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Bankomatgebühr - Doppelt, dreifach, vielfach zahlen

, aktualisiert am

Die US-Firma Euronet verlangt für das Geldabheben 1,95 Euro Bankomatgebühr. Die Wettbewerbsbehörde prüft, ob die Warnhinweise korrekt sind. Der Finanzminister kann sich eine Kennzeichnungspflicht vorstellen, ist aber nicht dagegen. Die Diskussion um die Bankomatgebühr ist wieder da. Wir sagen: Es ist eine Geldbeschaffungsaktion auf Kosten der Kunden. Viele Bank-Argumente gehen ins Leere. Eine Analyse.

Wir raten Betroffenen, bei ihrer Hausbank gegen die Gebühr Einspruch zu erheben (VKI-Musterbrief Bankomatgebühr 7/2016). Wir prüfen - Stand 12.7.2016 - die rechtlichen Angriffspunkte gegen die (Weiter-)Verrechnung des Bargeldabhebungsentgelts und werden dies auch durch eine Verbandsklage gerichtlich zu klären versuchen. Jetzt kann sich auch der Finanzminister die Bankomatgebühr vorstellen, sie soll halt gekennzeichnet sein ... - Aber alles der Reihe nach: Bisher bestand in Österreich Einverständnis, dass sich Abhebungen am Bankomat zwischen den Banken ausgleichen und damit im Prinzip keine Kostenvorteile für einzelne Banken entstehen.

1,95 Euro Bankomatgebühr am Euronet-Bankomat, und das ganz knapp vor Abschluss (Bild: Kreindl/VKI)
Die Quittung zeigt: 1,95 Euro Bankomatgebühr am Euronet-Bankomat (Bild: VKI)
Die US-Euronet-Bankomaten verrechnen 1,95 Euro (Bild: VKI)
Die Euronet-Bankomaten verlangen
1,95 Euro Bankomatgebühr -
und zwar ziemlich spät im
Abhebe-Prozess; ein Last-Second-
Aufschlag gewissermaßen
(Fotos: VKI)

Argument: Teure Fremdkunden

Eigene Kunden haben mit ihrer Bank einen Girovertrag. Dafür bezahlen sie zwischen 0 (null) und rund 200 Euro pro Jahr an Gebühren. Natürlich enthalten solche Girokonto-Verträge nicht nur Leistungen zum Zahlungsverkehr sondern unter Umständen auch anderes wie Kreditkarten etc. Der Bezug eines gesetzlichen Zahlungsmittels (Bargeld) ist bei einem Gehaltskonto ein Kernbestandteil und sollte im Preis enthalten sein.

Fremdkunden sind da anders zu sehen. Fremdkunden benutzen ein Service der Bank, das sie vordergründig nicht bezahlen. Geht man aber davon aus, dass Kunden der Bank A bei Bank B abheben und umgekehrt, so verteilen sich die Kosten (der Aufwand für die Bank) gleichmäßig.

Tourismusgebiete

Es ist möglich, dass einzelne Geldinstitute - zum Beispiel in touristischen Gebieten – besonders oft von Fremdkunden frequentiert werden. Warum sollte das als Argument für eine flächendeckende Gebühr herhalten? Wir halten das für sehr weit hergeholt. Banken könnten untereinander leicht Ausgleichsregelungen schaffen.
 

Niedrige Zinsen und Negativzinsen

Argument: Negativzinsen erfordern Gebühren

Ein Lieblingsargument der Banken sind die aktuell sehr niedrigen Zinsen. Wenn Banken bei der Europäischen Zentralbank Geld deponieren, müssen sie für Guthaben zahlen, das sind die sogenannten Negativzinsen. Dies würde die Banken, so deren Argument, so hart treffen, dass sie den bisher angeblich subventionierten Zahlungsverkehr nicht mehr länger unterstützen können und eine Gebühr einführen müssten.

Nach unserem Verständnis liegt die Kernkompetenz einer Bank in der Hereinnahme von Spareinlagen und im Ausleihen von Geld an Kreditkunden. Soweit uns bekannt ist, gibt es noch keinen Fall einer Ausleihung an einen Kunden einer österreichischen Bank, bei dem tatsächlich dieser negative Zinssatz angewandt wird. Kein Kreditkunde hat – trotz Negativzinsen - bisher von seiner Bank Geld für seinen Kredit bekommen. Im Gegenteil: Trotz Negativzinsargument zahlen Kunden auf Girokonten Sollzinssätze bis zu 13,25%. Auch bei Konsumkrediten verlangen Geldinstitute nominell zwischen 3,8 und 6,49% bei höchster Kreditwürdigkeit (Bonität). Auch hier suchen wir ein Minus vergeblich.

Keine Zinsen für Spareinlagen

Das Minus der Negativzinsen ist beim Kunden noch nicht angekommen. Die 0,0xx% bei Spareinlagen allerdings schon. Und das eventuell auch nur, weil ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vorliegt, dass eine 0-%-Verzinsung oder darunter dem Wesen eines Sparvertrages widerspreche.

Banken legen nicht nur Gelder am Geldmarkt an – sie borgen sich auch welches aus. Da sollte ein negativer oder zumindest niedriger Zinssatz eigentlich nicht so schlecht für die Bank sein.

Negativzins: unabhängig vom Zahlungsverkehr

Reale Negativzinsen fallen an (= für Guthaben zahlen), wenn Banken Geld bei der Europäischen Zentralbank parken oder wenn sie es sich gegenseitig ausleihen (Euribor). Sollten die Banken hier tatsächlich enorme Guthaben geparkt haben, dann haben sie sich dabei hoffentlich etwas gedacht. Das war dann eine Entscheidung für ein bestimmtes Geschäftsmodell. Dieser echte Negativzins hat aber mit dem Zahlungsverkehr (Geld abheben am Bankomat) wenig zu tun. Das macht eher den Eindruck, man bedient sich halt da, wo man am wenigsten Gegenwehr vermutet.

"Ist im Ausland üblich"

Argument: "Ist im Ausland üblich"

Ein weiteres Argument ist der internationale Vergleich. In Deutschland etwa sind Gebühren für Bankomatbehebungen normal. Aber der Vergleich ist einseitig. Wenn man nach Deutschland blickt, dann bitte auch andere Dinge beachten: Das deutsche Höchstgericht hat 2014 entschieden, dass Kreditbearbeitungsgebühren unzulässig sind - siehe Stiftung Warentest: Deutschland: Kreditgebühren zurückfordern

Österreichische Banken haben unsere Klage bis zum Obersten Gerichtshof bekämpft - leider erfolgreich. Sie können den Kunden also weiterhin Kredit: Bearbeitungsgebühr zulässig - Klage abgewiesen. Der Hinweis auf Deutschland ist also Rosinenpickerei und als Argument nur bedingt tauglich.

"Unangemessene Kundenbenachteiligung"

Noch einmal Deutschland: Dort müssen Kunden gemäß Entscheidung des Bundesgerichtshofes von 1995 eine angemessene Anzahl an Freiposten (entweder am Schalter oder am Automaten) haben. Ansonsten sei das eine unangemessene Kundenbenachteiligung (Quelle: Bundesgerichtshof Urt. v. 07.05.1996, Az.: XI ZR 217/95).

Österreich viel teurer

Nicht in die Argumentation österreichischer Banken fließt ein, dass die Kontoführungsgebühren im Ausland unterschiedlich sind. So listet eine Internetplattform in Deutschland 12 Banken mit Gratisgirokonten auf. Die FAZ hat in einem Artikel im September 2015 das teuerste Konto in Deutschland mit 120 Euro Jahresgebühr identifiziert. Das teuerste Girokonto ist in Österreich noch einmal um rund 68% teurer.

Das Argument "die machen das aber auch“ ist in der Diskussion um die Bankomatgebühr unangebracht. Es sollte wohl als Ablenkung gedacht sein.

Bankomat ist eine teure Leistung

Argument: Bankomat ist eine teure Leistung

Die Infrastruktur der Banken, die für die Bargeldversorgung notwendig ist, kostet Geld. Keine Frage. Aber zahlen die Kunden dafür einen angemessenen Preis?

Die Bargeldinfrastruktur liegt in den Händen weniger Firmen. Wer als Neuer und als Konkurrent mitmischen und unter Umständen die Preise senken will, hat kaum eine Chance. Sieben Millionen Euro musste die Europay (heute Paylife) 2007 Strafe zahlen, weil sie die Konkurrenz behindert hat - siehe PayLife: Kartellgericht vehängt 7-Mio-Strafe gegen Europay.  Die rechtswidrig erzielte Bereicherung bezifferte das Kartellobergericht allein für das Jahr 2003 mit rund 41 Mio Euro. Von einem freien Markt kann hier nur schwerlich gesprochen werden.

Für Kunden wurde es teurer

Nächstes Argument: Die Bankomaten und die dahinter stehende Technik, die seien ja so teuer. Eingeführt wurden die Bankomaten, weil sie billiger waren als die angeblich viel zu teuren Kundenberater und Kassierer. Bankomaten sind eine Kombination von Elektronik und Software. Bisher war man der Meinung, dass auch bei Elektronik laufend die Preise fallen. Außerdem müssen jene Kunden, die den Automaten nicht vertrauen für die Arbeit durch Bankmitarbeiter eine Zusatzgebühr zahlen. Die Preise für Kontopakete wurden durch diese kostengünstigere und personalsparende Umgestaltung nicht gesenkt. Ergebnis für Kunden: Es wurde insgesamt eher teurer.

Teure Energie, teure Immobilien?

Nächstes Argument: Die Energiekosten seien enorm. Haben nicht die sinkenden Energiekosten in den letzten Jahren die Inflation gedrückt, weil Energie immer billiger wurde?

Nächstes Argument: Die Immobilien, die man braucht, um die Geräte hinzustellen seien teuer … Wurden in den letzten Jahren nicht Filialen geschlossen und zusammengelegt, um hier immer weniger Service anzubieten?

Nächstes Argument: Die hohen IT-Kosten. Fallen diese IT-Kosten nur für Bankomaten an und nicht auch für andere unbare Zahlungsvorgänge?

Geringere Ausgaben, höhere Gebühren

Die Verringerung der Filialen und Auszahlungsstellen bringt also keine Preissenkungen für den Kunden, nein: Durch die angeblich hohen Kosten dieser zurückgehenden Serviceleistungen muss man eine zusätzliche Gebühr erheben. Eine interessante Logik.

"Girokonten werden subventioniert"

Argument: Girokonten werden subventioniert

Abwechselnd stellen Banken den Zahlungsverkehr oder das Girokonto als zu kostenträchtig hin, zwei Produkte, die angeblich durch andere Finanzprodukte quersubventioniert werden müssen. Wir können das nicht nachprüfen, nehmen diese Aussage von Anbietern aber gerne als wahr hin.

Erste Bank bietet 20 Euro Prämie für Neukunden (Screenshot Erste Bank, 3.5.2016)Überraschung: Bringen Sie einen Neukunden zur Erste Bank, dann ist das der Bank 20 Euro wert. Sie bekommen also 20 Euro, wenn sie einen quersubventionierten Kostenverursacher empfehlen. (Quelle HP der Ersten Bank). Und weil sich der Wunschkunde zum Draufzahlgeschäft für Banken entwickelt, müssen Gebühren her - neben Kontoführungsgebühren von bis zu 200 Euro wohlgemerkt.

Einblick in den Kunden

Das Girokonto insbesondere mit Gehalts- oder sonstigen regelmäßigen Eingängen ist oft das Herzstück der Beziehung zwischen Kunde und Bank. Auf diesem Weg erhält die Bank Einblick in die finanziellen Möglichkeiten eines Kunden: welche Versicherungen bezahlt werden, wieviel monatlich übrig bleibt usw. usf. Dass Banken daraus Kapital schlagen und die interessanten Kunden zu Beratungsgesprächen einladen ist daher nur logisch. Dort können dann gezielt Produkte verkauft, umgeschichtet und neu zusammengestellt werden.

Happige Gebühren für Händler

Der angeblich so defizitäre Zahlungsverkehr besteht nicht nur aus Privatkunden. Die Kontomodelle für Unternehmen, deren Preise und Extra-Gebühren, sind eine ganz andere Geschichte. Auch Händler müssen, wenn Kunden mit Bankomat- oder Kreditkarte zahlen, dafür oft happige Gebühren zahlen. Bei jeder unbaren Zahlungsverkehrsbuchung nascht ein Finanzdienstleister mit. So gesehen ist eine Gebühr auf Bargeld aus Sicht der Bank nur konsequent.

Druck aufs Bargeld

Indem die Bank Bargeld teurer macht baut sie Druck auf, damit der Kunde immer mehr unbar zahlt (z.B. Onlinebanking oder mit Karte an der Supermarkt-Kassa). Auch an diesen Transaktionen verdienen Zahlungsdienstleister zumindest im niedrigen Prozentbereich.

Für ein Grundrecht zahlen

Für ein Grundrecht bezahlen

Gerade Arbeitnehmer sind als Privatkunden in einer sehr schwachen Position. Um eine Arbeitsstelle zu erhalten braucht man ein Girokonto zur Lohnauszahlung. Nun gibt es eine Richtlinie der EU, die dem Bürger ein Recht auf ein Girokonto einräumt. Nun muss also der Kunde für das Grundrecht des Bargeldbezuges zahlen; das Zahlen einer Gebühr ist Grundvoraussetzung, um am wirtschaftlichen Leben teil zu haben. Das vor dem Hintergrund, dass Banken auf Gewinnmaximierung zielen. Eine aus Konsumentensicht sehr bedenkliche Entwicklung.

