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Überfischung - Leere Meere

90 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände sind überfischt oder stehen kurz davor. Nicht nur das Ökosystem Meer ist bedroht, sondern auch die Ernährungssicherheit von Millionen von Menschen.

Roter Thun, Scholle, Nordseekabeljau: Die Zahl der Fischarten, die vom Aussterben bedroht sind, wächst. Sie werden gejagt und gefangen von hoch industrialisierten Fischtrawlern, die mit 3D-Sonargeräten und Satellitennavigation Fischgründe aufspüren und metergenau befischen. Je stärker die Bestände zurückgehen, desto größer werden die Netze und desto moderner die Ausrüstung. In den Netzen der Hochseetrawler verfangen sich Seevögel, Wale, Schildkröten und Delphine – sie werden als Abfall zurück ins Meer geworfen.

2,6 Milliarden leben von Fisch

"Wir verspielen unsere wichtigste Nahrungsquelle, da sich weltweit etwa 2,6 Milliarden Menschen hauptsächlich von Fisch ernähren", warnt Achim Steiner, Chef des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. Vor allem Menschen in Küstenregionen ernähren sich von Fisch. In Westafrika deckt Fisch 50 bis 80 Pro­zent der Versorgung mit tierischem Eiweiß.

Österreich: 95 Prozent Import

Die Einfuhr von Fisch nach Österreich ist laut Statistik Austria in den vergangenen sechs Jahren von rund 65.000 auf rund 73.000 Tonnen pro Jahr gestiegen. Österreich deckt seinen Fischbedarf zu 95 Prozent durch ­Importe. Der "Fish Dependence Day" fiel heuer auf den 17. Jänner – seit diesem Tag ist der Fischkonsum in Österreich nur noch durch Importe möglich. Europa ist gar der weltweit größte Importeur von Fisch und Meeresfrüchten. "Der europäische Markt beeinflusst stark, wie weltweit Fischerei ­betrieben wird", verlautet der WWF.

Bestandskollaps bis 2050

Der weltweit steigende Konsum von Fisch führt zu einer massiven Überfischung der Weltmeere, es werden mehr Fische gefangen als durch natürlichen Zuwachs nachkommen. Rund 90 Prozent der Bestände gelten nach Schätzungen der Food and Agriculture Organization (FAO) bereits als überfischt oder stehen unmittelbar davor. "30 Prozent der Meere sind überfischt, 60 Prozent maximal befischt", sagt Axel Hein, Meeresexperte des WWF. Vor allem die Fischgründe des Nordatlantiks und des Mittelmeers sind praktisch leer gefischt. Sollte sich an der Situation nichts ändern, werden laut Prognose die meisten Fisch­bestände bis zum Jahr 2050 kollabiert sein.

"Eine Änderung könnte nur durch eine sehr strenge Reglementierung der Fang- und Importquoten von Meeresfisch auf der einen Seite und Förderung heimischer Fischereien und Bio-Zuchten auf der anderen Seite geschehen", meint Nunu Kaller, Konsumentensprecherin bei Greenpeace Österreich.

MSC-Gütesiegel in der Kritik

Fangmengen nicht eingehalten

Das EU-Fischereigesetz wurde 2013 reformiert, doch die Umsetzung der ambitionierten Ziele lässt auf sich warten – etwa ein Rückwurfverbot, das unerwünschten Beifang minimieren soll. Auch ein Nachhaltigkeitsziel wurde in dem Gesetz verankert: Ab spätestens 2020 darf in allen EU-Fischereien nur noch so viel gefischt werden, wie nachwachsen kann. Doch laut WWF halten sich die einzelnen Staaten nicht an vorgegebene Fangmengen.

EU-Verordnung gegen Piraten-Fischerei

Auch illegaler Fischfang nimmt mit der wachsenden Nachfrage aus Europa und Asien und sinkenden Fangquoten in europäischen Gewässern zu. Betroffen sind vor allem Gewässer in Entwicklungsländern: Diese Länder verfügen nur selten über ausreichende Möglichkeiten, ihre Gewässer vor Piraten-Fischern zu schützen. Die EU-Verordnung zur Verhinderung und Bekämpfung der illegalen, undokumentieren und unregulierten Fischerei (IUU) trat am 1. Jänner 2010 in Kraft: Nur als legal eingestufte Fischereierzeugnisse können in die EU eingeführt oder aus der EU ausgeführt werden.

Labels von unabhängigen Institutionen

Sind Gütesiegel die Lösung? Sie versprechen eine nachhaltige Wildfischerei oder Aquakulturen. Oft handelt es sich dabei aber lediglich um selbst entwickelte Labels der Produzenten. Gütezeichen, die von unabhängigen Institutionen verliehen werden, sind das MSC-Siegel des Marine Stewardship Council für Wildfischereien und das ASC-Siegel des Aquaculture Stewardship Council für Produkte aus Aqua­kultur (Fischzucht). Auch unter dem Zeichen von GLOBAL G.A.P. gibt es Ware aus Aqua­kultur. Friend of the Sea (FOTS) zertifiziert sowohl Wildfischereien als auch Aqua­kulturen.

MSC-Siegel des Marine Stewardship Council, ASC-Siegel des Aquaculture Stewardship Council, A GLOBAL G.A.P., Friend of the Sea (FOTS)

MSC-Gütesiegel in der Kritik

Fest steht: Jedes Gütezeichen ist nur so gut wie die Standards, die ihm zugrunde liegen. Vor allem das MSC-Siegel steht in der Kritik. Das Siegel beruht auf der Beurteilung von rund 300 Fischereien durch unabhängige Zertifizierungsagenturen. Auch Umweltschutz­organisationen und Wissenschaftler können sich in die Bewertung einbringen und wenn nötig ein Schiedsgerichtsverfahren einleiten. Zahlreiche Organisationen, darunter Greenpeace, bemängeln, dass MSC kein Garant für nachhaltigen Fischkonsum sei.

