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Nachbarschaftsrecht: um Mitternacht baden - Lärm von nebenan

Lärm beeinträchtigt Wohn- und Lebensqualität gleichermaßen. Gegenseitige Rücksichtnahme und das Befolgen bestimmter Regeln können Konflikte nicht gänzlich verhindern, aber auf ein Minimum reduzieren.

Es mag zunächst verwundern, aber: Rücksicht auf Nachbarn hat Grenzen. Nämlich dort, wo jemandem (auch wenn es sich um ein Haus mit dünnen Wänden handelt), die Durchführung von Verrichtungen verwehrt wird, die mit dem normalen Bewohnen der Räume verbunden sind.

Es gibt – leider – Häuser, in denen die Bausubstanz so schlecht ist, dass man die Klospülung der angrenzenden Wohnung hören kann. Damit muss man leben. Selbst wenn es weit nach Mitternacht sein sollte und den Nachbarn der Durchfall plagt. Viel länger allerdings ist die Liste jener Belästigungen, wo bald Grenzen erreicht sind, auch wenn sie nicht leicht zu definieren sind.

Baden um Mitternacht

Das Recht darauf, in der eigenen Wohnung baden zu dürfen, ist durchaus auch in Österreich kein absolutes! Es ist nicht auszuschließen, dass im Einzelfall die Polizei jemanden aus der Badewanne holen könnte; spät in der Nacht etwa, wenn der „Pritschler“ – objektiv gesehen – störenden Lärm verursacht. Die Verrichtung der mit dem normalen Gebrauch der Wohnung verbundenen Dinge darf nicht zu einer Zeit geschehen, in der nach allgemeinem Brauch die Mitbewohner des Hauses Anspruch auf Ruhe haben, hat der Verwaltungsgerichtshof befunden.

Staubsaugen um Mitternacht

Ebenso sollten Staubsauger während der üblichen Ruhezeiten nicht in Betrieb genommen werden. Wer regelmäßig um Mitternacht seine Wohnung saugt, muss damit rechnen, dass über kurz oder lang ein Uniformierter an seine Türe klopft.

Störung durch Waschmaschine

Der Unabhängige Verwaltungssenat Steiermark hat auch die Berufung einer Mutter abgelehnt, die von einem Nachbarn angezeigt worden war, weil sie um 22 Uhr die Waschmaschine eingeschaltet hatte und er sich durch die lauten Schleudergänge gestört fühlte. Die Steirerin musste 29,07 Euro Geldstrafe wegen „ungebührlicher Lärmerregung“ zahlen. Wer dagegen zu später Stunde abspült und mit dem Geschirr klappert, braucht kein schlechtes Gewissen haben.

Es kommt auf den Einzelfall an

Was ist „wesentlich beeinträchtigt“?

Lärm ist eine Einwirkung (Immission), gegen die man sich unter bestimmten Voraussetzungen wehren kann. Er kann aber nur so weit verboten werden, als er das ortsübliche Ausmaß überschreitet und zugleich die ortsübliche Benützung eines Grundstücks oder einer Wohnung wesentlich beeinträchtigt. Es liegt auf der Hand, dass die Bestimmung dessen, was wesentlich oder unwesentlich beeinträchtigt beziehungsweise was ortsüblich ist, große Schwierigkeiten bereitet und regelmäßig den Kern eines Streits ausmacht.

Patentrezepte gibt es keine. Es kommt auf den Einzelfall an. Als Maßstab für eine Abgrenzung muss man sich die Reaktion eines „verständigen und durchschnittlich empfindlichen Menschen“ vorstellen – was er als wesentliche Beeinträchtigung empfinden würde, darf auch jeder andere als eine solche bezeichnen. So wird die Grenzschwelle immer dann erreicht, wenn die objektiv gegebene Erhöhung des Grundgeräusches zu einer subjektiven Lästigkeit für den normal empfindenden Menschen führt.

Was ist „ortsüblich“?

