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Überziehung bei Jugendkonten - Lizenz zum Schuldenmachen?

Kontoeröffnung ohne Sanktus der Eltern - bei Bankomatkassen Überziehung möglich - an Bankomaten und Schaltern nicht auszutricksen

Konto ohne Minus

Ein eigenes Bankkonto für junge Leute zwischen 14 und 19 Jahren ist doch eigentlich eine feine Sache: Es ist meist gratis, und die Jugendlichen können so die Grundzüge des modernen Geldverkehrs verstehen lernen, noch dazu ohne Risiko. Denn selbst wenn die Augen größer sind als der Geldsäckel, kann das Konto nicht ins Minus rutschen. Technische Maßnahmen der Kreditinstitute sorgen hier vor. Doch als erprobte Skeptiker wissen wir: Wo Technik im Spiel ist, sind meist auch Störungen nicht weit. Können sich Eltern wirklich darauf verlassen, dass den ersten Kontoerfahrungen ihres Nachwuchses kein dickes Ende folgt?

Im Großen und Ganzen ja, aber hundertprozentig darauf bauen sollten sie nicht, wie unsere beiden 15-jährigen Tester feststellen mussten. Rund 250 Behebungen hatten die Jugendlichen bei 13 verschiedenen Kreditinstituten versucht – und dabei viel Neues gelernt. So etwa, dass sich Jugendkonten inklusive Bankomatkarte ganz problemlos auch ohne Einwilligung der Eltern eröffnen lassen, selbst wenn man als Schüler noch gar nicht über ein eigenes Einkommen verfügt. Der Gesetzgeber sieht das zwar ein wenig anders, aber wir wollen hier nicht so streng sein. Schließlich wiesen unsere Youngsters bei der Eröffnung extra darauf hin, dass keine Überziehung möglich und das Kartenlimit auf 50 Euro beschränkt sein sollte. Was kann da schon passieren!

Der Papa wird’s schon richten!

Oberbank, Hypo Niederösterreich, Raiffeisen Stockerau und Volksbank Wien gingen (erfreulicherweise) trotzdem auf Nummer sicher: Hier wurde eine Einverständniserklärung der Eltern eingefordert, allerdings gleich in Form einer Haftungserklärung. Das heißt, wenn der Nachwuchs das Konto ins Minus bringt, haften die Eltern für den überzogenen Betrag. Und damit die Schulden auch wieder eingetrieben werden können, müssen die Erziehungsberechtigten zum Beispiel bei der Volksbank Wien eine Lastschrift-Einzugsermächtigung für ihr Konto erteilen.

„Verkehrte Welt“ bei der Erste Bank: Konto und Karte wurden zwar ganz ohne Einwilligung der Eltern vergeben. Aber als unsere jugendlichen Tester das beunruhigend hohe Behebungslimit von 3000 Euro auf 50 Euro pro Woche senken lassen wollten, war dafür plötzlich das Einverständnis der Eltern erforderlich. Die Jugendlichen verzichteten daraufhin auf die Kontolimitierung, da nach Zusicherung des Bankmitarbeiters ohnedies nur das vorhandene Guthaben behoben werden kann. Eine übermäßige Überziehung – zum Beispiel bei Verlust oder Diebstahl der Karte immerhin denkbar – wäre demnach nicht möglich.

Kein Tricksen möglich

Mit insgesamt 26 Plastikkarten bestückt machten sich unsere Schüler auf zum Praxistest: zuerst das Konto leerräumen und dann schauen, wo noch mehr geht! Mindestens drei Mal wurde jedes Institut zunächst intern auf die Probe gestellt, entweder durch Behebungen am hauseigenen Bankomaten oder am Schalter. Das für die Erziehungsberechtigten erfreuliche Ergebnis – sobald der Guthabenstand auf null gesunken war, hieß es: Rien ne va plus! Selbst kleine Tricksereien wie eine Behebung am Schalter und unmittelbar danach am Bankomaten fruchteten nichts. Und auch institutsübergreifend konnten bei den rund 80 weiteren Versuchen keine Abbuchungen über das vorhandene Guthaben hinaus durchgeführt werden. Die elektronischen Geldspeicher waren immer schon informiert und spuckten nichts mehr aus.

Das Blatt wendete sich erst, als sich die Tester mit ihren Bankomatkarten auf Shoppingtour begaben. Zwar war auch bei den meisten Bankomatkassen in den Geschäften beim Kontostand null nichts mehr zu holen, aber in drei Fällen gelang es trotzdem, das Konto kräftig zu überziehen.