Offener Brief an MSC

Im Jänner 2018 ver­fassten 60 internationale Organisationen und Wissenschaftler einen offenen Brief an MSC, in dem u.a. konkrete Beispiele von problematischen Fischereien genannt wurden. Ein weiterer Kritikpunkt: MSC finanziert sich zu beinahe drei Viertel aus den Lizenzgebühren der Label-Nehmer. "Die Standards bei MSC müssen signifikant verschärft werden", fordert Greenpeace-Sprecherin Nunu Kaller.

"Es stellt sich allgemein die Frage, wie sinnvoll ein massentaugliches Zertifikat für Meeresfisch ist, wenn es gleichzeitig darum geht, den Meeresfischkonsum drastisch zu reduzieren." WWF-Meeres­experte Axel Hein ist in seiner Kritik zurückhaltender: "Für Fisch aus Wildfang ist das MSC-Siegel die einzige nachhaltige Variante, auch wenn es Verbesserungsbedarf gibt."

Die Alternativen

Aquakulturen nicht unproblematisch

Fischzuchten decken heute bereits 46 Prozent des weltweiten Fischkonsums, doch auch bei der Aquakultur und beim Siegel ASC sieht Greenpeace Probleme: Für die Aufzucht von Fisch in Farmen wird Wildfisch als Futtermittel benötigt. Je nach Fischart werden auch große Mengen an Antibiotika, bedenkliche Chemikalien und gentechnisch veränderte Soja-Futter­mittel verwendet.

Fisch aus Österreich

Eine echte Alternative ist laut Greenpeace Fisch aus Österreich. "Während Lachs und Thunfisch vom Luxusprodukt zu Fast Food geworden sind, sind Fische wie Forelle, Saibling oder Karpfen aus den Regalen fast verschwunden", kritisiert Nunu ­Kaller.

Wer auf Fisch nicht verzichten und dennoch nachhaltig und ökologisch bewusst konsumieren wolle, könne in heimischem Bio-Fisch die Lösung finden. In Bio-Fischzuchten erfolge die Bewirtschaftung ohne Pestizide, vorbeugende Antibiotika, Hormone oder andere synthetische Zusatzstoffe.

VKI-Tipps

  • Kein Fast Food. Laut Ernährungs­pyramide sollte man 1-2 Mal pro Woche Fisch essen – tägliches Fast Food ist Fisch keines! Gütesiegel wie MSC oder ASC sind kein Garant gegen Überfischung. Auch zertifizierte Produkte sollten, wenn überhaupt, nur in Maßen gekauft werden.
  • Heimischer Fisch. Kaufen Sie heimischen Fisch (Forelle, Karpfen), wenn möglich in Bio-Qualität (achten Sie auf Bio-Siegel!). Auch andere Fischsorten wie z.B. Lachs sind in Bio-Qualität erhältlich.
  • Überblick. Die Fischratgeber von Greenpeace und WWF bieten einen Überblick über einzelne Fischarten, wobei Greenpeace strengere Kriterien anwendet (siehe "Mehr zum Thema").

Stellungnahme des MSC

"Der MSC hat in den vergangenen Jahren das Bewusstsein für nachhaltige Fischerei in der Bevölkerung, aber auch in der Industrie und der Politik maßgeblich geprägt. Gleichzeitig haben MSC-zertifizierte Fischereien zahlreiche Verbesserungen auf und in unseren Meeren bewirkt: mehr Schutzgebiete, weniger Beifang, mehr Forschung und Bestände, die sich erholen konnten.

In Übereinstimmung mit den Forderungen der Welternährungsorganisation (FAO) überprüft und aktualisiert der MSC seinen Standard regelmäßig, die Vorbereitungen für die nächste Standardüberarbeitung 2019/2020 laufen bereits. Die Gespräche mit unseren Stakeholdern und deren Eingaben, so zum Beispiel auch der Offene Brief vom Januar 2018, bilden eine wichtige Grundlage für den Überarbeitungsprozess.

Bereits Anfang 2017 haben wir Konsultationen zum unter NGOs umstrittenen Thema „Fang mit zertifizierten und nicht-zertifizierten Fangmethoden auf ein und demselben Boot“ in die Wege geleitet. Im Januar 2018 haben wir das Ergebnis dieser Konsultationen präsentiert: Demnach müssen Fischereien in Zukunft für sämtliche auf einem Boot eingesetzten Fangmethoden zum Fang einer Spezies zertifiziert sein. Es wird zukünftig also nicht mehr möglich sein, auf einer Fangfahrt eine Zielfischart zugleich mit nachhaltigen wie auch mit nicht-nachhaltigen Fangmethoden zu fangen und das Siegel nur für einen Teil des Fangs zu beantragen. Die neue Regelung wird ab August 2018 in Kraft treten."

Mehr zum Thema

Glossar

  • Fischart: Biologische Art wie z.B. Scholle, Dorsch, Kabeljau.
  • Fischbestand: Eine Fischart zerfällt in der Regel in mehrere Bestände, die in unterschiedlichen Gebieten leben. Einzelne Bestände einer Fischart können sich in gutem, andere in schlechtem Zustand befinden. So gibt es im Nordostatlantik z.B. 13 verschiedene Kabeljau- und mindestens 14 Heringsbestände, die sich völlig unterschiedlich entwickeln können. 
  • Fischgrund: Fischfanggebiet mit besonderem Fischreichtum.

Links

- Fischratgeber: und

- Offener Brief an MSC:

- Greenpeace Gütezeichen-Check:

 

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