Auch die Ortsüblichkeit ist ein dehnbarer Begriff. Unter Ort ist dabei nicht die politische Gemeinde, sondern die Umgebung im Allgemeinen zu verstehen. Maßgeblich ist, wie die in der näheren Umgebung des betroffenen Grundstücks liegenden Immobilien genutzt werden: Wohnbebauung? Kurgebiet? Gewerbebetriebe? Landwirtschaftliche Nutzung? Was in einer Industriezone als ortsüblicher Lärm gilt, kann etwa in einer Kurstadt als Lärmbeeinträchtigung untersagt werden.

Klavierspiel

Allgemeiner Erfahrung nach wird – anders als etwa Schlagzeug, Trompete und andere Blechblasinstrumente, mit denen wegen ihrer besonderen Lautstärke grundsätzlich in so genannten Proberäumen geübt wird – gerade auch das Klavierspiel (ebenso wie etwa Blockflöte und Ziehharmonika) im städtischen Raum vielfach in Wohnungen erlernt und geübt. Demgemäß ist das Klavierspiel seit jeher in Wohnvierteln üblich.

Als ortsüblich kann Klavierspiel (das wie anderes Musizieren auch besonders in Österreich zweifellos ein wesentlicher Kulturbestandteil ist), allerdings nur bezeichnet werden, soweit es nicht während der üblichen Ruhestunden – etwa in der Mittagszeit und in den Nachtstunden – betrieben wird. Selbstredend kann auch nur zeitlich limitiertes Klavierspiel unter bestimmten Einschränkungen als ortsüblich angesehen werden.

"Übungszeit": 4 Stunden

Der Oberste Gerichtshof hat etwa im Fall einer Musikstudentin eine „Übungszeit“ von 4 Stunden täglich als „übliche und den anderen Hausbewohnern zumutbare widmungsgemäße Wohnungsbenützung“ gebilligt; ebenso befanden die Höchstrichter das tägliche Klavierspiel in der Dauer von insgesamt 4 Stunden als die ortsübliche Benutzung einer Mietwohnung nicht wesentlich beeinträchtigend. Denn: beim Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus sind dadurch bedingte Unannehmlichkeiten grundsätzlich in Kauf zu nehmen.

Nur Kleinkinder dürfen schreien

Kinderlärm

In der langen Liste der Urteile, Ruhestörer betreffend, gibt es auch welche, die sich mit dem Lärm der lieben Kleinen beschäftigen. Grundfrage: Dürfen sie lauter sein als die Erwachsenen? Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat sich auch mit dieser Frage auseinander gesetzt und sich das Urteil abgerungen: Schreien dürfen nur ganz kleine Kinder. Details dieser VwGHEntscheidung:

  • Das typische Schreien von Säuglingen und Kleinstkindern, aber auch der typische Lärm von kleineren Kindern, etwa ein gelegentliches „Herumlaufen“ in der Wohnung, ist nicht als ungebührlich zu beurteilen.
  • Das gilt ebenso für gelegentliche, kurze Raufereien von Klein- beziehungsweise Vorschulkindern.
  • Aber: Wenn ein Achtjähriger gemeinsam mit seinem um zwei Jahre älteren Bruder eine halbe Stunde ungehindert schreit und hüpft und dadurch bei den Wohnungsnachbarn unterhalb der Luster wackelt, die Türen scheppern, die Zimmerdecke vibriert und Kästen knarren, so muss das von den Nachbarn nicht akzeptiert werden.

Lärmende Jugendliche

Geht die Lärmbelästigung von Jugendlichen in einer Wohnanlage aus, hat der Vermieter darauf zu reagieren; ansonsten kommt eine Mietminderung in Frage. Wenn sich auf einer zwischen zwei Wohnblöcken liegenden Grünfläche nahezu täglich an die 20 Jugendliche treffen, um Fußball zu spielen und sich lauthals dabei anzufeuern, hat der Vermieter die Hinweise der Mieter – etwa durch Aufstellen eines Verbotsschilds – zu befolgen.

