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Kinderarbeit - Nur Zucker zum Frühstück

In vielen Teilen der Welt gehört die Ausbeutung von Kindern zum traurigen Alltag. Wir sprachen mit dem Schauspieler Otto Tausig über die Qual von Kinderarbeitern und die Möglichkeiten von Konsumenten, sie zu lindern.

Konsument: Sie sind in Österreich als Schauspieler bekannt, gleichzeitig führen Sie vor allem in Indien einen Kampf gegen Kinderarbeit. Was kann ein Künstler da beitragen?

Tausig: Ich kann auf die Probleme hinweisen. Zum Beispiel darauf, dass in Indien zwölf Millionen Kinder als Lohnsklaven grausamer Ausbeuter ihr Leben und ihre Gesundheit ruinieren, damit wir billige Teppiche bekommen. Unterstützt werde ich dabei von Spendern und Konsumenten.

Konsument: Was können Konsumenten beitragen?

Tausig: Sie können Produkte kaufen, die garantiert ohne Kinderarbeit hergestellt wurden. Dort, wo es sie nicht gibt, können sie danach fragen. So lange, bis es sie gibt.

Konsument: Der Reihe nach. Was hat Sie zu Ihrem Engagement gebracht?

Tausig: 1989 war ich für Dreharbeiten zu einem Film namens Nocturne indien in Indien und habe da das Leid gesehen. Wenn wir Europäer aus dem Hotel kamen, wurden wir von Kindern umringt. Wenn wir einem in die Augen schauten, streckte sich uns eine Hand entgegen. Wenn wir etwas hineinlegten, streckten sich uns viele Hände entgegen.

Konsument: Das hört sich eher nach Bettelei als nach Kinderarbeit an.

Tausig: Leider ist das oft das Gleiche. Die Kinder werden von mafiosen Organisationen nach genauen Einsatzplänen zum Betteln ausgeschickt. Wenn sie nicht genug Geld bringen, werden sie verstümmelt, damit sie mehr Mitleid erregen. Es gibt systematische Verstümmelungen.

Konsument: Haben Sie auch Produktionsstätten gesehen, an denen Kinder eingesetzt werden?

Tausig: Ich habe oft genug die Hölle gesehen, in der sie arbeiten müssen. Ich habe damals sehr schnell eingesehen, dass Almosen geben zu wenig ist. Ich wollte Möglichkeiten schaffen, solchen Kindern eine Zukunft in Freiheit zu ermöglichen.

Konsument: Wie sieht Kinderarbeit zum Beispiel in einer Teppichmanufaktur aus?

Tausig: Als Teppichweber bekommen die Kleinen in der Früh ein paar Stücke Zucker, damit sie Kraft haben, aber dann bis zum Abend nichts mehr, damit sie nicht müde werden. Sie müssen im Halbdunkel arbeiten, weil sonst die Farben ausbleichen. Die Wollfasern in der Luft zerstören ihre Lungen, und wenn sie sich verletzen, werden die Wunden mit Schwefel ausgebrannt, damit sie nicht bluten.

Konsument: Wie kommen die Kinder in diese Situation?

Tausig: Auch das ist gut organisiert. Die Eltern kommen in Not, leihen sich von Wucherern ein paar Rupien und müssen dafür zwanzig Prozent Zinsen, wohlgemerkt pro Tag, zahlen. Wenn sie das nicht können, werden ihre Kinder mitgenommen. Die müssen dann schuften, ohne die Schuld ihrer Eltern je abarbeiten zu können.

Konsument: Bei welchen Produkten werden Kinder eingesetzt?

Tausig: Bei Teppichen ist das üblich. Gabbeh-Teppiche sind fast immer von Kindern gemacht. Aber etwa auch in der Produktion von Streichhölzern und Feuerwerkskörpern kommen Kinder zum Einsatz.

Konsument: Wie sieht es bei Lebensmitteln und Textilien aus?

Tausig: Bei Kaffee, Tee, Kakao und bei der Bananen- und der Orangenernte werden Kinder eingesetzt. Dazu kommen Fabriken, die etwa für westliche Konzerne Kleidung, Schuhe oder Fußbälle herstellen.

Konsument: Wie alt sind diese Kinder?

Tausig: Die jüngsten sind fünf Jahre alt, meist beginnt die Schufterei ab acht Jahren. Sie arbeiten dann vierzehn bis sechzehn Stunden am Tag. Man kann sich das gar nicht vorstellen.

Konsument: Was genau unternehmen Sie dagegen?

Tausig: Ich investiere meine Schauspieler-Gagen und die Spenden in Befreiungsaktionen für die Kinder. Sie werden mit der Polizei herausgeholt, in von uns errichteten Übergangsheimen auf ein Leben in Freiheit vorbereitet, und dann stellen wir noch sicher, dass ihre Eltern nicht neuerlich in Not geraten können.

Konsument: Was genau können österreichische Konsumenten beim Einkaufen tun?

Tausig: In Deutschland kann man selbst in großen Kaufhäusern wie Karstadt Teppiche mit dem Rugmark-Siegel, also ohne Kinderarbeit produziert, kaufen. Österreich ist da noch unterentwickelt. Aber wenn die Konsumenten beharrlich nach Produkten ohne Kinderarbeit fragen, werden die Handelsketten solche Produkte auch ins Angebot nehmen.

Konsument: Was macht Sie da so sicher?

Tausig: TransFair, ein Siegel für Produkte aus Entwicklungsländern mit ethisch korrekten Produktionsbedingungen hat es so geschafft. Es gab Aufrufe, Konsumenten sollten bei Merkur nach TransFair-Kaffee fragen. Mittlerweile gibt es den dort.

