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Internet: Meinungsäußerung - Das geht zu weit!

, aktualisiert am

Das Internet lädt förmlich dazu ein, dem eigenen Ärger freien Lauf zu lassen. Das kann unter Umständen ins Auge gehen.

Sie möchten sich Ärger und Frust von der Seele schreiben? Sich über einen schlechten Arzt beschweren, vor einem pfuschenden Handwerker warnen? Und dabei möglichst viele Personen erreichen? Was böte sich da eher an, als dies im Internet kundzutun. Sie sollten aber nicht vergessen, dass Ihre Kritik auch vom Kritisierten selbst gelesen werden und rechtliche Folgen haben kann.

Empfehlungen, Kritiken

Testberichte, Empfehlungen und Kritiken finden sich im Internet zu allen Waren, Dienstleistern und Branchen. Internethändler stehen genauso auf dem Prüfstand wie beispielsweise Ärzte oder Bauunternehmen. Bevor Konsumenten etwas kaufen, wenn sie einen Professionisten suchen, wenn sie einen Arzt brauchen, googeln sie nach Erfahrungsberichten.

Unternehmer wehren sich

Die Unternehmer wissen sehr gut, wie entscheidend positive und negative Einträge in der Trefferliste von Internetsuchmaschinen für ihr Geschäft sind. Entsprechend empfindlich reagieren sie auf schlechte Kritik in Gäste­büchern, Foren und Social Networks wie Facebook und versuchen, sich mit rechtlichen Schritten gegen Anschuldigungen zu wehren.

 


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Lesen Sie hier beispielsweise die Richtlinien für das konsument.at-Forum.

Meinungsäußerung hat Grenzen

Freie Meinungsäußerung hat Grenzen

Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt selbstverständlich auch im Internet. Daher müssen sich Unternehmer, Arbeitgeber und Ausbildungsstätten eine online veröffentlichte Kritik grundsätzlich gefallen lassen. Gegen unrichtige Vorwürfe und unsachliche Beschimpfungen können sie sich jedoch mit rechtlichen Mitteln wehren.

Behauptungen müssen beweisbar sein

Wenn Sie Kritik üben, sollten Sie daher folgende Grundsätze beachten: Über wahre Tatsachen zu berichten, ist in aller Regel erlaubt, auch wenn diese Tatsachen für den Betrof­fenen negativ sind. Im Streitfall müssen Sie aber in der Lage sein, die Wahrheit Ihrer Behauptungen zu beweisen, indem Sie entsprechende Unterlagen, E-Mails oder ähnliche Beweismittel vorlegen und Zeugen nennen, die die Richtigkeit der von Ihnen behaupteten Vorfälle bestätigen. Gelingt Ihnen das nicht, verlieren Sie das Gerichtsverfahren.

Beispiel: Sie lassen sich ein Fertigteilhaus bauen. Am ersten Regentag nach der Übergabe dringt Wasser durch das Dach ein. Sie lassen das Dach von einem Sachverständigen prüfen. Es stellt sich heraus, dass die Isolierung mit einem ungeeigneten Material erfolgte. Sie klagen die Baufirma und bekommen recht. Wenn Sie in einem Internetforum schreiben: "X hat mein Fertigteilhaus gebaut. Beim ersten Regen kam Wasser durch das Dach. Ich habe X geklagt und gewonnen. X hat das Dach mit dem falschen Material isoliert", haben Sie gute Karten. Denn Sie können die geschilderten Tatsachen durch Verweis auf das Gutachten und den Gerichtsprozess beweisen.

Fakten nennen

Neben der Schilderung wahrer Tatsachen dürfen Sie auch Ihre persönliche Meinung äußern und das kritisierte Unternehmen bewerten. Wichtig ist aber, dass Sie Fakten ­nennen (und beweisen) können, auf die Sie sich stützen. Wenn Ihre Kritik über die Tat­sachengrundlage hinausgeht, verlieren Sie den Prozess. Im oben genannten Beispiel dürfen Sie Ihren Tatsachenbericht mit den Worten "Mit Firma X habe ich schlechte Erfahrungen gemacht" einleiten. Denn die Vorfälle mit X sind schlechte Erfahrungen. Auch ein "Nie wieder!" ist wohl gerechtfertigt. Wenn hin­gegen ein Onlinehändler die bestellte Ware zwei Wochen lang nicht liefert, ist er des­wegen noch kein "Gauner" oder "Betrüger".

