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Volksbanken-Lebensversicherung der ERGO/ÖVAG - Bruchlandung mit Rocket

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Lebensversicherung als Geldanlage: Kann die ERGO-Versicherung Anleihen der ehemaligen Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG) zur Gänze zurückzahlen? Der VKI sammelt Versicherungskunden, die sich durch falsche Beratung einer Volksbank geschädigt sehen.

Mitte Juli dieses Jahres verschickte die deutsche ERGO-Versicherung Schreiben an 14.000 Kunden, die in die Rocket-Lebensversicherungspolizze der Victoria Versicherung investiert hatten. Der Versicherungskonzern schürte Bedenken, dass ein Totalverlust der Lebensversicherung eintreten könnte. Das Produkt war mit einer garantierten jährlichen Verzinsung von 4,48 Prozent auf den Markt gebracht worden. Im Jahr 2011 hatte ERGO die Victoria-Volksbanken Versicherung übernommen. Nun legt ERGO den Versicherungsnehmern den Rückkauf der Lebensversicherung nahe.

Anleihe der Österreichischen Volksbanken AG

Rocket basiert einzig auf einer Anleihe der Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG). Diese geriet jedoch bekanntlich in schwere Turbulenzen und wurde Ende April 2015 aufgespalten und in eine Abbaugesellschaft mit dem Namen Immigon Portfolioabbau AG umgewandelt. Größter Anteilseigner ist mit 43,30 Prozent die Republik Österreich. Aufgabe dieser sogenannten „bad bank“ ist es, die Anleihen der ÖVAG bis zum Jahr 2017 abzuwickeln. Die gesunden Teile der Bank wurden der Volksbank Wien-Baden zugeordnet.

Ein Fall von Fehlberatung ...

Bei den privaten Rocket-Anlegern war die Bestürzung ob der drohenden Verluste groß, zumal ihnen die Anleihe beziehungsweise die Lebensversicherung als „sicheres“ Produkt mit „Kapital- und Zinsgarantie” verkauft worden war. Viele Versicherungsnehmer wendeten sich Hilfe suchend an den VKI. Peter Kolba, Leiter der VKI-Rechtsabteilung, sieht hier einen Fall von Fehlberatung: „Von einem sicheren Produkt kann keine Rede sein. Bei einer Lebensversicherung, die nur auf einen einzigen Emittenten setzt, besteht ein Klumpenrisiko. Eine sicherere Alternative wäre eine fondsgebundene Lebensversicherung gewesen, die auf vielen verschiedenen Anleihen basiert.“ Zudem war die ÖVAG, als sie die Anleihen anbot, bereits auf Staatshilfen angewiesen.

... und Augenauswischerei

Die Garantiezusage der ÖVAG ist für Kolba nichts anderes als Augenauswischerei: „Da es sich bei Garant und Emittent um ein und dieselbe Person handelt, wird die Sicherheit des Produktes durch die Garantiezusage in keiner Weise erhöht.“ Besondere Kritik übt der Rechtsexperte daran, dass beim Verkauf der Anleihen und der Lebensversicherung ein Vergleich mit einem Sparbuch gezogen wurde – ein, so Kolba, mit Sicherheit unzulässiger Vergleich.

Erhebliche Verluste bei Rückkaufangebot

Lebensversicherung über Anleihe gestülpt

Für den VKI ergibt sich das Bild, dass bei der ÖVAG trotz Wissen (oder aufgrund von fahrlässigem Nichtwissen) um ihre Angeschlagenheit nach der Finanzkrise beschlossen wurde, über eine Anleihe beziehungsweise die vorliegende Lebensversicherung frisches Geld aufzutreiben. „Das Modell funktionierte so, dass die ÖVAG eine Anleihe kreierte. Darüber wurde eine Lebensversicherung gestülpt und das Produkt über die örtlichen Volksbanken vertrieben“, sagt Peter Kolba.

