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Hormontherapie - Im Wechsel

  • Der Schaden überwiegt den Nutzen
  • Frauenärzte wissen wenig, Hormonexperten beschwichtigen
  • Was können Frauen tun?

Hiobsbotschaft aus den USA

Nicht die Zunft der Frauenärzte, die Österreichische Krebshilfe hat die Öffentlichkeit aufgerüttelt und die Hormon-Therapie infrage gestellt: Hormonbehandlung kann das Leben verkürzen. Eine Beobachtung an einer Million englischer Frauen hat vor fünf Monaten die Hiobsbotschaft der WHI-Studie aus den USA bestätigt. Diese musste 2002 frühzeitig abgebrochen werden, weil bei Frauen unter Hormonbehandlung wesentlich mehr Herzinfarkte, Lungenembolien, Schlaganfälle und Brustkrebserkrankungen aufgetreten waren als in der Kontrollgruppe (siehe dazu: Weitere Artikel - " Brustkrebs ").

Während die US-amerikanische Gesundheitsbehörde damals das Hormon Östrogen auf die Liste der Krebs erregenden Produkte setzte, blieb hier zu Lande – fast – alles beim Alten. Zu Lasten der Frauen.

Hoher Preis

„Ich bekam nach einer Operation schon sehr früh Hormontherapie,“ erzählt Eva K. „Damals habe ich mir das gleichnamige Buch vom Hormonexperten Huber besorgt und nach dem Lesen gedacht: Was für ein Glück! Mit fünfzig kamen mir Bedenken, doch mein Arzt meinte, solange ich mich wohl fühle, könnte ich die Hormone ruhig nehmen. Zwölf Jahre waren es insgesamt. Als ich von möglichen Risiken erfuhr, warf ich die letzte Packung weg. Zu spät, kurz danach musste ich mich einer Brustkrebsoperation unterziehen. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen hormonell bedingten Knoten gehandelt hatte.“

Glück im Unglück

Glück im Unglück hatte die Grazerin Ruth L., 55. „Mein Arzt schickte mich in die Menox-Ambulanz, wo ein niedriger Östradiolspiegel festgestellt wurde,“ erzählt sie. Wie in solchen Fällen üblich, riet der Arzt zu Hormonersatz. Obwohl seine Patientin einwandte, dass sie vor fünf Jahren, nach fünfmonatiger Einnahme von Hormonmitteln, einen Lungeninfarkt erlitten hätte, gab der Arzt ihr zwei Packungen Activell. „Ich hatte erst eine Packung eingenommen, da verschwammen mir bei der Arbeit die Buchstaben am Bildschirm, und mir wurde schlecht. Als ich es meiner Kollegin sagen wollte, konnte ich nicht sprechen – zum Glück war es nach einer Viertelstunde vorbei. Diagnose: ein kleiner Gehirnschlag. Meine Frage, ob das etwas mit den Hormonen zu tun haben kann, wurde abgeschmettert. Ich bin wütend, die Ärzte haben mich nicht ernst genommen.“

Manche Gynäkologen verschweigen Risiken

Damit ist sie in bester Frauengesellschaft. „Nach wie vor berichten Frauen davon, dass die Gynäkologen ihnen eine Hormontherapie empfehlen, ohne die Risiken anzusprechen,“ kritisiert Sylvia Groth, Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums in Graz, „und sie auch nicht beraten, wie sie den Ausstieg schaffen können.“

Mediziner gegen Hormontherapie

Die Österreichische Krebshilfe hat im vergangenen August alle Ärzte aufgefordert, ihre Patientinnen zum Ausstieg aus der Hormontherapie anzuregen, die Gesellschaft für Senologie (Brustkrankheiten) empfahl ausschließlich kurzen Hormoneinsatz für starke Wechselbeschwerden. Sogar Stoffwechselexperten warnten vor den gefährlichen Nebenwirkungen. Doch die Gesellschaft der Frauenärzte (OEGGG) schwächte die Warnungen zunächst ab. Erst seit kurzem liegt in den Wartezimmern eine sachliche Information auf.

