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Fernseher - Schlechter Empfang

Schlechter Empfang belebt die Sinne.

Wer vor dem Fernseher sitzt, starrt für gewöhnlich auf ein scharfes Bild und hält das für selbstverständlich. Ist es aber nicht, denn der technische Fortschritt steht mit einem Fuß stets am Rande einer Panne, welche dann gelegentlich mit dem Wutschrei „Ich schmeiß’ den Dreckskasten beim Fenster hinaus!“ untermalt wird.

Es gibt Menschen, die daheim nie ein scharfes Bild haben, weil sie auf der Schattseite des Sendegebietes leben. Die sind von klein auf daran gewöhnt, dass sie die Schauspieler nur an den Stimmen erkennen.Schlimmer sind jene dran, für die das unscharfe Bild die Ausnahme ist. Oft passiert es im ungeeignetsten Moment. Der Ball zum entscheidenden Elfmeter wird aufgelegt, und plötzlich schaut das Bild aus wie eine Übermalung von Arnulf Rainer.

Der TV-Konsument von Welt dreht erst einmal gelassen an Knöpfen oder Antennen. Erst dann dreht er durch, woran nicht selten die Betriebsanleitung schuld ist, die er unvorsichtigerweise befragt hat. Merke: Neun von zehn Betriebsanleitungen sind in ihrer maßlosen Unverständlichkeit pures Gift für den Hausverstand.

Wenn alles nichts hilft, hilft nur eins: Man muss ein unscharfes Bild als Chance betrachten, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Es gibt ja Bildstörungen, die fast schon künstlerischen Wert haben.

Der „Bergdoktor“, wie durch einen Vorhang aus grobkörnigem Grießbrei gesehen; „Vera“ als Zerrbild in Schwarzweiß; die Lottozahlen im Schneegestöber – das sind Sendungen, die wirklich zum Nachdenken anregen. Wo die Schärfe des Bildes nicht mehr würzt, kommt die Fadheit von Schlagerparaden und Geschmacklosigkeit von Talk-Shows erst richtig zum Tragen. Ein „Tatort“, von dem man nur Querstreifen sieht, kann zu erschütternden Erkenntnissen über die Qualität der Dialoge führen.

Schlechter Empfang belebt die Sinne. Eine gute Gelegenheit, den Kasten abzudrehen und hinauszugehen ins wirkliche Leben.

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