Strafrechtliche Konsequenzen möglich

Nicht ausschließen möchte der Jurist, dass der Fall für die verantwortlichen Manager der ÖVAG ein strafrechtliches Nachspiel hat. „Dies wäre dann der Fall, wenn sich herausstellen sollte, dass die Anleihe noch gezeichnet wurde, obwohl längst klar war, dass sie aufgrund der anstehenden ÖVAG-Pleite nicht mehr eingelöst werden kann.“

Erhebliche Verluste bei Rückkaufangebot

Eigenartig mutet auch an, wie ERGO und Immigon in der Sache agierten. Im eingangs erwähnten Schreiben der ERGO wies die Versicherung nämlich auch auf das Rückkaufangebot der Immigon hin. Für Peter Kolba drängt sich der Verdacht eines fadenscheinigen Zusammenspiels auf: „Von außen wirkt es wie ein Handpuppenspiel. Die Versicherung verunsichert erst die Versicherungsnehmer, und der Emittent liefert ein im Vergleich zum Totalverlust auf den ersten Blick passables Angebot.“

Mit Steuernachzahlung ist zu rechnen

Die Rückkaufangebote der dem VKI vorliegenden Fälle liegen zwar deutlich über 90 Prozent, der tatsächliche Verlust ist allerdings weitaus höher. Neben dem bei vorzeitigem Ausstieg üblichen Rückkaufabschlag müssen die Kunden auch mit einer Steuernachzahlung rechnen. Lebensversicherungen profitieren im Gegensatz zu anderen Anlageformen nämlich von einer niedrigeren Steuer von lediglich 4 Prozent; andere Anlageformen werden mit 11 Prozent besteuert. Voraussetzung für den Steuervorteil ist allerdings eine Mindesthaltefrist von 10 (für über 50-Jährige) bzw. 15 Jahren (für unter 50-Jährige). Bei vorzeitigem Rückkauf wird unweigerlich eine Steuernachzahlung von 7 Prozent fällig.

VKI-Sammelaktion - Teilnahmeende 21.9.2015

Für Konsumenten, die sich durch die Beratung einer örtlichen Volksbank und dem Erwerb der genannten Lebensversicherungen im Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen rund um den Umbau der Volksbanken und die Schaffung der Immigon geschädigt sehen (egal ob das Rückkaufsangebot angenommen wurde oder nicht), gab es die Möglichkeit, sich bei der kostenlosen VKI-Sammelaktion anzumelden. Die Sammelaktion lief zwei Monate lang und wurde am 21.09.2015 beendet. Insgesamt nahmen rund 2200 Konsumenten teil.

Leserreaktionen

Belogen

Ich war bis Mai 2014 selbst 20 Jahre bei einer VB [Volksbank] beschäftigt. Ich habe für meine Eltern 2 Einmalerläge im Jahr 2010 gemacht. Damals habe ich selbst bei der ERGO Versicherung und bei der ÖVAG betreffend der Sicherheit nachgefragt. Mir wurde versichert, dass der versprochene Ertrag ausgezahlt wird und das Kapital sicher ist. Ich will mit diesem Mail nur mitteilen, dass die Kundenberater der einzelnen Volksbanken auch ohne Gewissen belogen wurden. Die Kundenberater sind in diesem Fall auch Opfer der ÖVAG und der ERGO. Gott sei Dank bin ich nicht mehr bei der VB beschäftigt.

Name der Redaktion bekannt
(aus KONSUMENT 9/2015)

Unsere Rechtsabteilung prüft eine Sammelklage. Bis Redaktionsschluss hatten sich etwa 3.000 Geschädigte gemeldet. Aktuelle Infos für Betroffene auf www.verbraucherrecht.at.

Kritik an Finanzmarktaufsicht

Es scheint so zu sein, dass bei komplexeren Vorgängen die FMA nicht in der Lage ist, die österreichischen Kapitalmarktkunden zu schützen, obwohl sie zu diesem Zweck errichtet wurde. Anfragen an die FMA zu diesen Rocket bzw ÖVAG Vorgängen werden mit einem nichtssagenden Serienbrief beantwortet. Ich gehe davon aus, dass Versicherungsverträge immer an die FMA zur Prüfung eingereicht werden und sehe darin wenig Sorgfalt auch bei der FMA, wenn sie einen Garanten wie die ÖVAG aufgrund der Insidern damals (2009) bekannt gewesenen Probleme (Partizipationskapital etc) akzeptiert und solche Verträge nicht beeinsprucht.

Mag. Helmut Lercher
Kommentar auf konsument.at
(aus KONSUMENT 9/2015)

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