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Textilien und Nachhaltigkeit - Faire Kleidung gesucht

Unsere Kleidungsstücke werden oft in Billiglohnländern unter unvorstellbaren Bedingungen produziert. Kleidung Made in Austria gibt es kaum mehr.

April 2013: Beim Einsturz der baufälligen Textilfabrik Rana Plaza in Savar, Bangladesch, sterben 1133 Menschen, über 2400 werden verletzt. Wenige Monate davor ­waren beim Brand einer Fabrik in Tazreen 112 vorwiegend weibliche Arbeiter ums ­Leben gekommen. Textilmarken wie KiK, C&A, Mango oder Benetton hatten in diesen Fabriken produzieren lassen.

Extrem niedrige Lohnkosten

Kleidung, die wir in Europa kaufen, wird zum Großteil in Asien, Lateinamerika, Afrika und Osteuropa unter teils haarsträubenden Bedingungen produziert. Von der Herstellung in Billiglohnländern profitieren Textilkon­zerne durch extrem niedrige Herstellungs- und Lohnkosten – das gilt für Billigmarken ebenso wie für Designermarken. Wegen der schlechten Bezahlung ist es den Arbeite­rinnen trotz Überstunden nicht möglich, ihre Familien ausreichend zu versorgen (90 Prozent der Arbeitskräfte in der Bekleidungs­industrie sind Frauen).

Miserable Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen der Fabrikarbeiterinnen sind miserabel: Immer wieder gelangen Meldungen über Unfälle und Brände in Textilfabriken, die Hunderte Arbeitskräfte das Leben kosten, an die Öffentlichkeit. Aber auch ohne spektakuläre Zwischenfälle riskieren die Betroffenen Leben und Gesundheit: Im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu etwa schuften Tausende junge Mädchen in zwangsarbeitsähnlichen Verhältnissen. Für das Versprechen von guter Bezahlung, bequemen Unterkünften und Geld für ihre Mitgift verpflichten sie sich als Arbeitskräfte bei Textil- und Bekleidungsfabriken.

Diesel, Ralph Lauren, NKD & Co

Dort erwarten sie unmenschliche Lebens- und Arbeitsbedingungen: Je nach Auftragslage werden die Mädchen gezwungen, bis zu 16 Stunden, in Produktionsspitzenzeiten sogar bis zu 24 Stunden am Stück zu arbeiten. 18 Prozent der betroffenen Mädchen sind jünger als 15 Jahre, 60 Prozent zwischen 15 und 18 Jahre alt. Unternehmen wie NKD, C&A und Markenfirmen wie Diesel, Quiksilver, Ralph Lauren und Timberland beziehen Ware von Fabriken, die diese Mädchen beschäf­tigen.

Die Clean Clothes Kampagne setzt sich für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsbranche ein und prüft in ihrem Firmencheck die Unternehmensverantwortung großer Modemarken.


Hier finden Sie alle KONSUMENT-Artikel zum Ethischen Konsum.

Abkommen für sichere Arbeitsplätze

Wegweisendes Abkommen

Nach dem Einsturz der Textilfabrik in Savar kam Bewegung in die Bekleidungsbranche. 70 Unternehmen, darunter Textilriesen wie H&M, C&A, Benetton, aber auch Handels­ketten wie Tchibo, Hofer oder Rewe, unterschrieben im Juni dieses Jahres ein Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz. Andere wie die US-amerikanischen Konzerne Gap und Walmart und die europäischen ­Unternehmen Charles Vögele und Tally Weijl verweigerten die Teilnahme.

Unternehmen werden an Sanierungs-Kosten beteiligt

"Das Abkommen ist zweifellos ein Meilenstein für die bangladeschische Bekleidungsindustrie", so Michaela Königshofer von der Clean Clothes Kampagne. "Die Firmen unterzeichnen damit ein transparentes, rechtlich bindendes Abkommen, das die lokalen Gewerkschaften einbindet und die Unternehmen finanziell an den Sanierungen der Fabriken beteiligt."

