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Lebensversicherungen - Düstere Abrechnung

  • Rund 1700 Verträge ausgewertet
  • Performance liegt durchwegs unter den Erwartungen
  • Großes Informationsdefizit

Lebensversicherungs-Aufruf: enormer Rücklauf

Die Reaktion auf unseren Aufruf zum Lebensversicherungs-Check übertraf alle Erwartungen: Rund 1700 Polizzen samt Zusatzinformationen langten bei uns zur kostenlosen Überprüfung ein – und boten gleichzeitig eine ausgezeichnete Grundlage zur Einschätzung dieses nach wie vor boomenden Marktes mit knapp zehn Millionen laufenden Verträgen.

Kunden halfen bei Erhebung

Die teilnehmenden Versicherungskunden, denen an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt sei, trugen damit maßgeblich dazu bei, etwas Licht in das Dunkel dieser an und für sich einfachen Anlageform zu bringen: Man zahlt einmal oder regelmäßig Geld ein, auf dass es sich über viele, viele Jahre und ohne dass man einen Finger krümmen muss vermehre. Wie unser Überprüfung gezeigt hat, ist es damit aber anscheinend doch nicht getan.

Sehr viele offene Fragen

Keine andere Geldanlageform – und schon gar nicht eine, die unter die Bezeichnung „sicher“ fällt – lässt so viele Fragen offen wie die Lebensversicherung. Das beginnt bei der Gestaltung des Produkts selbst und reicht von den anfallenden Kosten über die Art der Gewinnzuteilung bis hin zum tatsächlichen Ertrag.

Undurchsichtige Gewinnbeteiligung

Ein Schwerpunkt der Aktion war die kostenlose Berechnung der aktuellen Performance-Werte für jede eingesandte Polizze. Und hier bestätigte sich, was in Beratungsgesprächen und Anrufen von Konsumenten zuletzt immer häufiger Thema war: Die Schere zwischen dem, was versprochen wurde, und dem, was letztlich an Gewinnbeteiligung ausbezahlt wird, ist besonders in den vergangenen Jahren immer weiter auseinander gegangen.

Als Erklärung dafür werden von den Versicherern vor allem die Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt herangezogen. So wurden manchen Neukunden um 1995 noch 8 Prozent Gesamtverzinsung in Aussicht gestellt; tatsächlich sind es heute höchstens 4 bis 4,5 Prozent.

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  • Downloads: Welcher Lebensversicherungs-Anbieter welche Erträge erwirtschaftete, finden Sie in DOWNLOADS (Lebensversicherungen: Performance 6/2006). Sie finden folgende Anbieter im Vergleich: NÖ-Versicherung
    BAWAG
    ÖBV
    Uniqua
    Wiener Städtische
    Allianz, Generali
    Grazer Wechselseitige
    BA-CA-Versicherung/Union
  • Kommentar :  "Konsument"-Redakteurin Veronika Kaiser über große Versprechen und mickrige Erträge
  • " Geldanlage im Vergleich " nennt Erträge von Sparbuch, Erlebensversicherung und Rentenfonds".

 

Sehr unklare Gewinnbeteiligung

Das stößt vielen Versicherten besonders dann ziemlich sauer auf, wenn die Versicherungsunternehmen alljährlich ihre Jahresgewinne bekannt geben. So mancher Versicherte nimmt die erfreulichen Zahlen erstmals zum Anlass, um über die eigene, deutlich weniger erfreuliche Gewinnbeteiligung zu grübeln. Schließlich findet sich in vielen Vertragsunterlagen ja sogar der Hinweis, dass die „Gewinnerträge vom Geschäftserfolg des Unternehmens abhängig sind“. Das stimmt aber so nicht ganz. Genau betrachtet nimmt der Versicherte lediglich am Überschuss des Gewinnverbandes seines Vertrags teil. Von diesem Veranlagungsgewinn ist laut Versicherungsaufsichtsgesetz
ein „angemessener“ Teil an die Versicherten auszuschütten – in der Praxis üblicherweise rund 85 Prozent –, der Rest verbleibt dem Versicherer als Gewinn.

