Zum Inhalt

Fotografieren: Kinderaufnahmen - Die Zeit anhalten

Im Unterschied zu Erwachsenen lassen sich Kinder recht mühelos fotografieren. Machen Sie das auch – um für später Erinnerungen zu haben.

Kinder sind ein Gottesgeschenk. Nicht nur für die Eltern, sondern auch für Fotografen. Das gilt in besonderem Maß für Kleinkinder. Allein schon wegen ihres – nun ja, putzigen Aussehens sind sie ein lohnendes Fotomotiv. Diese kleinen Wesen mit den riesigen Augen und den im Vergleich zu ihrem Oberkörper viel zu kurzen Armen! Und wie sie in die ­Kamera blicken: ganz unbekümmert und mit der größten Selbstverständlichkeit. Angestrengtes Lächeln, verängstigter Blick, ­nervöses Spiel mit den Fingern – dieses für Erwachsene so typische Verhalten im ­Moment des Fotografiertwerdens, das ist ihnen völlig fremd. Vorerst.

Kinderfotografie macht Spaß

Vor allem, weil sie so mühelos ist. Der Fotograf kann ab­drücken, ohne vorher ausführliche Erklärungen abgeben zu müssen. Er macht einfach. Die Kinder zieren sich nicht und werden im Angesicht einer auf sie gerichteten Kamera nicht augenblicklich von einem Fluchtimpuls ergriffen. Das einzige Problem kann insbesondere bei schon etwas älteren Kindern sein, dass sie sich zu sehr ins Bild drängen wollen.

Auf Augenhöhe

Selten hat es also der Fotograf so leicht, zu seinen Bildern zu kommen. Nutzen Sie diese Zeit! Gehen Sie für die Aufnahme in die Knie, und wenn das nicht reicht, legen Sie sich auf den Bauch – so sind Sie mit den Kindern auf Augenhöhe und fotografieren sie nicht von oben herab. Machen Sie ausgiebig Fotos! Auch, weil diese Zeit so schnell vergeht. Kaum dass man sich versieht, sind aus den Kindern Erwachsene geworden. Mit Fotos können Sie diese Phase festhalten, konservieren.

Bilder erzählen Geschichten

Ein Bild und viele Geschichten

Unser Gedächtnis ist, wie wohl jeder bestä­tigen kann, ein unzuverlässiger Geselle. Es weist Lücken auf, und oft genug lässt es uns gerade in entscheidenden Momenten im Stich. Aufnahmen sind eine gute Hilfe, ihm auf die Sprünge zu helfen und vergangene Zeiten wieder aufleben zu lassen. Wir sehen ein Bild von früher – und augenblicklich tut sich vor unserem inneren Auge ein ganzer Kosmos auf: Das Bild zeigt unsere zwei­jährige Tochter beim Essen, lang ist es her. Sofort fallen uns nun wieder ihre Lieblingsspeisen ein und dass sie beim Essen immer kleckerte. Auch ihr Geschrei haben wir nun wieder im Ohr. Wenn sie ihr Essen nicht sofort bekam, wurde sie immer laut. Doch satt und zufrieden war sie dann wie ausgewechselt, ein ganz anderer Mensch, das friedlichste Kind der Welt.

Seit 1826 wird geknippst

1826 wurde das allererste Foto ­geschossen. Das Aufkommen der Fotografie markierte einen entscheidenden Wandel: Nun war es erstmals möglich, mit einem ­Apparat ein ­Abbild der Wirklichkeit zu ­schaffen. Und es dauerhaft zu konservieren – die Betonung liegt auf dauerhaft, denn die Apparatur, eine Camera obscura, war längst bekannt. Sie diente bereits in der ­Renaissance Künstlern als Zeichenhilfe: Durch die Öffnung vorne fiel Licht in den ­Kasten, und hinten, auf der Rückwand, zeichnete sich die eingefangene Umgebung ab, spiegelverkehrt und in Klein­ausführung. Am Anfang der Fotografie­geschichte war es eine mit Asphalt bestri­chene Zinnplatte, die die „Lichtzeichnung“ festhielt, erst später ­sollte der Film aufkommen (und noch viel ­später der heute übliche Chip).

Vergangenes vor dem Vergessen

Fotos halten den Fluss der Zeit an. Sie können über die visuelle Information hinausgehend beim Betrachter auch Erinnerungen an Gerüche und Geräusche aus vergangenen Zeiten wachrufen. Darin besteht wohl ohnehin der besondere Reiz der Fotografie: Vergangenes vor dem Vergessen zu bewahren. Das Prob­lem dabei ist nur: Wir wissen heute noch nicht, was für ein Mensch wir in 20, 30 Jahren sein werden, was uns also dann besonders interessieren wird, wenn wir uns die Aufnahmen wieder einmal ansehen. Wir fotografieren mehr oder weniger für einen Menschen, den wir noch nicht kennen (können).