Überziehen: kein System erkennbar

Ein bestimmtes System scheint hier nicht dahinterzustecken, auch wenn jedes Mal die Karte der Oberbank betroffen war. Auch ein Leitungsausfall oder eine bestimmte Geschäftspolitik einzelner Läden bietet keine ausreichende Erklärung, denn während die Bankomatkassen in den betroffenen Geschäften einmal eine Überziehung ermöglichten, war das im selben Haus zur gleichen Zeit mit anderen Karten nicht möglich.

Rückschlüsse für Eltern oder auch die Kontoinhaber selbst, welche Geschäfte oder Banken sich über Gebühr „freizügig“ zeigen, sind also nicht möglich. Immerhin muss zum Beispiel der Oberbank zugute gehalten werden, dass sie als einzige bei der Kontoeröffnung auf die mögliche Überziehungsgefahr bei Bankomatkassen in Geschäften hinwies.

Jugendliche besser beraten

Ein Hinweis, der auch allen Konkurrenzinstituten dringend ans Herz gelegt sei – ob’s (vor allem bei den Jugendlichen selbst) etwas fruchtet, bleibt offen. Für die Eltern, die mögliche Schulden wieder ausbügeln müssen, Anreiz genug, um ihrem Nachwuchs den Umgang mit Plastikgeld und die damit verbundenen Gefahren eindringlich näherzubringen. Dazu zählt auch, die Geschäftsgebarung des frischgebackenen Kontoinhabers im Auge zu behalten und (wenn nötig) Kontoauszüge gemeinsam zu kontrollieren. Besonderes Augenmerk sollte dabei den Handyrechnungen gelten, die direkt vom Konto abgebucht werden und erfahrungsgemäß besonders häufig für Überziehungen und wachsende Verschuldung sorgen. Damit die Eltern aber überhaupt davon erfahren, dass Sohn oder Tochter neuerdings ein Konto besitzen, sollten nicht zuletzt die Kreditinstitute den saloppen Umgang bei der Eröffnung eines Jugendkontos überdenken.

Versprochen, aber nicht gehalten

Und noch ein Punkt zur Beratung und Informationspolitik der Banken: Unverhoffte Zusatzinformationen ergaben sich, als einem unserer Tester fünf Bankomatkarten gestohlen wurden. Bei der Meldung des Verlusts wurde von drei Banken zugesichert, dass bei Jugendkonten keine Sperrgebühren erhoben würden. Trotzdem wurden dann in einem Fall Sperrkosten in Höhe von rund 36 Euro angelastet, was natürlich zu einer Überziehung führte.

Was sagt das Gesetz?

  • Besondere Sorgfaltspflichten: Nach dem Bankwesengesetz müssen Kreditinstitute in ihren Geschäftsbeziehungen zu Jugendlichen, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besondere Sorgfaltspflichten beachten:
  • Eltern fragen: Ohne ausdrückliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (Eltern, Obsorgeberechtigte) dürfen an unter 19-Jährige keine Karten für den Bargeldbezug und auch keine Bankomatkarten ausgegeben werden.
  • Lehrlinge früher: Für Jugendliche, die bereits ein eigenes Einkommen haben (wie etwa Lehrlinge), liegt die Altersgrenze für die Kartenausgabe ohne Zustimmung der Eltern bei 17 Jahren.
  • Nur 400 €/Woche : Außerdem müssen die Banken dafür sorgen, dass Jugendliche nicht mehr als 400 Euro pro Woche über Geldausgabeautomaten beziehen können.
  • Ausnahme: Ausgenommen von diesen Beschränkungen sind Karten, die lediglich zur Abhebung beim ausgebenden Kreditinstitut dienen. Einschränkung: Sofern die Bank die Möglichkeit hat, im Einzelfall über die Berechtigung zur Abhebung zu entscheiden, wenn dadurch das Konto überzogen würde.

Überziehung an Bankomatkassen

In diesen Geschäften, mit diesen Karten konnten unsere jugendlichen Tester ihre Konten überziehen:

  • Vivo Schulbedarf mit der Karte der Oberbank
  • Fa. Libro mit der Karte der Oberbank
  • Fa. Niedermeyer mit der Karte der Oberbank

Überziehung bei Jugendkonten: kompetent mit Konsument

  • Kein lückenloser Überziehungsschutz. An Bankomaten und am Schalter war kein Überziehen möglich, bei den Bankomatkassen in Geschäften aber schon.
  • Böse Überraschungen. Kann es durch Überziehungszinsen, aber auch durch Sperrgebühren geben, wenn die Karte gestohlen und außer Funktion gesetzt wurde.
  • Elternpflicht. Jugendliche Kontoinhaber über das Für und Wider von Plastikgeld informieren und sie dazu anhalten, Kontoauszüge regelmäßig abzuholen und genau durchzulesen. - Besonders anfangs das Ausgabeverhalten im Auge behalten.

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