Die Bedeutung Ihres Postings

Die Bedeutung Ihres Postings

Wenn es zu einem Rechtsstreit kommt, interpretiert der Richter die Äußerung. Er orientiert sich dabei nicht daran, wie Sie selbst Ihre ­Äußerung gemeint haben, sondern daran, wie der durchschnittliche Leser die Äußerung verstehen würde. Er sieht sich dazu auch den Gesamtzusammenhang an. Alle Tatsachen­behauptungen, die der Text enthält, sind dann zu beweisen. Ihre persönlichen Wertungen müssen eine Stütze in den Tatsachen haben.

Jemand schreibt in einem Internetforum: "Finger weg von diesem Arzt. Der nimmt sich nicht einmal eine Minute für dich Zeit." Darin steckt nicht nur eine persönliche Meinung, sondern auch der Vorwurf, der Arzt würde seine Patienten nicht ausreichend unter­suchen und beraten. Im Streitfall müssten Sie zwar nicht Patienten als Zeugen dafür bringen, dass der Arzt jede Behandlung nach 59 Sekunden beendet. Sie müssten aber ­beweisen können, dass er sich relativ kurz, nämlich unangemessen kurz, mit seinen ­Patienten beschäftigt.

Vermutungen sind riskant

Es hilft Ihnen nicht, Ihren Vorwurf als Gerücht oder Frage zu formulieren. Sätze wie "Ich habe gehört, dass er bald in Konkurs geht" oder "Ich frage mich schon, warum der nicht längst in Konkurs ist" heißen nichts anderes als: "Der Betroffene ist bald konkursreif." – Und das müssten Sie beweisen. Riskant ist es, Dinge zu schreiben, die Sie nur vom Hören­sagen kennen oder die Sie bloß vermuten. Im Streitfall haben Sie dann wahrscheinlich Probleme, einen Beweis für die Wahrheit ­Ihrer Äußerung zu finden.

Social Networks

Social Networks

Wenn Sie etwas in Social Networks etc. schreiben, erreicht diese Nachricht in vielen Fällen nicht nur Ihren Freundes- und Kollegenkreis. Viele Inhalte im Web sind öffentlich einsehbar. Sie müssen außerdem damit rechnen, dass Ihre Äußerungen durch absichtliche Weitergabe oder auch versehentlich zu ­großzügige Privatsphäre-Einstellungen an Per­sonen gelangen, für die diese Mitteilung gar nicht bestimmt war.

Inhalte sind schwer entfernbar

Hinzu kommt das Elefantengedächtnis des Internets: Inhalte, die Sie einmal gepostet ­haben, bleiben dort meist für immer abrufbar und lassen sich nur schwer entfernen, vielleicht auch gar nicht mehr. Google stöbert auch Einträge auf, die Jahre zurückliegen. Sie können als Autor oft nicht verhindern, dass andere Ihren Text durch Antwort-Postings oder eine "Zitieren"-Funktion an anderer Stelle erneut veröffentlichen.

Sie sind nicht anonym

Die scheinbare Anonymität im Internet ver­leitet dazu, seinem Ärger heftig Luft zu ­machen. Auf den Schutz durch Ihr Pseu­donym sollten Sie sich aber nicht verlassen. Grundsätzlich sind die Betreiber von Internetplattformen zur Auskunft über die Identität ihrer Nutzer verpflichtet, wenn Gerichte und Verwaltungsbehörden dies verlangen. Auch gegenüber Privaten müssen die Plattform­betreiber unter bestimmten Voraussetzungen Auskunft erteilen. Selbst wenn Sie dem Plattformbetreiber nicht Ihren wahren Namen mitgeteilt haben, könnte man Sie letztlich über die IP-Adresse jenes Rechners aufspüren, von dem aus Sie den Dienst genutzt haben.

Was kann passieren?

Was kann passieren?

