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Spar wollte eine 3-Mio-Kartellstrafe auf 1000 Euro reduziert haben. Der Oberste Gerichtshof verurteilte Spar in der Folge zu 30 Mio. Bild: josefkubes/Shutterstock

Spar: 30 Millionen Euro Kartellstrafe - Preisabsprachen bei Molkereiprodukten

, aktualisiert am

Der Handelsriese Spar hat von 2002 bis 2012 illegal Preise von Molkereiprodukten mit Lieferanten abgesprochen. Die mussten dafür sorgen, dass auch die Konkurrenz die Preise anhebt. Der Oberste Gerichtshof hat nun die ursprüngliche Kartellstrafe von 3 Millionen Euro verzehnfacht. Beinahe zeitgleich wurde Spar auch vom ungarischen Höchstgericht wegen unfairer Methoden gegenüber Lieferanten verurteilt.

Schon im November 2014 hatte das Kartellgericht Wien Spar zu einer Geldbuße von 3 Millionen Euro verurteilt; Grund: Preisabsprachen mit den Lieferanten bei Molkereiprodukten. Spar wollte das nicht hinnehmen und verlangte die Strafe auf 1000 Euro zu reduzieren. Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und Bundeskartellanwalt als Ankläger sahen die drei Millionen als nicht ausreichend abschreckend an und verlangten höhere Strafen. Dem folgte der OGH.

"Jeweils überdurchschnittlich"

Das Gericht findet klare Worte für die Schädigung der Konsumenten. Der Verstoß von Spar sei „jeweils als deutlich überdurchschnittlich anzusehen“ – überdurchschnittlich gemessen am Schweregrad, überdurchschnittlich auch Dauer (zehn Jahre), Finanzkraft und Vorsatz. Stichwort Vorsatz: Am 3.5.2011 hatte der Markenartikelverband Spar-Chef Gerhard Drexel in einem Schreiben gewarnt. Jede Einflussnahme auf den Preis eines Wiederverkäufers sei verboten. "Dies würde“, so kann man im OGH-Urteil lesen, „einen schweren Wettbewerbsverstoß darstellen, der von den Kartell- und Wettbewerbsbehörden in Österreich und auf europäischer Ebene mit hohen Sanktionen geahndet werden würde.“

Strafe verzehnfacht

Das Bußgeld beträgt nun 30 Millionen Euro und hätte noch höher ausfallen können. Laut Gesetz könnte das Gericht zehn Prozent des Konzern-Jahresumsatzes als Strafe verhängen. Beim Spar-Konzernumsatz von 8,67 Milliarden Euro für 2013 wären das 867 Millionen gewesen - theoretisch. Ein Vergleich aus der Praxis: Das französische Joghurt-Kartell (Hauptbeteiligter: Nestlé-Tochter Lactalis) wurde im März 2015 zu 192 Millionen Euro verdonnert.

Preise der Konkurrenz erhöht

Laut Urteil verlangten Einkaufsmanager bei Spar von ihren Lieferanten, "empfohlene Verkaufspreise" als Richtpreise festzusetzen. Das Ergebnis sind höhere Preise für die Kunden. Bei funktionierendem Wettbewerb könnten Kunden von Spar weg zu einem anderen Anbieter gehen und dort kaufen. Aber das Handelsunternehmen übte „starken Druck“ auf die Lieferanten aus, damit die die höheren Preise zusätzlich auch bei der Konkurrenz durchsetzen. „Ein Lieferant“, so liest man im Urteil, „wies darauf hin, dass der Verkaufspreis bei einem Mitbewerber nach mehrmonatigen Bemühungen von 1,09  Euro auf 1,19 Euro angehoben worden sei.“