Frau sein ein Leben lang

Der Höhenflug der Wechselmedikation begann im Jahr 1966 mit dem Bestseller von Robert und Sylvia Wilson „Feminine Forever“: Frau konnte mit Hormonen weiblich und attraktiv bleiben! Erst im Jahr 2002 wurde aufgedeckt, dass das Buch von Wyeth gesponsert worden war. Dieser Pharmariese erzeugt eines der meistverkauften Östrogenpräparate. Der Absatz sank jedoch, als die Frauengesundheitsbewegung publik machte, dass Frauen unter Östrogen fünf bis fünfzehn Mal häufiger Krebs von Gebärmutterhals und Gebärmutterschleimhaut entwickelten.

Gestagen zugesetzt

Später setzten die Hersteller den Hormonmitteln Gestagene zu, und der Absatz stieg wieder, denn die Pharmaindustrie rührte die Werbetrommel, Hormonexperten verkündeten bei Fortbildungen und in Gazetten, dass Hormone vor Herzinfarkt, Knochenbruch, Falten und Missstimmung – kurz: vor dem Altern – schützen könnten. Frauen und Ärzte waren gleichermaßen euphorisiert. „Wir Ärzte haben diese Informationen gerne akzeptiert, um Frauen den Wechsel erleichtern und das Leben verbessern zu können,“ berichtet die Wiener Frauenärztin Renate Kallo. „Kritisches haben wir erst 1995 vom Brustkrebsexperten Kubista gehört.“

Sanfter Druck

„Häufig wurden auch Frauen, die sich durch den Wechsel gar nicht eingeschränkt fühlten, auf Hormone gestellt und massivem Druck ausgesetzt,“ berichtet Sylvia Groth. „Sie wurden zur Messung der Knochendichte geschickt – obwohl die Werte keine Prognose über das Knochenbruchrisiko zulassen. Doch die Angst davor ließ die Frauen zu Hormonen greifen. Es wurde ihnen nicht gesagt, dass die Schutzwirkung nur anhielte, wenn sie die Hormone lebenslang einnehmen würden.“

Wechsel ist keine Krankheit

Den meisten Frauen ist auch nicht bekannt, dass Hormonersatz den Wechsel gar nicht beendet. „Eine Frau von 60 Jahren sollte nicht das Hormonkleid einer 20-Jähigen erhalten. Der Wechsel ist keine körperliche Krankheit, sondern ein physiologischer Vorgang,“ erklärt Ernst Kubista von der Abteilung für spezielle Gynäkologie an der Frauenklinik. „Die Behandlung der Wechselbeschwerden durch Hormone ist sehr effektiv, die anderen vermuteten Vorteile haben sich in Rauch aufgelöst. Wir schätzen, dass bisher 4 von 10 Frauen im Wechsel Hormone bekommen haben, davon mehr als 50 Prozent länger als zehn Jahre.“

Verschleierung

Trotzdem wehren österreichische Hormonexperten nach wie vor die „Hysterie“ ab. Allen voran Johannes Huber, Leiter der Klinischen Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie an der Wiener Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Leiter des Hormon-Ambulatoriums Menox und einer Hormonklinik in Abtsee, Mitglied der Ethikkommission. Er zieh die Forscher aus Übersee mangelnder Kompetenz und verkündete, diese Daten gelten nicht für Österreich, „weil hier individuell verordnet wird.“ „Es macht mich zornig, wenn ich diese Beschwichtigungen höre,“ meint dazu Eva K.

"Möglicherweise zu positiv gesehen"

Huber hat früher selbst empfohlen, was er nun anprangert: Hormongaben zur Vorbeugung von Wechselproblemen „mindestens acht Jahre“ und „gegen Osteoporose auch ohne Beschwerden“. Damit konfrontiert, meint er: „Möglicherweise haben wir das zu positiv gesehen.“ Andererseits kann er auch keine Studie mit dem Nachweis nennen, dass individuelle Verordnung weniger Risiken birgt.

