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Hüftoperation Steiermark - Kostendeckung durch Einzelzimmeraufschlag

Viele Patienten mit Zusatzversicherung in der Steiermark, die sich für eine Hüftoperation ins Privatspital begeben, werden zu einem Einzelzimmerzuschlag verdonnert und so extra zur Kasse gebeten.

Fritz S. aus Graz plagt sich seit Jahren mit der Hüfte. Nun sind die Schmerzen zu groß, er benötigt dringend eine Prothese. Doch die Wartezeiten für eine Hüft-OP in den öffentlichen steirischen Krankenanstalten sind lang. Bis zu sechs Monate müsste S. warten.

Krankenzusatzversicherung abgeschlossen

Er ist deshalb besonders froh, dass er schon vor längerer Zeit eine Krankenzusatzversicherung (zweite Klasse) abgeschlossen hat. Die Versicherung hatte ihm damals den Abschluss unter anderem damit schmackhaft gemacht, dass Patienten in Privatspitälern kürzere Wartezeiten in Kauf zu nehmen hätten. Diesen Vorteil, für den er jahrelang Prämien bezahlt hat, möchte er nun in Anspruch nehmen. S. geht davon aus in der Annahme, dass seine private Krankenversicherung für die Kosten des Eingriffs aufkommt.

1.000 Euro Einzelzimmeraufschlag

Als S. den Eingriff mit seinem Orthopäden bespricht, erlebt er allerdings eine böse Überraschung. Der Arzt informiert ihn darüber, dass er die Behandlungszeit im Spital (etwa 10 Tage) erster Klasse im Einbettzimmer zu verbringen habe, was summa summarum privat zu tragende Kosten von rund 1000 Euro mit sich bringe. Als Begründung gibt der Orthopäde hygienische Gründe an (drohende Infektionsgefahr), zudem verweist er darauf, dass S. ein qualitativ besseres Implantat erhalte. Die höheren Kosten würden, so der Arzt, mit der Einzelzimmerbelegung quasi gegenverrechnet.

Teure Prothesen und Hygiene

Wir haben die vier Grazer Privatspitäler, die Hüft-OPs anbieten mit dem Sachverhalt anonym konfrontiert und teilweise erstaunliche und nicht ganz übereinstimmende Antworten erhalten.

  • In der Privatklinik Leech teilt man uns mit, dass die Versicherung nur für die Operationskosten, nicht jedoch automatisch für die Prothese aufkomme. Werde eine teure Prothese eingesetzt, müsse der Patient mit dem Einzelzimmeraufschlag dafür aufzahlen, werde eine billige Prothese verwendet, müsse man hingegen nicht in ein Einzelzimmer.
     
  • Ähnlich die Argumentation in der der Privatklinik der Kreuzschwestern in Graz-Geidorf. Hier erfuhren wir, dass die Hüftprothese vom Haus und nicht von der Versicherung bezahlt werde. Deswegen müssten Patienten ein Einzelzimmer belegen und den Aufschlag berappen.
     
  • Im Hansa Privatklinikum Graz war von den Kosten keine Rede. Dort sagte man uns, dass Endoprothetik-Patienten schlicht aus Hygienegründen im Einzelzimmer untergebracht werden müssten.
     
  • In der Privatklinik Graz Ragnitz hingegen scheint man zumindest in bestimmten Fällen von der Praxis des Einzelzimmerbelegungszwangs abzurücken: „Eine Aufzahlung ist nicht mehr verpflichtend, das hängt vom Arzt ab“, hieß es.

Finanzierung ist schuld

Keine Handhabe gegen „Angebotsgestaltungen“

Bei den privaten Krankenversicherern ist das Problem bekannt. „Vereinzelt sind auch uns in jüngster Zeit Fälle gemeldet worden“, steht im Schreiben, das uns vom Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs zuging. Zwar wird bedauert, dass derartige Angebotsgestaltungen nicht im Sinne der Privatversicherer seien, allerdings sehe man aus der derzeitigen Vertragslage wie auch der Rechts- und Sachlage keine Möglichkeit, sie zu unterbinden.  „Kein Haus ist verpflichtet, bestimmte Leistungsangebote überhaupt oder in bestimmten Zimmerkategorien anzubieten“, stellt Dr.Ulrike Braumüller, Geschäftsführerin Personenversicherung im Verband klar.

Finanzierung ist schuld

Und Braumüller weist jegliche Verantwortung der Versicherungsunternehmen zurück. Für die Funktionärin sind Fälle wie der von Fritz S. Folge einer ungerechten Spitalsfinanzierung. „Während öffentliche Spitäler zur Gänze aus Steuermitteln errichtet und auch ihre Betriebskosten im Durchschnitt zu rund 60% aus Steuermitteln finanziert werden, erhalten Privatspitäler keinerlei derartigen Zuwendungen“, sagt die Funktionärin. Dazu komme, dass die für die medizinische Behandlung von den gesetzlichen Krankenkassen geleisteten Beiträge zu niedrig ausfielen. „Damit sind die Kosten von teuren Implantaten nicht finanzierbar“, sagt Braumüller und verteidigt die Praxis der Privatspitäler. Da eine gesonderte Rechnungsstellung für Implantatkosten weder an den Patienten noch an die Versicherungen erlaubt sei, müssten die Kosten von den zu zahlenden Tagesgebühren für die Unterbringungsleistung quersubventioniert werden.

Gesprächsbedarf

VKI-Gesundheitsexpertin Bärbel Klepp möchte die Privatversicherer jedoch nicht ganz aus der Verantwortung entlassen: „Die Anbieter machen es sich hier zu einfach, denn die Kunden schließen eine Sonderklasseversicherung schließlich  mit dem Ziel ab, dass Kosten wie etwa für eine Hüft-OP übernommen werden.“ Klepp sieht Gesprächsbedarf zwischen Versicherungsunternehmen und Spitälern: „Es kann nicht sein, dass die Kunden zweimal zur Kasse gebeten werden.“

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