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Ölkonzerne im Ethiktest - Alles super?

  • Eine der schmutzigsten Branchen der Welt auf dem Prüfstand
  • Alle in Österreich aktiven Multis wurden bewertet
  • Welche Marke die wenigsten schwarzen Flecken hat

Schwarzes Gold, schwarzes Image

Schwarzes Gold“ wird das Erdöl genannt, und schwarz ist auch das Image dieser Branche. Kein anderer Industriezweig steht derart unter Beschuss wie die Ölmultis. Ihre Produkte sind Hauptverursacher des Treibhauseffekts. Schwefeldioxid und Stickoxide werden freigesetzt, die als saurer Regen die Umwelt vergiften. Flüchtige Kohlenwasserstoffe und Rußpartikel gefährden Leben und Gesundheit von Millionen Menschen.

Lecke Tanker, undichte Pipelines

Lecke Öltanker und undichte Pipelines bedrohen das Ökosystem gerade in den besonders sensiblen Gebieten. Neue Ölquellen befinden sich vornehmlich in Ländern, in denen die Menschenrechte grob missachtet werden, die dortige Bevölkerung wird ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Hinter zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen stecken die wirtschaftlichen Interessen der Ölkonzerne. Und nicht zuletzt profitieren die Konzerne vom rasant steigenden Ölpreis, der als eine der Hauptursachen für die lahmende Konjunktur in Europa angesehen wird.

Shell investiert in Alternativenergie

Angesichts der Fülle an Kritik fällt es schwer, Unterschiede festzustellen. Sind alle Akteure in diesem Spiel um Macht und Geld gleichermaßen zu verurteilen? Oder gibt es nicht auch Firmen, die glaubwürdig um eine Besserung bemüht sind? Ist es egal, ob ein Konzern wie Exxon Befürchtungen einer globalen Erwärmung als „schiere Spekulation“ abtut und seine Investitionen in erneuerbare Energien konsequent zurückfährt oder – wie Shell – den Ehrgeiz hat, eine führende Rolle bei der Entwicklung von Alternativenergien zu übernehmen, auch wenn deren Anteil an den Gesamtinvestitionen immer noch im Promillebereich liegt?

Wie offen sind Ölkonzerne? 

Wir haben die Ölkonzerne aufgefordert, uns Belege für ihr Verantwortungsbewusstsein vorzulegen. Die Offenheit der Unternehmen stand dabei im Vordergrund; weiters wurden Medienberichte sowie Berichte von Stakeholdern (Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften) berücksichtigt. Das Untersuchungsergebnis wurde einer Gruppe von Stakeholdern vorgelegt und – gegebenenfalls – berichtigt. Das Ergebnis finden Sie in der Testtabelle .

Sechs Ölkonzerne in Österreich

Auf dem österreichischen Markt sind nur mehr sechs „Big Player“ vertreten, Konzerne, die von der Förderung von Rohöl über die Verarbeitung in Raffinerien bis zum Detailverkauf über das eigene Tankstellennetz alle Stufen kontrollieren. Alle sechs sind in dieser Untersuchung vertreten. Daneben gibt es eine Reihe von Firmen, die nur im Handel mit Fertigprodukten aktiv sind; davon wurde die größte, Avia, in die Erhebung einbezogen.

Starke reglementierte Branche

Wegen der großen Bedrohung für die Umwelt ist die Ölindustrie einer der höchstreglementierten Wirtschaftssektoren. Viele Umweltinvestitionen werden durch Gesetze vorgeschrieben und sind damit nicht Ausdruck eines besonderen Verantwortungsbewusstseins der Unternehmen. Ein weiterer wichtiger Ansporn für die Multis ist der öffentliche Druck.

Shell hat Lektion gelernt

Am Beispiel von Shell: Als der niederländische Konzern im Jahr 1995 die Nordsee-Plattform „Brent Spar“ versenken wollte, boykottierten Millionen Autofahrer die renommierte Marke. An den Tankstellen wurden Umsatzrückgänge bis zu 50 Prozent konstatiert. Nach wenigen Wochen gab Shell den Plan auf. Heute kann Shell zu den Spitzenreitern der Branche gezählt werden: in unserer Untersuchung zweiter Platz hinter BP, mit deutlichem Vorsprung vor dem Rest der Konkurrenz.

Exxon: Feindbild für Umweltschützer

Neben der heimischen OMV findet sich auch ExxonMobil darunter, der (nach Börsenwert) größte und profitabelste Multi. Der US-Konzern ist Feindbild Nummer eins für die meisten Umweltschutzorganisationen. Sein aggressives Lobbying wird als hauptverantwortlich dafür angesehen, dass beim Kampf gegen den Klimawandel (Kyoto-Protokoll) nichts weitergeht.
Doch selbst die Leistung der Bestplatzierten ist nicht gerade überragend. In einigen Bereichen gibt es schwer wiegende Kritik. Ein A-Rating ist nicht der Normalfall, wie es bei Branchenvorreitern üblich sein sollte, sondern bleibt eher die Ausnahme: So kann auch BP nur in drei von zehn Bereichen für sich in Anspruch nehmen, die Erwartungen weitgehend zu erfüllen. Dass auch kleinere Unternehmen mit den Branchenführern mithalten können, belegen die finnische
Neste Oil und die spanische Repsol (nicht in der Tabelle). Sie würden etwa gleichauf mit BP und Shell liegen.