Unterlässt er dies, verstößt er gegen seine Verpflichtung, einer etwaigen Lärmbelästigung so gut wie möglich vorzubeugenvorzubeugen, weshalb die Herabsetzung der zu entrichtenden Miete gerechtfertigt sein kann.

Lautes Tennisspiel

Auch Tennisspieler können Anrainern auf die Nerven gehen. Ein Streitfall ging bis zum Obersten Gerichtshof. Der entschied: Man kann sehr wohl Klage gegen den Betreiber eines Tennisplatzes einbringen. Das „Plop“ der Bälle, Wutausbrüche und Triumphgeschrei der Spieler können lästig sein, also gelten sie als Immissionen. Während in Deutschland der Bundesgerichtshof klar festlegt, dass Lärmvermehrungen um mehr als fünf Dezibel eine unzulässige Beeinträchtigung des Wohlbefindens eines Menschen darstellen, gibt es in der österreichischen Rechtsprechung kein derart konsequentes Verbot.

Tennis spielen ist fast immer erlaubt, so das OGH-Urteil: Nur zu Zeiten, in denen besondere Ruhe zu wahren ist, etwa zur späteren Abend- und Nachtzeit, aber auch während einer ortsüblichen Mittagsruhe, sollten Tennisbälle nicht übers Netz fliegen. Es bleibt dem Tennisplatzbetreiber überlassen, wie er den Lärm „eindämmt“: durch eine Lärmschutzmauer, hohe Hecken, einen neuen Bodenbelag oder überhaupt durch Umstellung auf Hallenbetrieb.

Bahnlärm

Wer sich ein Haus neben den Schienen kauft, darf sich nicht wundern, wenn er nachts aus dem Bett fällt. Der Bahnbetrieb ist nicht zu verhindern. Da fährt wirklich die Eisenbahn drüber.

Wer schweigt, stimmt zu

Wer schweigt, stimmt zu

Was aber tun, wenn man an einem ruhigen Platz wohnt und plötzlich quartiert die Gemeinde in unmittelbarer Nähe Schuhplattler ein? Oder setzt einem eine Sportanlage vors Fenster? In der Nähe von Villach tat ein Bürgermeister beides. Der Bürger hat aber gute Chancen, sich gegen eine vehemente Lärmverstärkung erfolgreich zu wehren. Er darf sich nur nicht zu viel Zeit lassen mit seiner Beschwerde. Sonst wird der neu hinzugekommene Lärm ortsüblich, und man kann nichts mehr dagegen unternehmen.

Rechtzeitig zur Wehr setzen

Denn: Nicht länger als drei Jahre darf der betroffene Anrainer die Beeinträchtigung unbeanstandet hinnehmen. Das ist zwar nicht gesetzlich geregelt. Aber das sagt der Oberste Gerichtshof. Der Nachbar muss daher schleichende Veränderungen, gegen die er sich nicht rechtzeitig zur Wehr gesetzt hat, dulden. Die Untätigkeit des Nachbarn führt allmählich zur Ortsüblichkeit der Immission.

Buchtipp: "Wenn Nachbarn nerven"

Nachbarschaftskonflikte können die Lebensqualität erheblich einschränken. Ob Musik, Kinderlärm, Grillgerüche oder Tierhaltung: Was ist zumutbar – was nicht? Unser Buch erläutert anhand von zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung, wogegen Sie sich wehren können und gibt Tipps für den Streitfall.

www.konsument.at/nachbarn

Aus dem Inhalt

  • Lärm: Feiern, Musik, Kinder, Baulärm
  • Geruch: Grillrauch, Abfall, Gewerbebetriebe
  • Garten: Licht, Bäume, Zäune
  • Tierhaltung: Haustiere, Nutztiere, Wildtiere
  • Streitfall: Rechtsweg und Schlichtung

196 Seiten, 16,90 € + Versand

 Wenn Nachbarn nerven

 

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