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Winter- und Ganzjahresreifen - Eine Frage der Balance

Erstmals wurden Ganzjahres­reifen in einem eigenen Verfahren getestet. Die unterschiedlichen Anforderungen können sie nicht vereinen – Schwächen zeigen aber auch die Winterreifen, von denen wieder zwei Dimensionen auf den Prüfstand kamen.

Die Tatsache, dass dieses Mal nur ein einziger von insgesamt 37 Reifen komplett durch­gefallen ist, bedeutet nicht, dass es keine schlechten Autoreifen mehr gibt, es waren lediglich keine chinesischen Billigreifen im Testprogramm. Trotzdem gab es einen Ausreißer in der breiteren Winterreifen-Dimension 195/65 R15. Der serbische Trayal schoss sich mit schlechten Leistungen in fast allen Disziplinen aus dem Feld: Note „Nicht zufriedenstellend“. Einzig seine hohe Verschleißfestigkeit fiel positiv auf.

Ein weiterer Reifen, der eher durch seine Mängel als durch seine ­Talente hervorstach, ist der Falken HS439, der in beiden Dimensionen, also auch in der kleineren (175/65 R14) antrat und beide ­Male die Note „Weniger zufriedenstellend“ kassieren. Damit ist dieser Pneu nicht besser als die meisten Ganzjahresreifen (ebenfalls 175/65 R14) im Test.

Eigene Spielregeln für Ganzjahresreifen

Die Ergebnisse sind allerdings nicht hundertprozentig vergleichbar, denn für Ganzjahresreifen galten diesmal eigene Spielregeln. Bislang waren sie immer gemeinsam mit den Winterreifen getestet worden und auch völlig den Kriterien der Winterreifentests unter­geordnet.

Diesmal wurden zusätzlich die sommerlichen Schlüsseleigenschaften nach Art der Sommerreifen-Tests geprüft. Schließlich beanspruchen Ganzjahresreifen ja für sich, auch im Sommer eine gute Wahl zu sein. Das heißt im Detail: Die Tests auf trockener und nasser Fahrbahn wurden bei sommerlichen Temperaturen zur gleichen Zeit wie die Sommerreifentests durchgeführt. Die Tests auf Schnee und Eis sowie betreffend Kraftstoffverbrauch und Verschleiß erfolgten zeitgleich mit den aktuellen Winterreifentests.

Ganzjahresreifen: nur akzeptabel

Ganzjahresreifen: nur akzeptabel

Das Ergebnis war ernüchternd: In der Summe all dieser Eigenschaften schafften auch die beiden Besten nur ein „Durchschnittlich“. Damit ist klar, dass der weite Spagat zwischen trockener, heißer Fahrbahn im Sommer und kalter, nasser oder verschneiter Fahrbahn im Winter große Kompromisse erfordert.

Vergleicht man zum Beispiel den Bremsweg auf trockener Fahrbahn im Sommer bei 30 Grad mit dem im Frühjahr bei 15 Grad, so ergeben sich bei Sommerhitze bis zu 15 Prozent län­gere Bremswege für ein und denselben Ganzjahresreifen.

Trockener Untergrund versus Schneefahrbahn

Und noch ein Faktum, das den Zielkonflikt trockener Untergrund versus Schneefahrbahn geradezu unüberwindlich erscheinen lässt: Der Vredestein Quatrac 3, der als einziger Ganzjahresreifen auf trockener Fahrbahn Sommerreifen-Niveau erreichte, schnitt auf Schneefahrbahn am schlechtesten ab. Auch auf Eis konnten die Ganzjahresreifen nicht mit den Winterreifen mithalten.

Die Unterschiede beim Kraftstoffverbrauch zwischen dem besten und dem schlechtesten Modell sind mit 4 Prozent hingegen ähnlich gering wie bei den Winterreifen. Auch die großen Unterschiede in der Lebensdauer bewegen sich auf üblichem ­Niveau: Die höchste Laufleistung schaffte der Kleber, während Hankook und Rigdon 40 Prozent weniger weit kamen.