Mäßige Ergebnisse bei OMV

Zentrales Kriterium für ökologisches Verantwortungsbewusstsein ist ein formalisiertes Umweltmanagementsystem (EMAS oder ISO14001), das von externer (unternehmensunabhängiger) Stelle zertifiziert wird. Nur einer der in Österreich aktiven Multis erfüllt diesen Anspruch weitgehend: BP lässt seine Umweltaktivitäten zu mehr als 90 Prozent extern zertifizieren. Die OMV kommt demgegenüber erst auf 50 Prozent. Besonders schlecht ist es um Umweltmaßnahmen im Distributionsbereich (Treibstoffdepots und Tankstellen) bestellt. Alle Unternehmen halten sich bei Informationen darüber auffallend zurück.

Bessere Werte im Sozialen

Insgesamt einen etwas höheren Erfüllungsgrad verzeichnen die sozialen Kriterien. Das liegt allerdings auch in den niedrigeren Anforderungen begründet. So haben sich zwar die meisten Multis zur Einhaltung sozialer Mindeststandards verpflichtet, die (externe) Kontrolle darüber ist aber noch sehr unzureichend gesichert. Alle Ölkonzerne sind in Ländern präsent, deren Menschenrechtssituation als prekär angesehen wird.

Wenig Fortschritt in armen Ländern

Der generelle Aufwärtstrend, den diese Untersuchung bestätigt, wird von Kritikern in Abrede gestellt. Trotz schöner Worte in Umwelt- und Sozialberichten und medial aufbereiteter Initiativen würde sich das Verhalten vor allem in der Dritten Welt nicht ändern. So berichten auch Seifert/Werner in ihrem „ Schwarzbuch Öl “ über ein kaspisches Pipelineprojekt der BP, das einen Nationalpark streift, oder über OMV-Ölfelder in Ecuador, die die Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung bedrohen. In der Zwischenzeit hat die OMV diese Beteiligung verkauft – weil Lateinamerika „nicht zu den Kernregionen der OMV gehört“.

Ölfirmen unzufrieden mit Testergebnissen

Die Ölgesellschaften ihrerseits finden positive Entwicklungen im vorliegenden Ethiktest nicht ausreichend gewürdigt. Seitens der OMV wurde bedauert, dass gleich zwei Publikationen über soziale und ökologische Maßnahmen des Konzerns erst vor Kurzem erschienen und deshalb nicht im Ergebnis berücksichtigt worden seien.

Ölkonzerne Unternehmensethik
"Konsument"-Kurzbewertung

Marke Unternehmen/Bewertung
BP

BP

Spitzenreiter, vor allem dank seiner umfangreichen Umweltmaßnahmen. Auch Kritiker attestieren Rücksichtnahme, dennoch in umstrittene Projekte involviert. Laut US-Gewerkschaften für die meisten tödlichen Arbeitsunfälle in Amerika verantwortlich.

Royal Dutch Shell

Royal Dutch Shell

Führend im sozialen Bereich. Erste Schritte zu einer echten Kontrolle der Einhaltung der Sozialstandards. Dennoch wird vor allem das Engagement in Nigeria nach wie vor vehement kritisiert. Auch die Umwelt-Performance wird in Zweifel gezogen.

OMV

OMV

Bereits deutlicher Abstand zu den Spitzenreitern der Branche. Kann aber im sozialen Bereich stark punkten – gleichauf mit BP. Gewerkschaften loben „exzellente Beziehungen“. Die Umweltaktivitäten erscheinen im Vergleich zu den großen Konzernen wenig ambitioniert.

ConocoPhilips

ConocoPhillips

Der kleinere der beiden US-Konzerne fällt weder positiv noch negativ auf. Die Anstrengungen im Umweltbereich sind bescheiden, keine externe Zertifizierung. Positiv die Sozialleistungen; aber keine Selbstbeschränkung für Aktivitäten in totalitären Ländern.

ExxonMobile

ExxonMobil

Bis auf ein einigermaßen gut dokumentiertes (aber nicht zertifiziertes) Umweltmanagementsystem gibt es kaum nennenswertes ökosoziales Engagement. Nur die relativ große Informationsbereitschaft sichert das durchschnittliche Gesamtrating.

