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Kunde König - Konsument 6/1999

 


Telefonieren am Steuer

Durch’s Reden kommen die Leut’ zusammen. Schon allein deshalb ist das Handy ein wahrer Segen für die Menschheit.
Blicken wir kurz zurück in die Steinzeit der Kommunikation, welche noch keine zehn Jahre zurückliegt. Das Auto war zwar schon erfunden, aber für gewöhnlich war der einsame Lenker mit seinen Pferden allein. Hie und da ein kleines Vogelzeigen, dann und wann ein Selbstgespräch („Fahr zuwi, du Vollkoffer!“) – viel mehr war da nicht.
Man wagt sich gar nicht auszumalen, wie viele Millionen von „Servus, was machst denn du g’rad?“ ungesagt bleiben mußten. Es muß sich ein gigantischer Stausee des Mitteilungsbedürfnisses angesammelt haben. Dank Handy ist der Damm nun gebrochen.
Doch kaum hatte sich der neue Redefluß seinen Weg gebahnt, kamen auch schon die Miesmacher und Verhinderer. Nasenbohren darf man am Steuer, aber ein Handy ans Ohr halten, was wesentlich tiefschürfender wirkt, soll verboten sein?
Es gab heftige Diskussionen, deren Intelligenzgehalt den Gipfel erreichte, als ein Politiker die Frage aufwarf: Das Lenkrad darf man ja auch angreifen, warum also das Handy nicht?
Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet, und zunehmend werden die Vorteile der Freisprechanlagen erkannt. Vor allem ein sozialer Effekt wirkt sympathisch:
Erinnern wir uns an die Frühzeit des Handys, als sein Stellenwert als Statussymbol noch in der Nähe eines Sechszylinder-Cabrios lag. Damals sahen sich die Ärmsten der Armen im Geiste gelegentlich gezwungen, den Besitz eines Handys vorzutäuschen, indem sie an der Kreuzung ihre TV-Fernsteuerung ans Ohr hielten.
Das ist weitgehend überflüssig geworden, weil Handys mittlerweile fast verschenkt werden, aber man kann immer noch sparen. Dank Freisprechanlage kann man jederzeit den Eindruck eines bedeutenden Telefonierers erwecken, indem man einfach ein Selbstgespräch führt. Womit sich der Kreis irgendwie schließt.

KKönig

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