Winterreifen: neun gute

Winterreifen: 9 gute

Die Dimension 175/65 R14 ist unter Klein­wagen und älteren Kompaktwagen sehr verbreitet und auch für den Pionier unter den Hybridautos geeignet, den Toyota Prius. Drei Neuerscheinungen sind zu melden: Good­year UltraGrip 8 und Pirelli Winter 190 Snowcontrol Serie 3 wurden neu entwickelt, ­Michelin erweiterte seine Modellpalette des Alpin A4 nun auch auf diese Dimension. Der Continental TS800 ist zwar schon seit sechs Jahren im Programm, wurde aber immer ­wieder weiterentwickelt und hat zuletzt noch einmal Fortschritte im Kraftstoffverbrauch gemacht.

Gleichmäßige Leistungen auf ­hohem Niveau

Die Hersteller verfolgen offenbar bestimmte Strategien, wenn es um eine zufriedenstellende Bewältigung der Zielkonflikte geht. Die Reifen auf den vorderen Plätzen zeigen durchwegs gleichmäßige Leistungen auf ­hohem Niveau, setzen punktuell aber gerne Akzente.

Michelin mit Best­note im Verschleiß

So wurde Michelin mit der Best­note im Verschleiß wieder seinem guten Ruf in Sachen Laufleistung gerecht, während Continental mit Bestnoten auf Schnee und beim Verbrauch glänzte. Dunlop hingegen setzt auf seine Talente als Allrounder, ­gewinnt nirgends die Wertung, schneidet insgesamt aber trotzdem als Vierter ab. Wer besonderen Wert auf exzellente Fähigkeiten bei Nässe legt, ist dagegen mit dem Goodyear am besten dran.

EU-Reifenkennzeichnung

Herausforderung für Reifenhersteller

Die Dimension 195/65 R15 reicht von kräf­tiger motorisierten Kompaktwagen bis tief in die Mittelklasse hinein, ist damit also eine sehr weit verbreitete Reifengröße. Dementsprechend ernst nehmen die Reifenhersteller auch die Herausforderung. Während bei der kleineren Dimension nur drei Marken die Note „Gut“ errangen, schafften dies hier immerhin sechs. Aber auch ein Durchfaller ist hier zu finden, der eingangs bereits erwähnte Trayal mit katastrophalem Ergebnis bei Nässe, der in keiner Disziplin überzeugen konnte außer beim Verschleiß.

Auch hier ist eine klare Positionierung der Marken festzustellen. Continental und Semperit überzeugen mit geringem Verbrauch, Michelin und Dunlop mit dem geringsten Verschleiß und Goodyear mit der Bestnote bei Nässe. Der finnische Nokian hat die Note „Gut“ nur knapp verfehlt – Bestnote auf trockener Fahrbahn, aber leichte Schwächen bei Nässe führten zur Abwertung.

EU-Reifenkennzeichnung

Die EU-Reifenkennzeichnung, die ab kommendem Jahr ähnlich dem Kühlschrankpickerl die wichtigsten Eigenschaften des Produktes auf einen Blick kenntlich machen soll, wirft offenbar schon ihre Schatten voraus. Jedenfalls besteht der Verdacht, dass der GT Radial darauf hingetrimmt wurde. Das Bremsen bei Nässe, das in der Label-Bewertung enthalten ist, meistert dieser Reifen nämlich ganz gut, während u.a. das Kurvenverhalten auf deutlich niedrigerem Niveau blieb.