„Es ist schwer zu verstehen,“ meint der Innsbrucker Pharmakologe Hans Winkler, „dass erst so spät prospektive Studien angegangen wurden, um die Langzeitwirkungen zu erfassen. Völlig unverständlich ist es, dass nach 2002 immer noch versucht wird, die Gefahren zu vernebeln. Wir haben bereits 1998 Bedenken gegen unbedachten Hormoneinsatz geäußert.“ Die feministischen Gesundheitszentren haben diese Haltung seit 1990 vertreten.

Die deutsche Arzneimittelbehörde überprüft nun die Zulassung der Hormonmittel, die österreichische – es wird von massivem Lobbying gemunkelt – sieht dagegen keinen Handlungsbedarf. „Auf den Beipackzetteln sind ohnehin alle Risiken aufgelistet,“ so Robert Schlögel von der Österreichischen Arzneimittelbehörde. Unsere Stichprobe ergibt anderes: Zum Beispiel fehlen bei Premarin bislang Anleitungen zum sparsamen Einsatz, wie es der Oberste Sanitätsrat empfiehlt: Hormone nur bei sehr starken Beschwerden, möglichst kurz und möglichst niedrig dosiert zu verordnen und nicht zur Osteoporosevorbeugung einzusetzen.

Doch die Propagandamaschinerie läuft ungebremst weiter. Nun werden Hormone als Jungbrunnen für Männer beworben (siehe dazu: Weitere Artikel - "Neues aus der Medizin"), und den Frauen wird von der Industrie weisgemacht, Pflanzenmittel seien gegen Hitzewallungen ebenso wirksam wie ungefährlich – für beides gibt es keinen haltbaren Beleg. Diese Experten haben das Vertrauen der Frauen längst verspielt: Immer mehr Frauen verzichten auf eine weitere Hormoneinnahme.

Vorteile und Nachteile der Hormontherapie
(nach der One-Million und WHI-Studie und Europäische Gesellschaft für Lungenkrankheiten)

Es steigt das Risiko von

– Schlaganfall um mehr als ein Drittel
– Demenz auf das Doppelte
– von Asthma und Heuschnupfen
– Brustkrebs um zwei Drittel, und es steigt auch die Gefahr, daran zu sterben. Mammographien sind erschwert. Es kommt häufiger zu Falschpositivdiagnosen, die unnötige Eingriffe zur Folge haben.
– Herzinfarkt um die Hälfte
– Thrombosen und Lungenembolien auf das Doppelte
– Gallenblasenerkrankungen um die Hälfte

Alle Risiken steigen mit  der Dauer der Hormonanwendung.

Vorteile

+ Hitzewallungen gehen zurück.
+ Das Darmkrebsrisiko geht um ein Drittel zurück.
+ Hüftknochenbrüche sinken um ein Drittel, Knochenbrüche um ein Viertel.

Was tun? - Tipps

  • Ausstieg aus der Hormontherapie senkt das Gesundheitsrisiko.
  • Hormone ausschleifen : Sechs bis acht Wochen lang die tägliche Tablette oder das Pflaster halbieren, dann für mehrere Monate nochmals halbieren, erst dann ganz absetzen. So lassen sich Entzugserscheinungen vermindern.
  • Verzicht auf Kaffee und Alkohol verringert Wallungen; Salbeitee hilft gegen Schwitzen. Sportliche Betätigung mindert Beschwerden und Knochenabbau; Hopfen und Baldrian fördern den Schlaf.
  • Nutzen nicht belegt: : Der Nutzen von Alternativen wie Bienenprodukten, Rotklee, Soja, Traubensilberkerze oder Mönchspfeffer ist nicht belegt, mögliche Risiken sind nicht erforscht.

Johannes Huber - Die Hormontherapie

Hormone zur Vorbeugung und ohne Beschwerden, hieß es noch 1990. „Möglicherweise haben wir das zu positiv gesehen“, sagt Hormonexperte Johannes Huber heute.

 

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