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Ethisch konsumieren - Die Macht im Börsel

Mit ihrer Kaufentscheidung stimmen Konsumenten auch über Unternehmen und deren Verantwortungsbewusstsein gegenüber Menschen und Umwelt ab. „Konsument“ wird dazu künftig Informationen geben.

Familie Müller geht es gut: Sie genießt das Leben, hat sich Wohlstand erworben, bei vielen Anschaffungen vom Preisverfall in bestimmten Branchen profitiert. Auch beruflich haben die beiden zunächst keine Sorgen: Frau Müller ist im Marketing eines Konserven erzeugenden Nahrungsmittelunternehmens tätig, Herr Müller in leitender Position in einem Werk, das Videorecorder produziert. Lange Zeit scheint ihr Wohlstandsglück ungetrübt, ehe sich die Arbeitsplatzsituation ändert: Frau Müller muss sich mit einer Gehaltskürzung abfinden. Die mächtigen Handelsketten machen Druck auf ihre Firma: Auf Grund ausländischer Billig-Konkurrenz und deren Erfolg auf dem österreichischen Markt muss ihre Firma Konserven zu Dumpingpreisen und natürlich zu gleicher Qualität für die Eigenmarken der Handelsketten produzieren. Das Unternehmen muss Personal abbauen oder Gehälter kürzen…

Herrn Müller ergeht es noch schlechter: Ein großer Teil der Videorecorder-Produktion wird in ein Niedriglohn-Land verlegt. Plötzlich ist er arbeitslos und mit fast 50 kaum mehr zu vermitteln. Konsequent auf jeden Schilling zu schauen ist nicht mehr Spaß, sondern bittere Notwendigkeit.

Familie Müller ist frei erfunden, das Beispiel dennoch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Es zeigt eine Facette der globalisierten Welt auf: Wenig ausgeprägte Sozialstandards und niedriges Lohnniveau verursachen nicht nur menschliches Leid in Dritte-Welt-Ländern, sondern haben auch Auswirkungen bei uns. In der globalisierten Welt stehen alle unter Druck: Konzerne, Politiker, Konsumenten.

Die Kunden wollen mehr wissen

Die Unzufriedenheit ist bereits messbar: Eine IMAS-Umfrage zeigt, dass 60 Prozent der Österreicher zutiefst unzufrieden mit dem heutigen Wirtschaftsleben sind, nur fünf Prozent der befragten Personen sind damit absolut zufrieden. Sie fordern von den Unternehmen offene und ehrliche Information, ein ausgezeichnetes Kundenservice, umweltschonend produzierte und umweltgerechte Produkte hoher Qualität, sichere Arbeitsplätze, eine leistungsgerechte Entlohnung der Mitarbeiter sowie einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Belegschaft. Nicht nur Konsumenten stellen sich die Frage, wie die Zukunft aussehen wird. Unternehmenskulturberater Kurt E. Simperl beobachtet schon seit geraumer Zeit die eingekehrte Nachdenklichkeit: „Wir stehen vor einer tief greifenden Umstrukturierung der Wirtschaft und wahrscheinlich auch der Politik. Zumindest einige Manager haben erkannt, dass in einer Zeit des rasanten Wandels nur jene Unternehmen überleben werden, die statt Kundenfeindlichkeit und Mitarbeiterausbeutung eine qualitativ hochwertige, ethisch-moralisch orientierte Unter- nehmenskultur aufweisen.“

Einkaufen für eine bessere Welt

Initiativen, die hinterfragen, wie und unter welchen Rahmenbedingungen Unternehmen agieren, gibt es bereits: Ende der achtziger Jahre veröffentlichte das „Council on Economic Priorities“ (CEP) in den USA erstmals einen Einkaufsführer unter dem Titel „Shopping for a better world“, der Auskunft über die Kultur beziehungsweise das Verhalten verschiedenster Unternehmen gab.