Konsument: Wäre da nicht auch professionelles Marketing nötig, und ein direktes Ansetzen etwa bei Jörg Schelling als Chef von Möbel Lutz und bei Herbert Koch, dem Boss von Kika/Leiner, in puncto Teppiche?

Tausig: Ich habe schon lange vor, diese Herren mit einer Delegation zu besuchen, um sie auf das Thema aufmerksam zu machen.

Konsument: Solche Manager sind allerdings ihren Eigentümern verpflichtet und müssen Gewinne machen. Ein Produkt, dass sich nicht gut genug verkauft, hat keine Chance auf eine Listung.

Tausig: Es gibt einen seit langem anhaltenden Trend zu sozial verträglichen Produkten. Wenn die Sache richtig aufgezogen wird, sind damit anständige Umsätze und Gewinne zu erzielen. Ganz abgesehen vom Imagegewinn für Konzerne, die sich darauf einlassen.

Konsument: Ist die Arbeit von Hilfsinitiativen nicht manchmal auch Zwangsbeglückung? Sind manche Familien, etwa in Indien, nicht froh, wenn wenigstens ihre Kinder ein kleines bisschen Geld verdienen?

Tausig: Ich kenne dieses Argument, aber wer den Albtraum der Kindersklaven kennt, weiß, dass es zynisch ist. Es ist so, als würde man sagen, man möge doch zu Kinderprostituierten gehen, damit sie wenigstens dieses Einkommen haben.

Konsument: Produkte ohne Kinderarbeit sind meist auch spürbar teurer. Es gibt in Österreich eine Konjunkturflaute, und immer mehr Menschen müssen sehr genau aufs Geld schauen. Ist denen so ein Mehrpreis zumutbar?

Tausig: Wenn man die Qualen und die Hoffnungslosigkeit der Kinder in den Arbeitslagern und die Grausamkeit an den Bettelkindern kennt, braucht man einen sehr starken Magen, um nicht den kleinen Mehraufwand beim Einkaufen gerne in Kauf zu nehmen.

TransFair

Die breitesten Möglichkeiten zum Kauf von Produkten, die garantiert ohne Einsatz von Kinderarbeit hergestellt werden, bietet die Initiative TransFair, zu deren Kriterien neben direktem Handel mit kleinbäuerlichen Produzenten in Entwicklungsländern auch ein Verzicht auf Kinderarbeit zählt. TransFair zertifiziert 47 verschiedene Produkte aus den Bereichen Kaffee, Tee, Kakao, Schokolade, Orangensaft und Bananen. Sie sind, erkennbar am schwarz-weißen Fairtrade-Siegel, etwa bei Lebensmittelketten wie Billa, Merkur, Adeg oder Nah & Frisch erhältlich. Die Liste der Produkte und Verkaufsstellen findet sich unter www.fairtrade.at

Weltläden

Das gleiche Warenangebot, ergänzt um Lebensmittel wie Gewürze, Rum oder süße Riegel sowie Textilien, Lederwaren, Keramik, Glaswaren und Spielzeug gibt es bei den bundesweit 64 klassischen Weltläden. Die bemühen sich, ihren Kunden neben dem Hilfsgedanken auch einen professionellen Auftritt und konsumentengerechte Waren zu bieten. Die Liste der Weltläden und ihrer Produkte sowie deren Online-Vertrieb findet sich unter www.eza.cc

FIAN

Neu ist die Möglichkeit zum Kauf sozial verträglicher Blumen (Flower Label Programm), zertifiziert von der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN. FIAN kämpft gegen Kinderarbeit und gegen Probleme wie schlechte Löhne, unsichere Arbeitsverträge und Gesundheitsgefahren für die Blumenarbeiter(-innen) durch massiven Pestizideinsatz in vielen Entwicklungsländern. Die Liste der heimischen Geschäfte mit „sauberen“ Blumen findet sich unter www.fian.de

Fußbälle

Eine der ungewöhnlichsten Aktionen in der „Fairtrade-Branche“ ist der fair gehandelte Fußball, der nicht nur ohne Kinderarbeit hergestellt wurde, sondern auch den FIFA- und ÖFB-Richtlinien entspricht. Das faire Leder ist um zwanzig Euro über www.jugendeinewelt.at zu beziehen.

Teppiche

Leider auch nur per Internet sind jene ohne Kinderarbeit produzierten Teppiche in Österreich zu beziehen, für die sich der Schauspieler Otto Tausig einsetzt (siehe Interview). Solche Produkte, erkennbar am Rugmark-Siegel, können allerdings über renommierte deutsche Versandhändler wie Quelle, Otto-Versand, Heine oder Baur geordert werden. Die Liste der Online-Versandhändler (und die Liste europäischer Teppichläden mit Rugmark-Produkten) findet sich unter www.rugmark.de .

Spendenkonto und Kontaktadresse

Das Spendenkonto für die Tausig-Projekte: Erste Bank, BLZ 20111, Kontonummer 310 054 05150.

Entwicklungshilfe Klub
A - 1020 Wien
Böcklinstraße 44
Postfach 250
Tel: (01) 720 51 50
Fax: (01) 728 37 93

Terre des hommes

Informativ in allen Belangen der Kinderarbeit ist auch die Internetseite des Kinderhilfswerkes terre des hommes. Dort können auch Produkte erstanden werden, mit deren Erlös der Kampf gegen Kinderarbeit unterstützt wird. Adresse: www.tdh.de

Weitere Informationen

www.cleanclothes.at

www.markenfirmen.com

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