Testtabelle: 10/2011 Winterreifen 175/65 R 14 T

Testtabelle: 10/2011 Winterreifen 195/65 R 15 T

Testtabelle: 10/2011 Ganzjahresreifen 175/65 R 14 T

Zusammenfassung

  • Verschleiß. Der wahre Preis eines Reifens steht nicht auf dem Preisschild. Die Abrechnung erfolgt erst am Ende seiner Laufbahn. Manche Pneus halten doppelt so lang wie andere, kommen also mitunter auch dann deutlich billiger, wenn der Kaufpreis höher war. Vielfahrer spüren das besonders.
  • Verbrauch. Der Unterschied im Kraftstoffverbrauch zwischen den Reifen mit dem besten und dem schlechtesten Rollwiderstand liegt je nach Dimension zwischen vier und sechs Prozent im gesamten Testfeld, das sind zwischen 0,2 und 0,4 Liter je 100 Kilometer. In der Praxis sind andere Einflussgrößen wie Umgebungstemperatur oder Fahrbahnbeschaffenheit entscheidender.
  • Ganzjahresreifen. Sie sind generell nicht in der Lage, jene speziellen Ansprüche zu erfüllen, wie dies bei reinen Sommer- oder Winterreifen der Fall ist. Dafür sind die Zielkonflikte einfach zu groß. Mittelmäßige Anforde­rungen erfüllen sie aber allemal, und man erspart sich das Umstecken und Einlagern.

Testkriterien

Aus einem internationalen Gemeinschaftstest veröffentlichen wir die Ergebnisse von Winterreifen.

TESTKRITERIEN WINTERREIFEN

Preise

Befragung von Anbietern im August. Alle Preise pro Stück, ohne Auswuchten, Ventil und Montage. Die angegebenen Preise sind eine Momentaufnahme zum Testzeitpunkt und können sich verändern.

Trockene Fahrbahn

Subjektive Beurteilung von Fahrstabilität und Handling auf einem Hochgeschwindigkeitskurs.
Bremsen: auf Asphalt aus 100 km/h.

Nasse Fahrbahn

Bremsen auf dauerberegnetem Asphalt und Beton aus 80 auf 20 km/h.
Aquaplaning auf Geraden: Einfahrt in ein 7 mm tiefes Wasserbecken und Beschleunigungen.
Aquaplaning in Kurven: Befahren einer 200-m-Kreisbahn mit einem dauerberegneten Teilstück von 4 mm Wassertiefe. Einfahrt mit konstantem Lenkeinschlag mit 65 bis 90 km/h.
Handling: Zeitwertung und subjektives Urteil auf dauerberegnetem 1900-Meter-Kurs.
Seitenführung: Befahren einer dauerberegneten Asphalt-Kreisbahn auf Zeit.

Schnee

Bremsen auf festgefahrenem Schnee aus 30 km/h.
Anfahren: Zugkraftermittlung in Abhängigkeit vom Schlupf.
Seitenführung, Traktion: Passfahren auf Zeit, bei Steigungen zwischen 8 und 12 Prozent.

Eis

Bremsen aus 20 km/h bis 9 km/h.
Seitenführung: Befahren einer Kreisbahn mit 18 Meter Durchmesser.

Verschleißfestigkeit

Prüfung auf einem Verschleißprüfstand über 5.000 km oder/und im Konvoi über eine Strecke von15.000 Kilometern. Messungen der Profiltiefe an den Hauptrillen und Schultern.

Kraftstoffverbrauch

Verbrauchsmessungen bei 100 km/h.

Geräusch

Außengeräusch: Messung der Abrollgeräusche auf einer ISO-Asphaltstrecke mit 80 km/h bei abgestelltem Motor in dB(A).
Innengeräusch: subjektive Beurteilung beim Rollen auf trockenem Asphalt und Beton von 80 bis 30 km/h.

Schadstoffe

PAK–Gehalt: Aus der Lauffläche wurden Proben entnommen und untersucht. Bewertet wird die Summe der 8 PAK (aus EU Richtlinie, karzinogen) in mg pro kg Laufflächengummi.

Schnelllaufprüfung

Höchstgeschwindigkeitstest nach den über die DIN 78051 hinausgehenden Anforderungen auf einem Außentrommelprüfstand. Von allen Reifen bestanden.

TESTKRITERIEN GANZJAHRESREIFEN 10/2011

Ganzjahresreifen wurden auf trockener und nasser Fahrbahn bei sommerlichen Temperaturen getestet. Die Tests auf Schnee und Eis sowie die Messung bzw. Beurteilung von Kraftstoffverbrauch und Verschleiß wurden unter winterlichen Bedingungen durchgeführt.

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