Verpflichtende Repara­turen und Sicherheitsinspektionen

Das Abkommen umfasst unabhängige Sicherheitsinspektionen, verpflichtende Repara­turen und Renovierungen, die Möglichkeit, Geschäftsbeziehungen mit den Fabriken zu beenden, wenn diese notwendige Sicherheitsmaßnahmen ablehnen, sowie die Involvierung der betroffenen Arbeitskräfte und Gewerkschaften. Ein Kernstück des Abkommens ist die Kostenbeteiligung: Die Unter­nehmen verpflichten sich dazu, für Instandhaltungskosten in ihren Zulieferbetrieben aufzukommen und damit die Arbeitsplätze sicherer zu machen.

Gefährliche Arbeit kann verweigert werden

Das Abkommen garantiert den Arbeitern auch das Recht, gefähr­liche Arbeit zu verweigern, wie es die Kon­vention 155 der ILO (International Labour ­Organization) vorsieht. Die Clean Clothes Kampagne übernimmt eine Beobachterrolle.

Made in Austria

Made in Austria

Konsumenten, die wissen wollen, wo ein Kleidungsstück hergestellt wurde, haben es nicht leicht: Es gibt in Österreich und EU-weit keine verpflichtenden Herkunftsangaben. Bei Mode "Made in Austria" ist die letzte wesentliche Verarbeitungsstufe ausschlaggebend. "Für eine 'Made in Austria'-Kennzeichnung muss lediglich die Konfektionierung eines Bekleidungsteiles (Zuschneiden, Zusammennähen) in Österreich erfolgen", erklärt Eva-Maria Strasser vom Fachverband Textilindustrie, Berufsgruppe Bekleidung.

80 Prozent wird in Osteuropa gefertigt

"Das sagt allerdings nichts über die Herkunft des Stoffes aus." Laut Strasser lassen österreichische Unternehmen zu 80 Prozent in Osteuropa fertigen, einige wenige wie ­Triumph, Tostmann oder JMB Fashion in Österreich selbst. "Österreichische Marken bieten keine Massenware, sondern Nischenprodukte wie Trachten oder Sportbekleidung mit hoher Qualität", ergänzt Strasser.

 Wertschöpfungs-Richtlinie liegt auf Eis

Pläne der EU, "Made in ..."-Kennzeichnung nur noch zu erlauben, wenn mindestens 45 Prozent der Wertschöpfung aus diesem Land stammen, liegen auf Eis. Das 2004 eingeführte freiwillige Label "Made in the EU" wird in erster Linie von osteuropäischen ­Ländern verwendet.

Fairtrade, Bio-Zertifikate

Welches Gütesiegel ist vertrauenswürdig?

 

Der Global Organic Textile Standard (GOTS) ist das momentan anspruchs­vollste Label für den Massenmarkt – neben der Umweltfreundlichkeit im gesamten Produktionsprozess werden auch soziale Standards ­geprüft.

Die Naturtextil-Branche hat ein ­eigenes Siegel, IVN Best – es garantiert das aktuell maximal umsetzbare Niveau an ­Textilökologie. So dürfen nur Fasern aus ­kontrolliert biologischem Anbau verwendet werden; auch bei Knöpfen oder Reißverschlüssen gibt es strenge Auflagen.

Fairtrade-Mode

Fairtrade-Mode stammt oftmals aus biologischem Anbau, aber nicht immer. Wäre der faire Handel von Anfang an mit "bio" verknüpft, würden damit viele der ärmsten Bauern­familien vom fairen Handel ausgeschlossen. Deshalb verfolgt Fairtrade eine Strategie, die Produzentenorganisationen bei der Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft nach Kräften unterstützt, diese aber nicht zur Vorbedingung macht.

Bio-Zertifikat für Baumwolle

Das Bio-Zertifikat für Baumwolle garantiert ausschließlich den ökologischen Anbau der Faser – über die Weiterverarbeitung bis hin zum fertigen Kleidungsstück sagt es nichts aus. Noch weniger aussagekräftig ist das weitverbreitete Siegel Öko-Tex Standard 100. Es sagt überhaupt nichts über Anbau und Herstellungsbedingungen aus. Es bestätigt lediglich, dass das Endprodukt frei von Schadstoffen ist, nicht aber, dass bei der Produktion keine Schadstoffe eingesetzt worden wären.