Finanzmarktaufsicht fordert mehr Transparenz

Doch: Ist dem tatsächlich so, und wie kann ich das überprüfen, fragt sich der Versicherte. Und er ist damit in guter Gesellschaft: Auch die Finanzmarktaufsicht (FMA), das oberste Kontrollorgan der heimischen Banken und Versicherer, fordert mittlerweile mehr Klarheit und Nachvollziehbarkeit dabei, wie die Gewinnbeteiligung zu Stande kommt und welcher Anteil tatsächlich ausbezahlt wird.

Ziel: Klare Regel für Gewinnauszahlung

Im Herbst 2006 soll daher gemeinsam mit der Versicherungswirtschaft ein Verordnungsentwurf erarbeitet werden, der klar regelt, welchen Anteil am Gewinn der jeweilige Versicherer an seine Kunden auszuzahlen hat. Weiters sollen die Versicherten in Hinkunft nicht nur darüber informiert werden, wie hoch die tatsächliche Gewinnbeteiligung ist, sondern auch darüber, wie diese zu Stande kam.

Erträge deutlich unter den Versprechungen

Faktum ist, dass der Ertrag der meisten Verträge deutlich unter dem liegt, was bei Vertragsabschluss in Aussicht gestellt wurde. Im Vergleich mit den ebenfalls relativ sicheren Rentenfonds schneiden die Lebensversicherungen sogar ziemlich mager ab und nur geringfügig besser als die viel kürzer gebundenen Sparbücher.

Hohe Unterschiede in der Performance

Vergleicht man die einzelnen Versicherungsprodukte miteinander, zeigt sich, dass es bei ähnlichen Verträgen doch deutliche Unterschiede in der Performance geben kann. Eine direkte Gegenüberstellung der einzelnen Anbieter war bei diesem Check allerdings trotz der vielen Einsendungen nur begrenzt möglich. Denn anders als bei unseren sonstigen Tests, wo alle Anbieter mit völlig identischen Ausgangsbedingungen konfrontiert werden, gab es bei den eingesandten Versicherungsverträgen oft Unterschiede hinsichtlich Abschlusszeitpunkt, Alter bei Vertragsabschluss, Laufzeit oder Zusätzen. Eine generelle Aussage, ob bestimmte Versicherer durchgehend bessere oder schlechtere Performancewerte aufweisen, ist daher nicht möglich.

Kosten machen den Unterschied

Wir können Ihnen aber anhand eines eng eingegrenzten Beispiels eine Orientierung über die aktuelle Performance von Verträgen und mögliche Unterschiede bieten. Grundlage hierfür waren Verträge, die zwischen 1991 und 1994 abgeschlossen wurden und noch eine Restlaufzeit von fünf bis acht Jahren haben.

Obwohl hier gleiche Voraussetzungen gegeben waren (Mann, gleicher Abschlusszeitpunkt, gleiches Abschlussalter, gleiche Laufzeit, Prämie für Risikoschutz), reicht die Bandbreite von knapp unter 2 bis über 4 Prozent. Das sind – auf die meist relativ hohen Beiträge bei Lebensversicherungen umgemünzt – einige hundert Euro Unterschied pro Jahr! Da die Ausgangsbedingungen praktisch gleich waren, sind die Differenzen hauptsäch-lich auf die unterschiedliche Kostenbelastung und den Veranlagungserfolg zurückzuführen.

Düster: Kostenbelastung

Wie und ob das Geld erfolgreich veranlagt wurde, war für die Versicherten bislang überhaupt nicht nachvollziehbar, da von den Assekuranzen dazu keine Informationen ausgegeben wurden. Ähnlich düster sieht es bei der Kostenbelastung aus. Wie die Beispiele in der Tabelle zeigen, liegt aber gerade in diesem Bereich einer der maßgeblichen Knackpunkte für mehr Ertrag.

Kundeninfo: Geheimstufe rot?

Wie die Rückmeldungen zu unserem Lebensversicherungs-Check zeigten, sind viele Versicherte mit dem anscheinend so einfachen, sicheren Produkt Lebensversicherung überfordert. Sie wissen nicht, wie es funktioniert und was zum Beispiel die Kostenbelastung zu Beginn – nicht nur bei vorzeitigem Ausstieg – für den Ertrag bedeutet. Es mangelt also an Informationen zu Kosten und Ertrag und auch zum Produkt selbst.

