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Fernwärme-Abrechnung - Sauber brennen

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Viele Fernwärmekunden stöhnen über hohe Kosten und die undurchsichtige Abrechnung. Ein Ausstieg wird ihnen durch unfaire Vertragsbedingungen verwehrt.

Die „Autofreie Mustersiedlung“ in Wien-Floridsdorf sollte ein Musterbeispiel für ökologisches und ökonomisches Wohnen und Heizen sein. So war es den zukünftigen Mietern schon während der Planungsphase vom Bauträger versprochen worden. Durch Versorgung der Anlage mit Fernwärme, Sonnenkollektoren zur Unterstützung der Warmwasserbereitung und Nutzung von Erdwärme mittels Tiefenbohrung sollten die Energiekosten minimiert werden. Vielen Mietern kommt das Projekt mittlerweile wie ein Muster für Fehlplanung und falsche Versprechungen vor: Die tatsächlichen Energiekosten sind höher als bei vergleichbaren Anlagen mit konventioneller Versorgung. Die Hälfte der 240 Mieter hat sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, um die Unklarheiten in den Verträgen und Abrechnungen auszuräumen. Ein Mieter hat seine Zahlungen auf den ihm angemessen erscheinenden Betrag beschränkt und wird jetzt von der Firma GTE, die das Wärmemanagement als so genannter Kontraktor betreibt, geklagt.

Drei Firmen naschen mit

Das Beispiel der „Autofreien Mustersiedlung“ ist nur eines von vielen. In den meisten Fällen, in denen sich Mieter wegen plötzlicher Mehrkosten an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) wenden, wird die Heizkostenabrechnung nicht direkt vom Fernwärmeerzeuger besorgt. Immer häufiger wird ein Kontraktor dazwischengeschaltet. In den meisten Fällen liefert der Fernwärmeversorger das Heizmedium (heißes Wasser) bis zur Übergabestation im Haus. Der Kontraktor ist dann für das „Energiemanagement“ zuständig, also dafür, dass das heiße Wasser durch das Heizungssystem in alle Heizkörper in den Wohnungen fließt. Eine weitere Firma übernimmt die Abrechnung: Sie schickt einmal pro Jahr die Ableser in die Wohnungen und berechnet aus deren Angaben, wie viel jeder einzelne Haushalt zu bezahlen hat. Oder man begnügt sich überhaupt mit einem mathematischen Näherungsverfahren. Etliche dieser Firmen sind international tätige und börsennotierte Unternehmen (techem, viterra).

Keine Kostensenkung durch Kontraktoren

Dem Argument, dass durch die Übernahme dieser Aufgaben durch Fachfirmen die Kosten sinken, stehen die Vergleichsrechnungen (siehe dazu: Tabellen "Fernwärmeabrechnungen") entgegen: Bei den Abrechnungen durch Kontraktoren sind die Bruttokosten für die Raumwärme wesentlich höher als bei direkter Belieferung und Abrechnung durch die Fernwärme Wien. Bei Wohnungen mit einem Jahresverbrauch von 40 kWh/ m2 (Neubaustandard) kostet die Fernwärme direkt von der Fernwärme Wien 12,69 Cent/ Kilowattstunde, bei GTE 15,69 Cent (+ 24%) und bei Energiecomfort (ein Unternehmen der Wiener Stadtwerke) 23,01 Cent, was einem Mehrbetrag von 81% entspricht. Damit wird Fernwärme teurer als eine Strom-Direktheizung (14,63 Cent/kWh).

Energiesparen lohnt nicht

Ein weiterer Aspekt dieser Abrechnungen ist, dass sich der verbrauchsabhängige Anteil der Heizkosten kaum auswirkt. Zwar schreibt das Heizkostengesetz vor, dass „die Heiz- und Warmwasserkosten unabhängig von der Rechtsform zum überwiegenden Teil auf der Grundlage des tatsächlichen Verbrauchs abzurechnen“ sind. Bedingt durch die Form der Verrechnung (Messung der gelieferten Energiemenge im Haus, Messung der abgegebenen Wärme an den Heizkörpern meist durch Verdunstungsröhrchen und schwer nachvollziehbare Aufschlüsselungen) wird allerdings das Gegenteil der gesetzlichen Absicht erreicht: Energiesparen lohnt sich nicht. Ein Absenken der durchschnittlichen Raumtemperatur um ein Grad Celsius bedeutet zum Beispiel eine Energieeinsparung von 5 bis 6 Prozent, verringert die Heizkosten in den berechneten Beispielen aber nur um 1 bis 3 Prozent.

Heizkostenabrechnung

Bei den Abrechnungen geschehen oft wundersame Dinge. Frau H., Bewohnerin einer Genossenschaftsanlage in Wien-Simmering, hatte bei der Heizkostenabrechnung immer mehr als 100 Euro zurückbekommen. Voriges Jahr musste sie plötzlich mehr zahlen. Die Heizkosten der gesamten Wohnhausanlage waren innerhalb eines Jahres um 32.000 Euro oder 20 Prozent gestiegen, wobei einzelne Wohnungsinhaber mehr als 1000 Euro an Nachzahlungen zu leisten hatten. Die mit der Ablesung und Abrechnung beauftrage Firma Messtechnik mit Sitz in Graz sowie der Hausbesitzer BUWOG führen die höheren Kosten auf 4 Prozent mehr Energieverbrauch und 16 Prozent Teuerung seitens der Fernwärme Wien zurück.