"Kein Schaden für Konsumenten“

Noch im Februar 2015 hatte sich das Unternehmen über zwei Prozent Umsatzwachstum – teilweise durch Expansion, teilweise durch höhere Erträge in bestehenden Geschäften - gefreut (Branchenschnitt: 0,3%); Drexel: "Wir sind zum fünften Mal in ununterbrochener Folge Wachstumsführer geworden – worauf wir auch ein bisschen stolz sind.“ Nach der 30-Mio-Strafe des OGH erklärte Spar-Chef Drexel: „Wichtig ist, dass kein Schaden für die Konsumenten entstanden ist.“ Wie sei denn das gemeint, wollten wir wissen. Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann: "Dass den Kunden kein Schaden entstanden ist, ist einerseits unsere tiefste Überzeugung, weil wir immer die besten Preise für unsere Kunden verhandeln. Dazu stehen wir! Und andererseits ist im Verfahren auch kein Schaden für die Konsumenten festgestellt worden. (War nicht Inhalt des Verfahrens).“ Wir fragten weiter: "Wie hoch waren die Einnahmen aus den überhöhten Preisen in der Kategorie Milchprodukte?“ Berkmann: "Dass es überhöhte Preise gegeben hat, ist allein Ihre Interpretation.“

Weitere Verfahren anhängig

Mit dem Urteil ist die Sache für Spar noch nicht vorbei; es kann noch teurer werden. Es laufen Verfahren zu weiteren Produkten: Obst, Gemüse, Geflügel, Eier, Fette, Feinkost, Würzen, vorgefertigte Lebensmittel, Tiefkühlkost, Konserven, Grundnahrungsmittel, Baby- und sonstige Spezialnahrung, Heißgetränke, Brot, Süßwaren, Alkohol, Tiernahrung, Waschmittel, Putzmittel, Kosmetik, Körperpflege und Hygiene …  Zu Mehl und Bier gibt es gesonderte Bußgeldanträge der BWB.

Ungarn: Spar benachteiligt Lieferanten

Auch der Oberste Gerichtshof Ungarns verurteilte Ende September 2015 Spar zu einer Geldstrafe. In diesem Fall betrug die Strafe nicht ganz 170.000 Euro (50 Millionen Forint). Spar habe seine Marktmacht missbraucht. Lieferanten hatten, so berichtet PaRR - ein auf Wettbewerbs- und Handelsrecht spezialisierter Nachrichtendienst -,  „to pay a certain percentage of bonus to Spar based on the overall value of supplies sent to the chain, but regardless of its actual sales.” Die Lieferanten mussten also einen fixen Bonus an Spar zahlen, egal wieviel ihrer Produkte in den Spar-Filialen verkauft wurde. Zum Urteil (ungarisch):

Kartelle: kein Einzelphänomen

Die 30-Millionen-Strafe gegen Spar setzt in Österreich (bei Einzelunternehmen) einen neuen Rekord. Platz eins hielt zuvor der Rewe-Konzern (Billa, Merkur, Penny, Bipa, Adeg) mit einer Geldbuße von 20,8 Millionen Euro im Jahr 2013. Aber Preiskartelle und Wettbewerbsverstöße sind verbreitet wie Erkältungen im Herbst. 2015 fassten Vöslauer, Zielpunkt (Pfeiffer), Nikon, und Kartellstrafen aus. Bei Samsung war es über eine Million, bei Zielpunkt waren es über 560.000, bei KTM über 100.000, bei Vöslauer über 650.000 Euro und 1,7 Millionen bei [Asset Included (Id:318897392731;Type:MagazinArtikel)].

Bei welchen Produkten und Firmen es in den letzten Jahren illegale Preisabsprachen gab und mit welchen Strafen diese geahndet wurden, lesen Sie in: [Asset Included (Id:318893714350;Type:MagazinArtikel)]

Bußgelder für Konsumentenschutz

Kartellabsprachen schaden der freien Preisfindung und dem Wettbewerb. Kunden zahlen jahre- oder gar jahrzehntelang zuviel. Laut Regierungsprogramm 2013-2018 sollen Teile der vom Kartellgericht verhängten Bußgelder in den Konsumentenschutz fließen. Das Vorhaben wurde nicht umgesetzt.
 

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