Der soziale Aspekt

Die österreichischen Banken haben sich bei der Umsetzung der EU-Basiskonto-Richtlinie dadurch hervorgetan, dass man lange debattiert hat, unter welchen Bedingungen ein Kunde ein Recht auf ein Konto hat. Das Recht auf ein Konto hat ein Kunde dann, wenn es keine Alternative gibt, z.B. ein zweites Geldinstitut vor Ort. Die Bank darf dafür bis zu 80 Euro pro Jahr verlangen. Bei vom Ministerium definierten Gruppen sind es „nur“ 40 Euro. Basiskonten werden wohl - je nach Ausgestaltung - auch nur eingeschränkte Zahlungsverkehrsmöglichkeiten bzw. –limite aufweisen. Kostet Bargeld Geld (Bankomatgebühr), dann trifft das die wirtschaftlich Schwächsten.

Bargeld, der große Erzieher

Bargeld prägt das Bewusstsein. Hat jemand Probleme mit seinem Haushaltsbudget auszukommen, wird empfohlen Bargeld zu benutzen. Damit erzielt man vereinfacht gesagt einen gewissen "Trennungsschmerz“ beim Geldausgeben, was zu mehr Ausgabendisziplin führt.

Ist es sinnvoll diesen Mechanismus mit Gebühren ad absurdum zu führen und ihn für den Einzelnen teurer zu machen? Bei rein wirtschaftlicher Betrachtung könnte eine Gebühr auf Bargeld vielleicht stichhaltig sein; aber aus gesellschaftlicher Sicht wäre das ein ziemliches Armutszeugnis für Banken.

Bargeldlos zahlen ist keine Alternative

Öffentliche Branchenabsprache

Sehen Sie sich die Art der Diskussion über die Bankomatgebühr an. Alle Banken und Bankengruppen bestätigen „darüber nachzudenken“ und „wenn eine andere …, dann  müsste man wohl mitziehen“, „ … müsste man prüfen“. Solche Formulierungen deuten darauf hin, dass Banken sich gegenseitig klar kommunizieren: Wir machen mit bei der neuen Bankomatgebühr, wenn ihr auch mitmacht und wenn nicht ein Entrüstungssturm losbricht.

Das Ganze sieht sehr stark nach einer öffentlich geführten Branchenabsprache aus. Die einzige Gegenstimme, die uns auffiel, ist Oberbank-Chef Franz Gasselsberger vom März 2016. "Weil es mehr Ärger verursacht als Ertrag bringen würde …" wurde er von den OÖ Nachrichten zitiert.

Offenbar sollen wohl heftige Diskussionen im Vorfeld den Boden bereiten. Lassen die Widerstände nach, dann könnte das Zitat auch andersherum ausgelegt werden. Ist die Diskussion also nur eine Art Zermürbungstaktik, um die Gebühr später einzuführen? Wir hoffen nicht.

Bargeldlos zahlen ist keine Alternative

Der Verbraucher versteht sehr gut, dass Unternehmen in schwierigen Situationen über viele Möglichkeiten nachdenken. Allerdings erscheint deren Argumentation oft willkürlich, je nachdem, was den „Nachdenkern“ gerade besser erscheint. Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel ist ein unverzichtbares Kernelement der Wirtschaft und der persönlichen Freiheit. Bargeld ist ein Stück Unabhängigkeit von Bank und Zahlungsgebühren und es sollte nicht mit einer neuen Gebühr versehen werden.

Dass einige wenige privatwirtschaftliche Institutionen für Bargeld Geld verlangen, ist bedenklich. Denn der Konsument hat keine echte Möglichkeit diese Kosten zu umgehen.

Datensammelwut der Geldinstitute

Die Anbieter empfehlen das angeblich günstigere bargeldlose Bezahlen. Aber es ist nicht für jeden eine Alternative. Da gibt es die Sparbucheröffnung: Striptease in der Bank - Kommentar von KONSUMENT-Redakteur Manfred Tacha, der Ausnutzung der Daten über Lebensgewohnheiten und Einkaufsverhalten, da gibt es die Verflechtungen von Banken und Versicherungen … Und wer sagt, dass die teure Technik des bargeldlosen Bezahlens nicht irgendwann auch bepreist wird? Bei den Karten, den Transaktionskosten, den Kosten für den Händler etc. ist das jetzt schon der Fall.

Der Verbraucher kann selbst etwas dazu beitragen. Wie es der Vertreter der Oberbank im obigen Zitat sagte: Wenn es den Banken mehr Ärger als Nutzen bringt, werden sie darauf verzichten.
Das lässt also noch hoffen.

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