ENI

ENI

Die Italiener sind vor allem im Ökobereich Nachzügler. Beteiligung an einem umstrittenen Pipeline-Projekt in Ecuador. Besser wird der Sozialbereich bewertet. Bei der Respektierung der Sozialstandards (upstream) nur von Shell übertroffen.

AVIA

AVIA

AVIA steht für die größte unabhängige Marke in Österreich (98 Tankstellen). Die Firma hüllt sich in Schweigen, soziale Verantwortung wird vollständig ignoriert. (Andere Tankstellenbetreiber im Ausland sind übrigens um nichts besser.)

Ölkonzerne im Ethik-Test: So wurde erhoben

Der Ethik-Test wurde im Auftrag europäischer Verbraucherorganisationen von der belgischen Research-Agentur Stock at Stake durchgeführt. Untersucht wurden 20 Ölkonzerne und 14 Ölhandelsfirmen. Aus dieser Gruppe veröffentlichen wir die Ergebnisse über jene Unternehmen, die in Österreich präsent sind.

Wie die Erhebung durchgeführt wurde

Die Firmen wurden aufgefordert, einen Fragebogen auszufüllen und Belege für ihr Verantwortungsbewusstsein vorzulegen. Ergänzend wurden Medienberichte sowie Berichte von Stakeholdern (Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften) berücksichtigt. Das Untersuchungsergebnis wurde schließlich einer Gruppe von Stakeholdern vorgelegt und – gegebenenfalls – berichtigt.

Bewertung relativ, nicht absolut

Die Beurteilung erfolgt in 10 Indikatoren aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Transparenz (Informationsoffenheit). Die Bewertung erfolgt in 5 Stufen von A = 5 Punkte = (fast) alle definierten Bedingungen wurden erfüllt bis E = 1 Punkt = (fast) keine der definierten Bedingungen erfüllt. Die Festlegung der Bedingungen erfolgte branchenbezogen, ein A-Rating bedeutet also, dass das Unternehmen Branchenbester ist (bzw. einer der Branchenbesten). Es bedeutet aber nicht unbedingt, dass das Unternehmen in diesem Punkt als „sehr gut“ bezeichnet werden kann.

Die Kriterien im Einzelnen

Im folgenden eine – beispielhafte – Auswahl der Erhebungskriterien:

Umwelt

Umweltmanagementsystem: Anteil der Aktivitäten, die nach internationalen Standards zertifiziert bzw. zumindest gut dokumentiert sind.

Maßnahmen upstream (Exploration und Produktion von Rohöl): Energienutzung, Emission von Treibhausgasen (CO2, Methan ...) und andere Emissionen in die Luft (NOx, SOx, Partikel ...), Oil spills (Ölverschmutzung), Wasseremissionen und Wasserrecycling, Abfallbehandlung (v.a. Bohrschlamm).

Maßnahmen downstream (Transport, Raffinerie und Lagerung): Energienutzung, Luftemissionen, Wassernutzung, Abwasserbehandlung, Spills (Ölverschmutzung von Boden und Gewässern).

Initiativen im Distributionsbereich: Rückgewinnung von Kohlenwasserstoffgassen während des Tankvorganges, wasserdichte Bodenabdeckungen, doppelwandige Tanks mit Leck-Detektor ...

Soziales

Sozialstandards upstream (Exploration und Produktion von Rohöl): Respektierung der zentralen Sozialstandards wie Nichtdiskriminierung, Gewerkschaftsfreiheit, keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit, Arbeitszeitregelung, Mindestlohn, Gesundheit und Sicherheit; weiters Rechte indigener Völker, Präsenz in (bezüglich Menschenrechten, Korruption ...) „sensiblen“ Staaten.

Sozialstandards downstream (Transport, Raffinerie und Lagerung): Respektierung der Sozialstandards, v.a. Nichtdiskriminierung, Gewerkschaftsfreiheit, Gesundheit und Sicherheit.

Managementsystem und Maßnahmen: Nichtdiskriminierung, Ausbildung in Sozialpolitik, Konsultierung von und Verhandlungen mit Arbeitnehmern, Monitoring- und Berichtssystem, Bewertung der sozialen Auswirkungen von Projekten (social impact assessment), Performance und Zertifizierung im Bereich Gesundheit und Sicherheit.

Auflagen an Zulieferer: Formelle Verpflichtung an Zulieferbetriebe zur Einhaltung der Sozialstandards (wie oben), Monitoring- und Berichtssystem, externe Überprüfung.

Informationsoffenheit

Kooperationsbereitschaft: Umfang der zur Verfügung gestellten Unterlagen, Einhaltung von Fristen.

Berichterstattung: Beurteilung (gemäß den Leitlinien der GRI – Global Reporting Initiative) der öffentlich zugänglichen Berichte über CSR (ökologische und soziale Verantwortung) im Hinblick auf Ausführlichkeit und Abdeckung aller Unternehmensbereiche.

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