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Rechtsanwälte - Zu untreuen Handen

Ein Betrugsfall in Wien zeigt: Das Anwaltliche Treuhandbuch ist nicht so sicher, wie man vermuten würde.

In Wien wurde der Alptraum jedes Wohnungskäufers Wirklichkeit: Der Rechtsanwalt, der den Kauf abgewickelt und das Geld übernommen hatte, veruntreute den gesamten Betrag. Dafür wurde der unredliche Advokat auch verurteilt.

Nun soll das Anwaltliche Elektronische Treuhandbuch verhindern, dass Wohnungskäufer in solchen Fällen finanziellen Schaden erleiden oder ihre Wohnung womöglich ein zweites Mal bezahlen müssen.

Ein zweites Mal bezahlen

Doch genau das passierte. Einen Teil des Schadens hatte die Versicherung der Wiener  Rechtsanwaltskammer ersetzt. Doch die Betroffenen müssen jetzt noch einmal fünfstellige Beträge  – genauer bis zu  90.000 Euro – bezahlen, wenn sie ihre Wohnung tatsächlich erwerben wollen. Für mehrere Betroffene, die ihre gesamten Ersparnisse in das neue Heim investiert hatten, stellt dies eine unzumutbare Härte dar.

Daher fordern sie, dass der Notfallfonds der Rechtsanwaltskammer Wien den gesamten Schaden ihres kriminell gewordenen Mitglieds abdeckt. Diese Forderung fand bisher bei der anwaltlichen Standesvertretung kein Gehör.

Vertrauensschaden

Geringe Absicherung

Die Vertrauensschadenversicherung der Wiener Rechtsanwaltskammer deckt Schäden bis zu acht Millionen Euro zweimal jährlich ab. Pro Schadensfall und Jahr kann der Notfallfonds der Rechtsanwaltskammer weitere 363.000 Euro zur Verfügung stellen. Soweit die Theorie. Die Versicherungssumme ist nicht gerade üppig, bei hohen Schadenssummen ist die 8-Millionen-Grenze bald überschritten.

Was die Rechtsanwaltskammer Wien dazu sagt

Zur Vertrauensschadensversicherung äußerst sich die Rechtsanwaltskammer Wien in ihrer Stellungnahme folgendermaßen: "Schadensbilder, die nicht Gegenstand des Versicherungsvertrages sind, werden im Schadensfall von keinem Versicherer liquidiert." Das klingt, als wäre der Schaden gar nicht durch die Versicherung gedeckt gewesen. Warum die Kammer aber eine offenbar nutzlose Versicherung abschließt, bleibt unerörtert.

Kammereigener Notfallfonds

Ein Schiedsverfahren hat schließlich erreicht, dass die Versicherung einen Teil des Schadens ersetzt. Zum kammereigenen Notfallfonds heißt es: "Da die Zahl der Geschädigten hoch ist, konnte den Geschädigten leider nicht der gesamte Betrag zur Verfügung gestellt werden". Weiters verweist die Kammer darauf, dass immerhin insgesamt 72 Prozent der ursprünglichen Schadenssumme beglichen wurden.

Heiße Kartoffel weitergereicht

Überhaupt sei die Kammer hier die falsche Adresse, denn Schadenersatzansprüche könnten sich nur an den verurteilten Anwalt und seinen Mittäter richten. Deren Durchsetzung obliege dem Rechtsvertreter der Geschädigten und nicht der Rechtsanwaltskammer Wien. Dieser Hinweis geht möglicherweise ins Leere. In solchen Fällen ist bei den Tätern oft nichts mehr zu holen.

Beschränkte Sicherheit

Kammereigene Kontrolle

Die Wiener Anwaltskammer versichert uns jedenfalls, sie sei in dieser Causa keineswegs untätig geblieben. Die kammereigene Kontrolle habe zur Aufdeckung der Malversationen geführt. Weiters habe die Kammer ihr kriminell gewordenes Mitglied zu einem Geständnis veranlasst und hatte Strafanzeige erstattet.

Auch hatte die Kammer bei der kreditgebenden Bank um Zuwarten ersucht und eine Hotline für die Geschädigten eingerichtet. Und durch die Bemühungen der Kammer konnte bisher eine Versteigerung der Wohnungen verhindert werden.

Keine Chance für Härtefälle

Weiteres Geld aus dem Notfallfonds könne man nicht zur Verfügung stellen, weil dies die Kammer-Statuten nicht vorsähen. Eine Sprecherin  der Geschädigten verweist hingegen darauf, dass mehrere Betroffene, darunter auch alleinerziehende Mütter, vor der Delogierung stehen. Auch diese Härtefälle könnten die Kammer nicht dazu bewegen, mehr Geld flüssig zu machen.

Sicherheit des Treuhandbuches ist beschränkt

Über den Einzelfall hinaus ist diese Affäre für alle Konsumenten von Interesse. Denn sie zeigt, dass die Sicherheit des Anwaltlichen Treuhandbuches beschränkt ist. Das bestreitet die Kammer auch gar nicht: "In kammereigenen Aussendungen wurde für das Elektronische Anwaltliche Treuhandbuch immer nur hohe technische Sicherheit zugesagt. Eine 100%ige Garantie wurde von der Rechtsanwaltskammer Wien nie abgegeben und auch für die Zukunft nicht versprochen. Jedes noch so aufwendige Kontrollsystem kann durch hohes technisches Wissen und intensive kriminelle Energie umgangen werden."

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