Mini-Erträge durch teuren Ablebensschutz

Foto: Waldhäusl

Für ältere Versicherungsnehmer
wird der Ablebensschutz oft zur
teuren Falle.

So stellte sich zum Beispiel in vielen Rücksprachen mit Versicherten heraus, dass sie den Ablebensschutz gar nicht gebraucht hätten und über den (vor allem bei älteren Versicherten) hohen Kostenanteil für den Risikoschutz nicht Bescheid gewusst hatten. Zwei drastische Beispiele: Ein 61-jähriger Mann schloss 1995 eine Er- und Ablebensversicherung auf zehn Jahre ab und erzielte damit eine Rendite von 0,28 Prozent pro Jahr; bei einer 64-Jährigen lag die Rendite überhaupt nur noch bei 0,13 Prozent!

Vertrauen in Lebensversicherung stärken

Höchste Zeit für eine Informationsoffensive, denn zweifelsohne ist es auch im Sinne der Versicherungsunternehmen, das Vertrauen in das Produkt Lebensversicherung wieder zu stärken. Noch laufen die Geschäfte prima, aber schlechte Erfahrungen sprechen sich schneller herum als gute. Und auch andere Anbieter haben schöne, teils sogar rentablere Angebote in ihren Bauchläden.

Das können Sie tun

… bei laufenden Verträgen

Durchblick verschaffen: Die meisten Versicherer schicken einmal jährlich ein Informationsschreiben mit der Höhe der aktuellen Gewinnbeteiligung. Nutzen Sie diese Gelegenheit, um detailliertere Informationen einzuholen. Als Vertragspartner des Versicherers haben Sie ein Recht darauf, zu wissen, was mit Ihrem Kapital geschieht. Lassen Sie sich nicht mit ausweichenden Angaben abspeisen. Je mehr Versicherte auf Informationen drängen, desto eher werden die Karten auf den Tisch gelegt werden. Folgende Fragen bieten sich an:

  • Was fließt von meiner Prämie wohin: Kostenanteil – Sparanteil – Risikoanteil? 
  • Welche Kosten fallen an und wie hoch sind sie? 
  • Wie hoch ist die Risikoprämie? 
  • Wie wird im Gewinnverband meines Vertrags der Sparanteil veranlagt: Anteile in Aktien – Anleihen – Fonds – inländische/ausländische Papiere? 
  • Welcher Gewinn ergibt sich daraus? 
  • Wie viel Prozent des gesamten Veranlagungsgewinns werden ausgeschüttet? 
  • Wie hoch ist der Effektivzinssatz meines Vertrags auf das garantierte Kapital und für den aktuellen Wert?

Musterbrief

Sie können Ihren Versicherer um Aufklärung bitten, was das Unternehmen mit Ihrer Prämie macht. Unter DOWNLOADS in der linken Spalte finden Sie dafür einen Musterbrief. Halten Sie uns bitte über Ihre Erfahrungen auf dem Laufenden und lassen Sie uns die Rückmeldungen der Versicherer zukommen. Dann können wir über die – gute oder weniger gute – Informationspolitik der Versicherer berichten.

Durchtauchen: Vertragsänderungen, Rückkauf und Prämienfreistellungen wirken sich meist ungünstig auf den Ertrag aus (mehr dazu finden Sie in „Konsument“ 4/2006).

… bei Verlängerung oder Neuabschluss

Kosten klären: Sie beeinflussen die Performance des Vertrags enorm, daher unbedingt vom Anbieter aufschlüsseln und den Effektivzinssatz errechnen lassen.

Mischprodukte meiden: Vermögensaufbau und Absicherung besser getrennt voneinander abwickeln. Beispiel Er- und Ablebensversicherung: Bei einer kombinierten Polizze wird zwar die Prämie etwas geringer ausfallen, dafür bieten Ihnen aber zwei separate Produkte mehr Anpassungsmöglichkeiten an geänderte Lebensumstände. Zum Beispiel eine eigene Risikoablebensversicherung: Vielleicht fällt der Bedarf an Angehörigenschutz durch eine Scheidung weg oder die Versicherungssumme sollte wegen Familienzuwachs sogar erhöht werden. In jedem Fall schaffen Sie sich mehr Überblick: hier die Produkte zum Ansparen, da der Versicherungsschutz.

