgaben kontrolliert wird: nur per Weisung an den Fondsmanager oder durch eine Überwachung durch externe Prüfer. Das große Geld sollte man sich von den MVKs nicht erwarten. Sie sind den Schwankungen des Kapitalmarktes unterworfen. Derzeit kolportierte jährliche Renditen von 6 Prozent sind wohl zu optimistisch. Die Probleme bei den Pensionskassen zur betrieblichen Altersvorsorge sind hier ein mahnendes Beispiel.

Seit 1990 gibt es in Österreich Pensionskassen. Vor allem Großunternehmen haben hier Beiträge für ihre Arbeitnehmer angelegt, um ihnen zu Zusatzpensionen zu verhelfen („2. Säule der Pensionsvorsorge“). Jetzt jedoch sind die Renditen eingebrochen. Betroffene, besonders im pensionsnahen Alter, plagt die berechtige Sorge, dass ihre Zusatzpension wesentlich niedriger ausfallen wird als vorgesehen.

Das Debakel hat mehrere Gründe. Die Finanzmarktaufsicht verlangte, dass die Sterbetafeln, nach denen die Zusatzpensionen berechnet werden, an die gestiegene Lebenserwartung angepasst werden.

Und der Börsencrash hat eine Blutspur hinterlassen. Die Verantwortlichen der Kassen kalkulierten damit, jährlich 7,5 Prozent Rendite zu erzielen. Dieses Ziel ist allerdings nur zu erreichen, wenn die Pensionskassen das Geld auch in Aktien anlegen (die gesetzliche Höchstgrenze beträgt 50 Prozent). Und damit sind hohe Gewinne wie in den 90er-Jahren möglich, aber auch hohe Verluste. Jetzt haben die Verantwortlichen – Pensionskassen, Arbeitgeber, Arbeitnehmervertreter und Finanzmarktaufsicht – Handlungsbedarf. Eine jährliche Rendite von 7,5 Prozent ist nämlich nicht zu halten.

Selbst können betroffene Arbeitnehmer leider nicht viel tun, außer sich informieren und nach Möglichkeit über den Betriebsrat Druck machen, dass der Arbeitgeber Kapital „nachschießt“.

Dies wird angesichts der finanziellen Situation vieler Unternehmen nur ein frommer Wunsch bleiben.

Diese Entwicklung ist eine Warnung, das oft krankgeredete Umlageverfahren unserer staatlichen Pensionsversicherung ja nicht leichtfertig aufzugeben. Auch das Kapitaldeckungsverfahren hat seine Tücken, wie man sieht.

Das Wichtigste zur Abfertigung neu finden Sie auf der Homepage der Gewerkschaft der Privatangestellten: www.gpa.at

Einen Überblick über die Branche gibt es beim Dachverband der Pensionskassen www.pensionskassen.at

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