Die Grenzwerte gehen überdies nur gering­fügig über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Die Siegel der großen Ketten wie C&A oder H&M garantieren immerhin die Verwendung von Bio-Baumwolle.

Unabhängige Gütesiegel, Fair Wear Foundation

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen

  • unabhängigen Gütesiegeln bzw. auf Initiative von NGOs oder unter deren Beteiligung entstandenen Siegeln (z.B. GOTS) und
  • unternehmenseigenen Siegeln (z.B. bioRe).

Unabhängige Gütesiegel werden durch Zertifizierungsorganisationen vergeben. Kriterien für die Zertifizierung sind vor allem der Verzicht auf Kinderarbeit sowie die Einhaltung von Mindestlöhnen und Mindest-Arbeitsstandards. Gütesiegel, die von einer unabhängigen Organisation zertifiziert oder zumindest mitgetragen werden, sind daher glaubwür­diger als unternehmenseigene. Nachhaltige Modelabels gibt es in den Weltläden (84-mal in Österreich) sowie in vielen einschlägigen kleinen Geschäften und Onlineshops.

Die Fair Wear Foundation (FWF) ist eine aus den Niederlanden stammende "Multi­stakeholder Initative" mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie in den Produktionsländern zu verbessern. Diese niederländische Initiative zeichnet Textilfirmen aus, die sich an die Richtlinien der ILO für Arbeitsbedingungen halten. Die meisten großen Textilunter­nehmen sucht man vergeblich auf der Homepage der FWF, andere wie Hess Natur, Jack Wolfskin oder Takko sind Mitglieder.

September 2013: einige Unternehmen, u.a. Bon Marché und KiK, die ihre Kleidung in den Fabriken von Rana Plaza und Tazreen fertigen ließen, treffen in Genf zu Verhandlungen über Entschädigungszahlungen für die Familien der Opfer zusammen. Andere wie C&A, Benetton oder Mango weigern sich, an den Gesprächen teilzunehmen. Das Ergebnis der Gespräche fällt dürftig aus; die britische Handelskette Primark hat als einziges Unternehmen bereits Geld an die betroffenen ­Familien ausgezahlt und verpflichtet sich zu weiteren drei Monatsgehältern. Die anderen Firmen wollen immerhin zu einem Fonds ­beitragen. Wie die Verhandlungen abliefen lesen Sie in dem Brand-eins-Artikel "Die Getriebenen"(9/2013).

Wo gibt es nachhaltige Kleidung?

  • Clean Clothes Firmencheck:
    www.cleanclothes.at/de/firmen-check
  • Fair Wear Foundation – Mitglieder:
    www.fairwear.org/562/your_shoppinglist
  • Greenpeace Ratgeber Kleidung:
    http://www.greenpeace.org/austria/de/marktcheck/themen/kleidung/konsum/gruene-mode
  • Greenpeace Gütesiegel Textilien:
    http://www.greenpeace.org/austria/de/marktcheck/themen/bewusst-einkaufen/konsum/siegel-zertifikate-guetezeichen/guetezeichen-textilien
  • Fair Fashion Finder:
    www.getchanged.net  

Buchtipp: "Nachhaltig leben"

Durch das eigene Konsumverhalten einen Beitrag zu einer "besseren" Welt zu leisten, ist der Wunsch vieler Verbraucher. Doch welche Möglichkeiten hat der Einzelne, dies im Alltag umzusetzen? Unser Buch gibt Tipps und Anregungen für all jene, die ganz individuell zu einem verantwortungsvollen Lebensstil finden wollen.

www.konsument.at/nachhaltig-leben

Aus dem Inhalt

  • Lebensmittel: fair und natürlich
  • Lifestyle: modisch, aber ökologisch
  • Mobilität, Tourismus, Freizeit
  • Nachhaltigkeit im Haushalt
  • Abfall vermeiden, Ressourcen schonen
  • Trend: gemeinsam nutzen statt besitzen

160 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Nachhaltig leben (Bild:VKI)

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