Einfache Produkte wählen: Zusätze hier und Ausnahmen da sind meist überflüssig, machen die Prämie teuer und erschweren den Überblick.

Alternativen prüfen: Es muss nicht immer eine Lebensversicherung sein, wenn Sie Ihr Geld langfristig binden wollen. Bei den derzeit mageren Ertragswerten können auch andere Anlageformen mit mehr Flexibilität und kürzerer Bindung mithalten.

Wo sind meine Prämien hin ...?

Auch das hat unsere Überprüfung klar gezeigt: Die Versicherten werden kaum über die Kosten informiert, die in jedem Fall (auch ohne vorzeitigen Ausstieg) anfallen und gewaltig am Ertrag fressen. So war vielen Lebensversicherten nicht bewusst, dass nur ein Teil ihrer Prämie zum Ansparen übrig bleibt.

Foto: Archiv

Was Versicherungskunden
ärgert: In den letzten Jahren
ist die Verzinsung massiv gesunken.

  • Vermittlerprovision: Allein beim Abschluss fallen für Vermittlerprovision und Verwaltungsgebühren 4 bis
    6 Prozent an Kosten an, die direkt von den ersten Prämienzahlungen abgezogen und somit nicht veranlagt werden; das macht bei einer Versicherungssumme von 20.000 Euro immerhin 800 bis 1200 Euro aus.
  • Risikoschutz: Werden Ansparen und Versichern kombiniert, wird natürlich ein Teil der Prämie für den Risikoschutz abgezogen. Da den Versicherungskunden praktisch nie bekannt ist, wie viel, hier zur Veranschaulichung ein Beispiel aus einem aktuellen Angebot für einen 30-jährigen Versicherten, der 20 Jahre lang jährlich 1000 Euro in eine Er- und Ablebensversicherung einzahlt: Von den 1000 Euro werden je nach Versicherer zwischen 780 und 860 Euro als Sparanteil veranlagt; der Rest geht für Kosten und Risikoprämie drauf.
  • Garantieleistung: Auch bei der Garantieleistung zeigen sich die Auswirkungen von Gebühren und Provisionen: Bei einem Versicherer lag die garantierte Leistung nur bei rund 20.100 Euro, bei einem anderen bei fast 21.900 Euro. Bei gleichem Garantiezins und ähnlicher Kalkulation der Risikoprämie bleibt als einzige Erklärung für die fast 9 Prozent Differenz die unterschiedliche Kostenbelastung.

Fairere Vertragsauflösung: Kosten verteilt  

Nach Redaktionsschluss erreichte uns die Meldung, dass es in Zukunft bei vorzeitiger Auflösung einer Lebensversicherung nicht mehr zu so horrenden Kapitalverlusten kommen wird wie bisher. Die Abschlusskosten (Provision und Verwaltungsgebühren) müssen jetzt auf fünf Jahre verteilt werden. In „Konsument“ 7/2006 werden wir diese Gesetzesänderung vorstellen.

Geldanlage im Vergleich

Welche Anlageform bringt höhere Erträge?

Geldanlage im Vergleich: sparbuch, Lebensversicherung, Rentenfonds (Grafik: Auer)

Lebensversicherungen: Kompetent mit Konsument

  • Performance: Lebensversicherungen bringen trotz langer Laufzeit oft eine magere Rendite.
  • Transparenz: Kostenbelastung und Gewinnzuteilung sind nicht nachvollziehbar.
  • Information: Nicht ausreichend. Viele Polizzen entsprechen nicht den Bedürfnissen der Kunden oder enthalten überflüssige Kostenbestandteile.
  • Eignung: Bei klarer Trennung zwischen Vermögensaufbau und Versicherungsschutz kann eine Lebensversicherung für die Altersvorsorge geeignet sein. Voraussetzung: hartnäckiges Einfordern der
    Vorinformation über Kostenbelastung und Effektivzins!

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