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Die Bahn - Von Schienen und Weichen

Da fährt die Eisenbahn drüber

Über die Bahn kann man denken, was man will, aber eines kann man ihr nicht absprechen: Kein anderes Verkehrsmittel ist in so vieler Munde. Ist doch seit Menschengedenken kein Tag vergangen, an dem nicht ein Politiker gerufen hätte, man müsse „die Weichen für die Zukunft stellen“.

Untermauert wird die Weichenstellung naturgemäß mit der Versicherung „Da fährt die Eisenbahn drüber!“. Weil das Leben aber nicht nur Weichen, sondern auch Härten aufweist, kommt es immer wieder vor, dass jemand „auf den fahrenden Zug aufspringen“ will. Und wenn er bei diesem Versuch den Boden küsst, reift die Erkenntnis: „Dieser Zug ist endgültig abgefahren“. So ist die Bahn auch in jenen Gehirnen verankert, in denen sich niemals der Gedanke bildet, sie könnten damit reisen. Sogar eingefleischte Automobilisten schrecken nicht davor zurück, die Straßenlage ihres Wagens mit „wie auf Schienen“ zu bejubeln, obwohl ihnen die Vorstellung, ohne Lenkrad vor dem Bauch durch die Landschaft zu rasen, als geradezu pervers erschiene.

Der Lokführer steht bei kleineren Buben noch immer im Geruch eines Traumberufs – speziell bei frühreifen Knirpsen, die schon am Töpfchen an eine frühe Pension denken. Leider passiert es der Eisenbahn immer wieder, dass die allgemeine Wertschätzung Risse bekommt. Dieser Fall pflegt einzutreten, sobald die Bahn benützt wird.

Verweichlichte Touristen, die schon ein Flugreise-Menü in der Holzklasse für den Tiefpunkt der Zivilisation hielten, erzählen von unfassbaren Qualen im Buffetwagen. Grantelnde Geschäftsreisende verlassen die Bahnhöfe mit dem bösen Slogan „Nerven sparen oder Bahn fahren“ auf den Lippen. Flugreisende, die ganze Tage in Transiträumen abgesessen haben, sind der Bahn schon böse, wenn sie läppische 180 Minuten Verspätung hat.

Andererseits protestieren Leute, die nicht einmal im Albtraum mit der Bahn fahren, lauthals gegen die Abschaffung von Nebenbahnen.

Es ist wie so oft in der Liebe: Sie wächst mit der Entfernung. Da fährt die Eisenbahn drüber.

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