Ingo Schoenheit, Leiter des Instituts für Markt – Umwelt – Gesellschaft („imug“), entwickelte darauf aufbauend seinen „Unternehmenstest“ (bisher veröffentlicht für die Branchen Lebensmittel und Kosmetik-, Körperpflege und Waschmittel), der sich vor allem mit der Informationsoffenheit, mit der Wahrung der Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Behinderteninteressen, der Frauenförderung sowie dem Umweltengagement von Firmen beschäftigt. Eine Fundgrube für gesellschaftspolitisch Interessierte und besonders engagierte Konsumenten, aber als praktischer Einkaufsführer wenig geeignet, da die Ergebnisse branchenorientiert und in Buchform aufbereitet sind.

Unternehmensethik im Test

„Da liegt es für eine Verbraucherorganisation nahe, den klassischen Warentest, also den Qualitäts- und Preisvergleich von Produkten, mit der Beurteilung der Unternehmensethik zusammenzuführen“, betont VKI-Geschäftsführer Hannes Spitalsky. Einen Anstoß dazu gibt ein EU-Projekt, Titel: „Ethischer Konsum – Förderung verantwortungsbewussten Kaufverhaltens“. Zielsetzung: Wir wollen den Konsumenten zusätzliche Entscheidungshilfen beim Einkaufen anbieten. In Zukunft werden daher auch einige „Konsument“-Tests ein eigenes Testurteil für die Unternehmensethik aufweisen. Der erste bereits in dieser Ausgabe (siehe dazu: Weitere Artikel - "Laufschuhe"). Im nächsten Heft folgen dann Bewertungen der Unternehmensethik für die Hersteller von Waschmaschinen (siehe dazu: Weitere Artikel - "Waschmaschinen") und Marillenkonfitüren (siehe dazu: Weitere Artikel - "Marillenkonfitüre").

Wie gefällt Ihnen unser Vorhaben?

Natürlich möchten wir gerne wissen, was Sie davon halten – mit großem Interesse erwarten wir Ihre Reaktionen und Kommentare: Testmagazin „Konsument“, Postfach 441, 1061 Wien oder per E-Mail:
leserbriefe@konsument.at

Kriterien, über die „Konsument“ in Zukunft verstärkt berichten wird.

Umweltengagement
Wie und in welchem Ausmaß engagiert sich das Unternehmen in Belangen des Umweltschutzes (Produktionsprozess, Beschaffungswesen, Warentransport, Verpackung)?

Soziale Verantwortung
Wie behandelt das Unternehmen Interessen und Rechte der Arbeitnehmer? Gibt es soziale Mindeststandards bei Produktionen in Dritte-Welt-Ländern? In welchem Ausmaß engagiert sich das Unternehmen für Frauenförderung und die Integration Behinderter in das Arbeitsleben?

Informationsoffenheit
Wie umfassend werden Mitarbeiter, Konsumenten und die Öffentlichkeit über das Unternehmen bzw. die Produkte informiert?

Unternehmenstester, Gütesiegel, fairer Handel: Wer was tut

Initiativen, Kontakte, Organisationen – ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Institut für Markt – Umwelt – Gesellschaft (IMUG)

D-30159 Hannover, Escherstraße 23
Tel.: (0049 511) 911 15-0
Fax: 911 15-95
E-Mail: contact@imug.de
Internet: www.imug.de

Testet Unternehmen in öko-sozialer Hinsicht. Bewertet werden unter anderem Informationsoffenheit, Wahrung der Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Behinderteninteressen, der Frauenförderung sowie des Umweltengagements. Veröffentlichung der Testergebnisse in Buchform.

Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Agrarökonomik, Arbeitsgruppe Agrarmarketing

A-1190 Wien, Peter-Jordan-Straße 82
Tel.: (01) 476 54-3561
Fax: (01) 476 54-3562
E-Mail: schiebel@edv1.boku.ac.at
Internet: www.boku.ac.at/iao

Testet Unternehmen ebenfalls in öko-sozialer Hinsicht. Bewertet werden vor allem Umweltmanagement, Umweltschutzmaßnahmen, Informations- und Produktpolitik, Wahrung der Arbeitnehmerinteressen inklusive Frauen- und Behindertenförderung sowie Ausländerintegration.