Der von Ihrer Kritik Betroffene kann u.a. wegen Kreditschädigung und Ehrenbeleidigung ­klagen und damit die künftige Unterlassung dieser und sinngemäßer Behauptungen, den Widerruf der Behauptung als unwahr und die Veröffentlichung dieses Widerrufs (z.B. in einem weiteren Posting) verlangen. Die Prozesskosten bei derartigen Verfahren können beträchtlich sein. Der Kritisierte hat auch die Möglichkeit, gegen den Plattformbetreiber vorzugehen; der hat dann Regressansprüche gegen Sie.

Klage wegen übler Nachrede bzw. Beleidigung

Der Betroffene kann denjenigen, der ihm ein unehrenhaftes Verhalten (z.B. einen Betrug am Kunden) unterstellt oder ihn beschimpft ("Gauner", "Idiot"), auch beim Strafgericht wegen übler Nachrede bzw. Beleidigung anklagen und die Verhängung einer (Geld-)Strafe verlangen.

Klage wegen Kreditschädigung und Ehrenbeleidigung

Gut überlegen sollten Sie, was Sie über Ihren Arbeitgeber und Ihre Tätigkeit veröffent­lichen. Gegen Schimpftiraden, unsachliche oder unwahre Aussagen kann der Arbeit­geber mit einer Klage wegen Kreditschädigung und Ehrenbeleidigung vorgehen. Doch auch wenn Sie bei der Wahrheit bleiben, ist Vorsicht angesagt: Die Weitergabe von ­Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist rechtswidrig und könnte zu einer Entlassung führen. Selbst wenn Sie Ihren Dienstgeber zu Recht kritisieren, kann das unangenehme Folgen haben: Verträgt der Chef Ihre Kritik nicht, riskieren Sie, zum nächsten Termin ­gekündigt zu werden.

Beachten Sie, dass auch Ihr Arbeitgeber ­Internetforen und Social Networks nutzen könnte. Wer sich krank gemeldet hat, dann jedoch auf Facebook schreibt, wie toll die Nacht in der Disco war, obwohl er seinen Boss unter den "Freunden" hat, darf sich über die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht wundern.

Die wichtigsten Tipps fürForen & Co

  • Schreiben Sie nicht im Zustand größten Ärgers.
  • Schildern Sie nur jene Tatsachen, die Sie auch beweisen können.
  • Vermeiden Sie Übertreibungen und ­Pauschalierungen.
  • Lassen Sie die Leser sich selbst ein Bild vom Kritisierten machen.

Buchtipp: "Ihr Recht im Internet"

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www.konsument.at/internet-recht

Aus dem Inhalt

  • Gefahrlos im Internet einkaufen
  • Musik, Videos und Fotos nutzen
  • Internet am Arbeitsplatz
  • Spielregeln für Facebook, Twitter & Co
  • Umgang mit unerwünschter Werbung

Broschiert, 176 Seiten, € 19,90 + Versandkosten

 

 

Ihr Recht im Internet

Leserreaktionen

Repressalien befürchtet

Wenn ich bei jedem Wort, das ich schreibe, befürchten muss, den Richter am Hals zu haben, erübrigt sich bald jede Diskussion. Was nützt mir Ihr Forum „Schlechte Erfahrungen gemacht“, wenn ich durch Bekanntgabe des Namens des Unternehmens oder Professionisten befürchten muss, einer Klage ausgesetzt zu sein?

Es kann ja nicht sein, nur gute Erfahrungen – weil diese quasi eine kostenlose Werbung darstellen – ohne Angst vor Repressalien mitteilen zu „dürfen“, die schlechten dagegen aber mit der eventuellen Aussicht auf den Kadi unterdrücken zu wollen. Hier hört sich jede freie Meinungsäußerung auf!

Leopold Proksch
Wien
(aus KONSUMENT 2/2012)

Natürlich können Sie auch negative Erlebnisse schildern: Bleiben Sie aber bei der Wahrheit, und bleiben Sie sachlich, verwenden Sie also beispielsweise keine Schimpfwörter. Auch Wertungen sollten nicht übertrieben sein. Das wäre etwa dann der Fall, wenn man einen Online-Händler, der zwei Wochen nach der Bestellung noch nicht geliefert hat, als Betrüger bezeichnet.

Die Redaktion

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