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Gesellschaftliche Verantwortung - Ethik-Testerin im Interview

Vor-Ort-Untersuchungen zeigen, wie es mit der sozialen Verantwortung in Fabriken aussieht. Wir bringen ein Interview zum Audit des Ethik-Tests Digitalkameras.

Die Untersuchung der gesellschaftlichen Verantwortung eines Unternehmens ist nicht einfach mit der Auswertung eines Fragebogens getan. Um die Angaben zu überprüfen, werden auch Vor-Ort-Untersuchungen in den Fertigungsstätten Asiens durchgeführt. Wie gehen solche Audits eigentlich vor sich? Wovor haben große Konzerne Angst? Wir lassen eine Vertreterin von „Engaged“ zu Wort kommen, jene Organisation, die diese Überprüfungen für den Ethik-Test Digitalkamerahersteller unternommen hat.

Entwicklungen mitverfolgen

 „Engaged – Partnerships for Change” eine Non-Government-Organisation (NGO – regierungsunabhängige Organisation) mit Sitz in Brüssel, will mehr sein als eine bloße Audit-Agentur. Sie begnügt sich nicht mit der einmaligen Überprüfung der sozialen Verantwortung von Fabriken in Fernost, sondern engagiert sich auch proaktiv, also vorausschauend, für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Förderung des Problembewusstseins.

Engaged hat im Auftrag von ICRT, der Internationalen Testorganisation der Konsumentenorganisationen, die Vor-Ort-Untersuchungen für den Ethik-Test Digitalkamerahersteller durchgeführt. Mitzi Zaruk, Auditorin bei Engaged: „Wir haben diese Organisation gegründet, weil wir Verbesserungen auf lokaler Ebene erreichen wollen. Wir wollen mitverfolgen, wie sich die Fabriken nach unseren Audits weiterentwickeln.“

Scharfe Wachhunde

Zur konkreten Untersuchung der Kamera-Fertigungsstätten bemerkt Zaruk, dass die Branche bis dahin keine Erfahrungen mit kritischen Überprüfungen gehabt hätte. Neun der zehn im Ethik-Test untersuchten Unternehmen hatten zuvor nie mit einer NGO zusammengearbeitet, geschweige denn mit einer, die unabhängige Audits durchführt. NGOs gelten als scharfe watchdogs (Wachhunde), daher hätten, so Zaruk, die Firmen ihrem Besuch mit Bangen entgegengesehen. „Es gibt da wohl eine stereotype Vorstellung von NGOs in den Köpfen des Managements. Da ist es nicht die Frage, ob ich Hörner trage, sondern wie viele davon“, amüsiert sich Mitzi Zaruk.

Ist es unter diesen Umständen nicht schwierig, eine Gesprächsbasis zu finden?

Zaruk: Ich versuche einfach, ich selbst zu sein. Wobei ich mich an gewisse Bewertungsgrundsätze halte. Ich wende eine Menge Zeit auf, um zu erklären worum es uns geht und dass Aufrichtigkeit ganz wichtig ist. Die sozialen Beziehungen in einem Unternehmen sind eine komplizierte Sache, da gibt es keine Schwarz-Weiß-Malerei. Ich erzähle den Managern über unsere Erfahrungen in den letzten zehn Jahren, in den unterschiedlichsten Branchen und Kulturen. So verstehen sie, dass die Ergebnisse der Untersuchung in einem wirtschaftlichen und kulturellen Kontext zu sehen sind. Auf diese Weise beruhigen sie sich ein wenig.

Schwierige Gesprächsführung

Wie lief die Untersuchung über die Kameraindustrie ab im Vergleich zu anderen Studien, die sie durchgeführt haben?

Zaruk: Normalerweise wird ein Audit durch die Konzernführung veranlasst, die froh sein wird, wenn ich sie auf Mängel in den Fabriken aufmerksam mache. In diesem Fall aber handelte es sich um eine ethische Beurteilung, die nur so ähnlich ablief wie ein Audit. Da standen Konzern und Fabrik zusammen, während ich in Opposition zu Ihnen stand. Sie waren nicht sicher, wie ich die Ergebnisse interpretieren würde. Daher war es schwierig, Unterstützung zu bekommen. Ich hatte Mühe, meinen Gesprächspartnern zu erklären, worin der Sinn einer solchen Untersuchung aus Konsumentensicht besteht.

Ist diese Verschlossenheit typisch für die Elektronikindustrie?

Zaruk: Eigentlich nicht, aber der Schwerpunkt bisheriger Untersuchungen war anders gelagert. Ein Gutteil hängt vom Standort der Fertigungsstätten ab. Bei dieser Untersuchung lag ein Teil der besichtigten Fabriken in Japan und Südkorea, und das erschien vielen als absurd. Paradoxerweise waren aber die Ratings dieser Fabriken in einigen Fällen viel schlechter als die in den Niedriglohnländern Südostasiens. Dort erwiesen sich die Interviewpartner als offener für ein Feedback, während die Fabriken in Japan und Korea verschlossener waren und sehr vorsichtig.

In einer Fabrik gaben sie mir zwei Stunden Zeit für die Untersuchung, aber sie verwehrten mir den Zutritt zu den Fertigungsstätten, Arbeitskräften oder Dokumenten. Und das nach mühevollen und zeitaufwändigen Vorbereitungen. Es wird wohl noch eine Zeit brauchen, bis sich die Mentalität geändert hat.

Welchen Eindruck hatten sie von den Konzernzentralen?

Zaruk: Sie waren extrem vorsichtig. Die Zentralen aller untersuchten Markenfirmen hatten ihren Sitz in Korea oder Japan, die Menschen dort sind eher langsam und reserviert. Vor allem aber: Es war das erste Mal, dass sie über diese Themen mit einer NGO sprachen. Der Vizepräsident einer der Markenfirmen war recht aufrichtig, er meinte, diese Untersuchung stelle ein Leck dar, das den Damm zum Bersten bringen könnte. Sie dachten, nach den Konsumentenorganisationen würden andere NGOs ebenfalls Zutritt zu den Fabriken verlangen. In Indonesien und China herrschte mehr Offenheit, besonders in Zulieferwerken, die nicht im Eigentum der Markenfirmen standen.

Worin bestand der Unterschied?

Zaruk: Der Markenkonzern ist daran interessiert, den Absatz der Kameras zu erhöhen, während die Fabriken näher bei den Arbeitern sind. Wenn ich die Manager einer Fabrik auf eine mögliche Explosionsgefahr in ihrem Werk aufmerksam mache, betrifft sie das wesentlich direkter. Die Verantwortlichen sehen die davon betroffenen Leute jeden Tag. Sie waren daher interessiert daran, dass sie ein Feedback von einem unabhängigen Dritten bekamen. Auf unsere Einschätzung folgte eine offene, konstruktive Diskussion. Das stand in starkem Gegensatz zu den Reaktionen der Konzernchefs.

 

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