IMAS International (Institut für Markt- und Sozialanalysen GmbH) und Synerga

IMAS
A-1090 Wien, Porzellangasse 22
Tel.: (01) 310 94 97
Fax: (01) 310 949 88
E-Mail: imas_wien@imas-international
Internet: www.imas-international.com

Synerga
A-2500 Baden, Allandgasse 19
Tel.: (02252) 849 51
Fax: (02252) 84 95 14
E-Mail: synerga@magnet.at

Testen gemeinsam Unternehmen im ganzheitlichen Sinn, wenn diese Einblick in die eigene Unternehmenskultur erhalten wollen. Die Testergebnisse sind Konsumenten üblicherweise nicht zugänglich.

TransFair

A-1010 Wien, Wipplingerstraße 32
Tel.: (01) 533 09 56
Fax: (01) 533 09 57
E-Mail: transfair.a@magnet.at
Internet: www.transfair.or.at

Gütesiegel für Produkte aus der Dritten Welt im Zusammenhang mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, fairen Löhnen, ökologischer Verträglichkeit u.a.

EZA Entwicklungszusammenarbeit mit der Dritten Welt GmbH

A-5101 Bergheim, Plainbachstraße 8
Tel.: (0662) 45 21 78-24
Fax: (0662) 45 25 86
E-Mail: office@eza3welt.at
Internet: www.eza3welt.at

Ist als Importorganisation in Österreich der größte Lizenznehmer des TransFair-Gütesiegels. Die aus der Dritten Welt importierten Produkte werden vor allem in den Weltläden, eher spärlich auch in Einzelhandelsgeschäften und Supermärkten vertrieben. Einkaufsführer kann angefordert werden.

Clean Clothes

Frauensolidarität
A-1090 Wien, Berggasse 7
Tel.: (01) 317 40 20-352
Fax: (01) 317 40 20-355
E-Mail: fsoli@magnet.at
Internet: www.oneworld.at/cleanclothes, www.cleanclothes.org

Versuchen mit Kampagnen die großen Modehäuser, Bekleidungs- und Sportartikelhersteller zur Unterzeichnung eines Kodex zu bewegen, der den Zulieferbetrieben einen existenzsichernden Lohn, Arbeitszeitregelungen und Überstundenzuschläge, Schutz vor Zwangs- und Kinderarbeit sowie Diskriminierung, das Recht auf Gesundheitsvorsorge u. Ä. zuerkennt.

Blumengütesiegel

Brot für Hungernde
A-1180 Wien, Blumengasse 4/6
Tel. (01) 405 76 31
E-Mail: brot.projekte@evang.at, fian-oe@oneworld.at

Gütesiegel für Blumen aus Farmen mit existenzsichernden Löhnen, Verbot von Kinderarbeit, Gesundheitsvorsorge, verantwortlichem Umgang mit natürlichen Ressourcen, Verbot von hochgiftigen Pflanzenschutzmitteln usw.

Fair essen

Gewerkschaft Agrar – Nahrung – Genuss (ANG)
A-1080 Wien, Albertgasse 35
Tel.: (01) 401 49-35
Fax: (01) 401 49-20
E-Mail: ang@ang.oegb.or.at
Internet: www.oegb.or.at/ang

Initiative für die Verwendung von Nahrungsmitteln aus biologischem Anbau, saisongerechtem Angebot, regionaler Herkunft, artgerechter Tierhaltung, fair gehandeltem Sortiment sowie gesunden Rohstoffen und Zutaten.

Darüber hinaus existieren im Ausland Initiativen wie Rugmark (Teppiche ohne Kinderarbeit) und Step (Teppiche ohne Kinderarbeit und faire Löhne für die Knüpfer), in Österreich noch nicht vertreten beziehungsweise erst im Aufbau.

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