Ermittlung des Verbrauchs

Wie dem auch sei: Unverständlich und Anlass häufiger Beschwerden ist die Art und Weise, wie der Verbrauch ermittelt wird. Immer noch wird mittels Verdunstungsröhrchen geschätzt, obwohl es Alternativen gibt, die eine exakte Messung ermöglichen (Durchlaufzähler). Vor allem aber wird nicht der Verbrauch einer Wohnung zur Abrechnung herangezogen, sondern der Verbrauch laut Hauptzähler in der Hausstation wird auf die Haushalte verteilt. Wärmeverluste im Haus werden so den Haushalten aufgebürdet und nicht dem Fernwärmeanbieter, dem damit jeglicher Anreiz zur Energieoptimierung fehlt.

Die meisten Heizkostenabrechnungen sind so kompliziert, dass selbst Anwälte und die Schlichtungsstellen der Bezirksgerichte davor kapitulieren. Meist stimmen sie zwar rechnerisch, es ist aber nicht nachzuvollziehen, woher die eingefügten Werte und Zahlen stammen.

Langfristige Verträge

Trotz aller Liberalisierungen im Energiewesen besitzen die Fernwärme-Anbieter und die dazwischengeschalteten Kontraktoren ein Monopol in Häusern mit Fernwärmeversorgung.

Vertragsdauer von 20 Jahren

Musterbeispiel „Autofreie Mustersiedlung“: Die zukünftigen Mieter mussten mit dem Mietvertrag und vor Übergabe der Schlüssel einen auf 20(!) Jahre angelegten Vertrag mit „einem noch zu nennenden Wärmelieferanten“ unterschreiben. Dass dieser Wärmelieferant GTE eine Tochterfirma des Bauträgers Mischek ist, ist da wahrscheinlich nur Zufall. GTE begnügt sich laut Angaben Betroffener mit dem Verwalten der Fernwärme-Anlage. Wartungs- und Reparaturarbeiten müssen von den Mietern selbst bezahlt werden, die Abrechnung wird von Viterra besorgt. Auch die Versorgung mit Brauch- und Trinkwasser ist aus den Betriebskosten und damit dem Mietrecht ausgeklammert, der Verbrauch wird von einer privaten Firma an die einzelnen Haushalte verrechnet.

VKI führt Verbandsklage gegen Fernwärme Wien

Diese langfristigen Verträge ohne Ausstiegsmöglichkeit sind nach Ansicht des VKI ungesetzlich. Den Mietern wird das Recht vorenthalten, sich von Gemeinschaftsanlagen abzukoppeln. Wer in ein Haus mit Fernwärmeversorgung zieht (egal, ob als Mieter oder Wohnungseigentümer), muss den Vertrag mit dem vom Hauseigentümer bestimmten Wärmelieferanten unterschreiben. Deshalb führt der VKI eine Verbandsklage gegen die Fernwärme Wien (Werbeslogan des Hauptenergielieferanten Müllverbrennung: „Die Sauberbrenner“), um den Verbrauchern eine freie Wahl zu ermöglichen.

Vorerst: sauber weiterbrennen

Bis dieser Fall entschieden ist, heißt es zumeist weiterhin: sauber brennen. So sieht es auch Manfred Burgmann, der Prokurist von GTE, der dem Verfahren gegen den aufmüpfigen Kunden aus der Mustersiedlung gelassen entgegenblickt: „Der wird alles zahlen müssen und aus.“

Fernwärme direkt. Weil bis zu drei Firmen mitnaschen, wird Fernwärme häufig sogar teurer als Tagstrom! Direktbezug und Direktverrechnung über den Fernwärmelieferanten ist meistens billiger.

Vertrag prüfen. Mit dem Mietvertrag muss auch der Vertrag über Fernwärmelieferung und -verrechnung unterschrieben werden. Eine Ausstiegsmöglichkeit gibt es oft nur bei Wohnungswechsel oder durch eine Entscheidung des Hauseigentümers; bei Eigentumswohnungen kann die Mehrheit der Wohnungsbesitzer einen Wechsel des Wärmelieferanten verlangen.

Energie verschwendet. Weil der Wärmeverbrauch des gesamten Hauses auf die Haushalte verteilt wird, hat der Fernwärmelieferant keinen Anreiz, gegen die teils exorbitanten Wärmeverluste etwas zu unternehmen.

Teurer Rechtsweg. Die Schlichtungsstellen in den Bezirksgerichten überprüfen im Außerstreitverfahren lediglich die formale Richtigkeit der Abrechnung. Die inhaltliche Richtigkeit kann nur in einem kostenintensiven Zivilprozess mit Sachverständigen-Gutachten geklärt werden.

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