An die Kindheit erinnert man sich

Motive aus dem Alltag

Die meisten Menschen holen den Foto­apparat zu besonderen Anlässen heraus, wie Weihnachten oder Geburtstag. Alle sind festlich gekleidet, alle feierlich gestimmt. Natürlich, auch diese Bilder sind nicht uninteressant. Sie zeigen im Rückblick, wie wir und unsere Liebsten von Jahr zu Jahr älter geworden sind, halten also eine Veränderung fest, die wir im Alltag gar nicht registrieren. Und dennoch haben diese Fotos etwas Steifes und Stereo­types.

Abwechslung in der Fotosammlung

Bringen Sie Abwechslung in Ihre Fotosammlung, am besten damit, dass sie auch ganz alltägliche Szenen festhalten. Fotografieren Sie Ihr Kind, wenn es mal wieder trotzt und schreit und wütet. Im Augenblick mag es ­Ihnen gewaltig auf die Nerven gehen. Wenn Sie sich das Bild nach vielen Jahren wieder anschauen, werden Sie sich mit Sicherheit in allen Einzelheiten an diese Situation erinnern – dann möglicherweise auch mit einem Schmunzeln.

Erinnerungen an Kindheit am ausgeprägtesten (auch bei Demenz)

Die Gedächtnisforschung kennt den sogenannten Reminiszenzeffekt: Im Alter erinnern sich die Menschen vor allem an weit zurückliegende Ereignisse. Sei es, weil die Speicherfähigkeit des Hirns in jungen Jahren besonders ausgeprägt ist; sei es, weil der Mensch in der Kindheit viele prägende Erfahrungen macht und viele „ersten Male“ erlebt – die Experten sind sich über die Ursachen uneins. Hochbetagte Menschen mit Demenz vergessen, was sie am Tag oder auch fünf Minuten zuvor gemacht haben, an ihre ­Kindheit können sie sich aber in der Regel gut erinnern. Auch vor diesem Hintergrund haben Kinderfotos einen besonderen Wert – zur Sicherung des autobiographischen ­Gedächtnisses.

Kinder haben eigenen Willen

Pubertät - spannende Zeit

Das Kind wird älter und kommt in die Pubertät. Keine einfache Zeit, sowohl für die ­Betroffenen als auch für die Eltern. Der ­Pubertierende ist nicht mehr Kind, noch nicht Erwachsener. Es ist eine Phase des Übergangs, in der sich in seinem Hirn neue neuronale Verschaltungen ausbilden. Für den ­Fotografen ein spannendes Sujet – und auch eine besondere Herausforderung. Sein Modell blickt nicht mehr unbekümmert in die Kamera, sondern eher kritisch, wenn nicht sogar abweisend.

Respekt und Vertrauen

Der in Amerika geborenen, in Österreich aufgewachsenen und nun in Paris lebenden ­Fotografin Lillian Birnbaum ist es in ihrer ­Serie "Transition" besonders gut gelungen, diese Phase der Selbstfindung – junge Mädchen kurz vor ihrer Entfaltung zur Frau – einzufangen. Die Porträtierten zeigen so etwas wie charmanten Trotz. Solche Aufnahmen gelingen nur, wenn es der Fotograf/die ­Fotografin versteht, ein Vertrauensverhältnis zu den Modellen aufzubauen und eine Atmos­phäre des gegenseitigen Respekts zu schaffen. Denn nur dann kann er/sie in ihre Sphäre eindringen.

Lebende Wesen haben eigene Befindlichkeiten und Wünsche

Der Fotograf lichtet hier kein Gebäude ab, kein Stillleben, keine Landschaft – er hat es mit lebenden Wesen mit eigenen Befindlich­keiten und eigenen Wünschen zu tun. Dieses Genre verlangt von ihm erhöhte ­Sensibilität. Das gilt für die Porträtfotografie im All­gemeinen und für Aufnahmen von Kindern und jungen ­Erwachsenen im Besonderen.

Buchtipp: Fotografieren

Die Möglichkeit jederzeit, schnell und einfach Fotos erstellen zu können ruft auch einen Überdruss hervor. Die Flut der vielen beliebigen und nichtssagenden Fotos nährt die Sehnsucht nach dem Besonderen,  nach authentischen Bildern. Weg von der Massenware und hin zum individuellen und unverwechselbaren Ausdruck.

In unserem Buch "Fotografieren statt knipsen"  wollen wir ungewohnte Wege gehen und zusammenbringen, was sonst streng getrennt ist: Fototheorie und Fotopraxis. Es soll – anhand vieler Beispiele – Lust darauf machen, die eigene Kreativität zu entdecken und das Thema Fotografie buchstäblich mit anderen Augen zu sehen.

Wir wollen Möglichkeiten aufzeigen und Anregungen bieten, die Sie unterstützen zu Ihrem eigenen, ganz persönlichen Ausdruck in der Fotografie zu finden.

www.konsument.at/fotografieren

Aus dem Inhalt

  • Zeichnen mit Licht
  • Schärfe und Unschärfe
  • Flächen, Linien, Perspektive
  • Porträt- und Landschaftsfotografie
  • Architekur- und Sachfotografie

184 Seiten, 19,60 € + Versand

Fotografieren statt knipsen

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang