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Pflege daheim (Teil 3) - Den Alltag bewältigen

  • Passende Ausstattung und Hilfsmittel erleichtern die Arbeit
  • Pflegende sollten auch auf sich selbst achten

Radikale Veränderung

Pflegebedürftigkeit verändert das Leben radikal. Wer Hilfe beim Waschen, Anziehen, Einkaufen braucht, fühlt sich oft hilflos, abhängig und ausgeliefert. Hinzu kommt das Leiden an einer Krankheit oder Gebrechlichkeit, gepaart mit Ängsten vor der Zukunft. Der Eindruck, nicht mehr gebraucht zu werden, kann zu tiefen Depressionen führen. Ein neues Lebensgefühl zu gewinnen und neue Lebensperspektiven zu entwickeln erfordert viel Geduld und behutsame Schritte von allen Beteiligten.

Gefühl der Geborgenheit geben

Es ist wichtig, der betreuten Person das Gefühl von Geborgenheit zu geben, sie spüren zu lassen, dass sie für Familie und Freunde keine Last ist. Pflegende haben aber auch selbst das Bedürfnis, mit jemandem über ihre Probleme und Ängste offen zu reden und sich aussprechen zu können. Sie brauchen die Bestätigung, das Richtige zu tun.

Kurse für Pflegende sind wichtig

Deshalb sollte man das Angebot von Kursen für Pflegende nützen. Sie vermitteln das erforderliche Wissen, die besten Techniken und Sicherheit im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen und zeigen Möglichkeiten auf, Grenzen zu ziehen und dem eigenen Leben Raum zu lassen. Wer einen Angehörigen zu Hause pflegt, muss alltägliche Gewohnheiten und Abläufe umstellen – trotzdem sollte der normale Tagesrhythmus möglichst beibehalten und nach wie vor den Bedürfnissen aller Beteiligten Rechnung getragen werden.

Das Pflegezimmer

  Das ideale Pflegezimmer ist ein eigener Raum, der es dem Pflegling bei geöffneter Tür erlaubt, am Familienleben teilzunehmen, bei Bedarf aber auch Rückzug und Ruhe bietet. (Foto: Wodicka) Voraussetzung für das Gelingen der täglichen Pflegearbeit ist eine gut durchdachte Ausstattung. Das ideale Pflegezimmer ist ein eigener Raum, der es dem Pflegling bei geöffneter Tür erlaubt, am Familienleben teilzunehmen, bei Bedarf aber auch Rückzug und Ruhe bietet. Günstig ist es, wenn der Kranke sein bisheriges Zimmer behalten kann.

Es sollte hell, lärmgeschützt, gut zu lüften, regelbar zu heizen und leicht zu reinigen sein. Neben einem Tisch und einer Sitzgelegenheit sollte der Raum mit vertrauten Möbelstücken, lieb gewordenen Gegenständen, Bildern und Blumen, Radio und eventuell einem TV-Gerät ausgestattet sein. 

Bett ist der Mittelpunkt

Für Pflegebedürftige ist das Krankenbett der Lebensmittelpunkt. Vorteilhaft ist, wenn es einen Blick aus dem Fenster ermöglicht, von beiden Seiten zugänglich und ausreichend hoch ist – etwa wie ein Sessel. Das erleichtert das Ein- und Aussteigen sowie eine rückenschonende Pflege. Wichtig ist daneben eine große, stabile Ablage für Getränke, Radio, Lektüre, Telefon, aber auch medizinische Utensilien und eventuell eine Glocke. Der Kranke braucht eine blendfreie Beleuchtung, die er selbst ein- und ausschalten kann, bei Bedarf auch ein Orientierungslicht für die Nacht. Ein Zimmer-WC hilft nachts lange Wege zu vermeiden. Stolperfallen wie Bettvorleger, Teppiche, Kabel oder Türschwellen auf dem Weg zum Klosett sollten entfernt werden.

Krankenbett ausleihen

Hilfsmittel können dem Kranken eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, zur Linderung der Beschwerden beitragen, die Sicherheit erhöhen und die Pflegearbeit erleichtern. Das Bett sollte eine möglichst harte Matratze sowie einen verstellbaren Kopfteil haben. Einen verstellbaren Kopf- und Fußteil, Trapezgriff oder Strickleiter, um das Aufsetzen zu erleichtern, und Seitenteile für mehr Sicherheit gibt es im Sanitäts-Fachhandel oder bei Hilfsdiensten zu entlehnen. Für einen bestimmten Zeitrahmen kann auch ein spezielles Krankenbett geliehen werden. Professionelle Pflegedienste können beraten, welche weiteren Hilfsmittel – wie Betttischchen, Bettpfannen, Harnflasche, Gehhilfen etc. – man benötigt, wo man sie günstig besorgen kann und wie man sie richtig handhabt.

Arme und Beine bewegen fördert Durchblutung

Nach längerem Liegen oder Sitzen sollten Pflegebedürftige vor dem Aufstehen Beine und Arme bewegen, um Durchblutung und Gelenkigkeit zu verbessern und Stürzen vorzubeugen. Übungen zum Aufsetzen und Aufstehen stärken die Muskeln, kleine Rundgänge erhalten die Bewegungsfähigkeit. Es kann ein Ansporn sein, Bewegung mit kleinen Aufgaben zu verbinden – zum Beispiel zu kontrollieren, ob im Vogelhäuschen genug Futter ist, beim Gemüseputzen zu helfen und anderes mehr.

Tiefe Atmung fördern

Bewegungsübungen im Liegen fördern Atmung und Kreislauf: zum Beispiel mit den Zehen wippen, mit den Händen kreisen, Arme beugen und strecken, Beine abwinkeln und Füße aufstellen, Füße abwechselnd anheben. Meist atmen Pflegebedürftige flach, deshalb ist Atemanregung wichtig – zum Beispiel beim Ausatmen den Laut „pf“ formen oder einen Wattebausch über den Tisch blasen. Auch im Bett kann der Atem trainiert werden: in Seitenlage den oberen Arm über den Kopf legen und durch die Nase ein-, mit einem Zischlaut ausatmen.

Essen und Trinken

Für Pflegebedürftige sind Essen und Trinken oft das zentrale Ereignis, eine der wenigen Freuden im sonst eintönigen Tagesablauf. Daheim lassen sich leicht die appetitanregenden Lieblingsspeisen anbieten und Sonderwünsche erfüllen. Am besten schmeckt es im Kreis der Familie. Ist das nicht möglich, sollte das Essen im Bett aufrecht sitzend eingenommen werden und dafür eine feste Rückenstütze vorhanden sein. Auf einem Betttischchen wird das Essen hübsch angerichtet, praktischerweise in einem Warmhalteteller, wie er für Kleinkinder benutzt wird. Spezialbesteck mit dicken Griffen erleichtert das Hantieren.

Strohhalm erleichtert das Trinken

Das Getränk sollte erst nach den ersten Bissen angeboten werden, denn beim Trinken verschluckt man sich leichter. Wenn die Hände zittern: Gläser und Tassen nur halb voll füllen. Ein Strohhalm oder Schnabelbecher erleichtert das Trinken. Ein Aperitif steigert den Appetit, ein Glas Wein erhöht die Lebensfreude. Generell sollte man nicht vergessen, Bettlägrigen auch zwischendurch ausreichend Flüssiges anzubieten.

Körperpflege und Kleidung

Zum Schutz vor Infektionen ist Hygiene wichtig: Mehrmals am Tag das Zimmer lüften, zweimal in der Woche reinigen, den Boden desinfizieren. Pflege möglichst nicht in Straßenschuhen und Straßenkleidung durchführen. Vor und nach der Betreuung immer die Hände waschen. Bettwäsche, die Wäsche des Kranken, Geschirr und alle Pflegeartikel sauber halten, Nachttopf oder Leibschüssel nach Gebrauch gleich leeren und desinfizieren. Für die meisten Menschen ist es beschämend, sich nicht mehr selbst pflegen zu können – daher sollte prinzipiell nur so viel geholfen werden, wie unbedingt nötig.

Anfassen, halten, streicheln ist gut für die Seele

Wer nicht duschen kann, sollte täglich am ganzen Körper – am besten mit Wasser ohne Zusätze um die Haut nicht auszutrocknen – gewaschen werden, von Gesicht und Hals abwärts. Auf die Sauberkeit der Hände und Fingernägel sollte man besonders achten. Wegen der Gefahr von Pilzinfektionen und Wundliegen sorgfältig trocknen und zuletzt Pflegelotion einmassieren – das ist eine gute Gelegenheit, den kranken Menschen zu berühren: Anfassen, Halten, Streicheln ist auch gut für die Seele.   Für die meisten Menschen ist es beschämend, sich nicht mehr selbst pflegen zu können - daher sollte prinzipiell nur so viel geholfen werden, wie unbedingt nötig. (Foto: Wodicka)

Dauerhafte Rötung kündigt Wundliegen an

Bei langer Bettlägrigkeit ist die größte Gefahr das Wundliegen – Risikostellen sind die Fersen, der Hüftbereich, die Wirbelsäule und die Schulterblätter, wo der meiste Druck lastet. Eine Schafwollunterlage oder Dekubitus-Matratze verteilt den Druck besser. Druckgeschwüre kündigen sich mit dauerhafter Hautrötung an. Das sollte sofort ärztlich versorgt werden, sonst kann sich das Gewebe zersetzen. Pfleglinge, die sich kaum noch bewegen, sollten mehrmals täglich aufgesetzt oder mithilfe von Kissen in Seitenlage gebracht werden.

Wäsche und Nachtkleider aus hautfreundlicher Baumwolle schützen die Haut. Schlafrock und andere Kleidung sollten keine Bindegürtel haben, denn herabhängende Gürtelenden könnten sich verfangen. Die Hausschuhe sollten fest und mit Fersenteil versehen sein, um Stürze zu vermeiden .

Zusammenarbeit mit dem Arzt

Wichtig ist eine Dokumentation des Tagesablaufs; dafür eignet sich ein Stehkalender gut, in dem man Einnahme oder Anwendung der Medikamente ebenso notiert wie Stuhlgang, Fieber, Schmerzen, eine plötzliche Veränderung im Allgemeinbefinden oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Pflegeprobleme und Fragen sollten für die nächste Besprechung mit dem sozialen Dienst oder dem Arzt notiert werden.

Hausarzt auf Hausbesuch

Um eine Verwechslung zu vermeiden, sollten Arzneimittel in der Packung aufbewahrt oder in eine Pillenbox eingeordnet werden, in der für jede Einnahmezeit - morgens, mittags, abends und nachts - ein eigenes Fach vorgesehen ist. Vom Hausarzt ist zu erwarten, dass er sich beim Hausbesuch ausreichend Zeit nimmt für ein ausführliches Gespräch mit dem Pflegling und Pflegende anweist, wie sie sich in besonderen Situationen verhalten sollen. Für die Hautpflege und das Anwenden von Medikamenten sollte der Arzt genaue, möglichst schriftliche Anweisungen geben. Um eine Verwechslung zu vermeiden, sollten Arzneimittel in der Packung aufbewahrt oder in eine Pillenbox eingeordnet werden, in der für jede Einnahmezeit – morgens, mittags, abends und nachts – ein eigenes Fach vorgesehen ist. Beigepackte Dosierungshilfen für flüssige Mittel sollten stets verwendet werden.

Aus dem Leben etwas machen

Wer möchte nicht am Geschehen teilhaben, Neuigkeiten erfahren, sich mit anderen austauschen und Gutes genießen? Für Bettlägrige muss das alles organisiert werden – man kann Hausarbeiten neben ihrem Bett verrichten, Radionachrichten oder Fernsehunterhaltung einschalten, von Erlebnissen berichten, Hörbücher besorgen, Besucher einladen. Am wichtigsten ist aber, zuzuhören und Pfleglingen zu vermitteln, dass sie über alles, was sie bewegt, reden können und sollen. Das gilt auch für Gespräche über Traurigkeit, Angst oder Unsicherheit.

Viel Zeit gemeinsam verbringen

Gerade dann, wenn der oder die Hilfsbedürftige sich müde, abgeschlagen oder depressiv fühlt, sollte man möglichst viel Zeit gemeinsam verbringen: mit Gesprächen, Vorlesen, Musik hören, Fotos anschauen. Abends im Dunkeln ein paar besinnliche Minuten am Krankenbett zu sitzen, lässt vergessen, was den Tag so schwer gemacht hat, und gibt Kraft für den kommenden Tag.

Krisen bewältigen

Betreuende sind Tag für Tag, Woche für Woche, Tag und Nacht im Einsatz, meist ohne freies Wochenende und ohne Urlaub. Im Lauf der Zeit wird die Belastung unerträglich, wenn nicht auch Zeit für die eigenen Bedürfnisse, ausgleichende Aktivitäten oder Urlaub ist. Durch die Enge der Situation und die Änderung im familiären Gefüge kommt es fast zwangsläufig zu Konflikten. Nicht selten äußert sich die Hilflosigkeit des Pfleglings in Vorwürfen oder gar Wut – und es ist schwer, dies nicht persönlich zu nehmen. Der Pflegende muss mit Empfindungen von Ekel, Ungeduld und Abwehr fertig werden, Gereiztheit und das darauf folgende schlechte Gewissen sind häufig Gründe für Reibereien. Krisen sind unausweichlich.

Überforderung führt zu Aggressionen

Aus Überforderung kann es zu Aggressionen gegen den Pflegling kommen. Gewalt in der häuslichen Pflege kommt selten, aber doch vor. Den hilflosen Helfern selbst ist das Burnout-Syndrom lange nicht bewusst. Sie nehmen es nicht einmal wahr, dass sie das Pflegezimmer längere Zeit nicht betreten oder das Bett so schieben, dass der Kranke nicht beim Fenster hinausschauen kann. Unbemerkt schleicht sich aktive grausame Behandlung ein: Das Wasserglas wird aus der Reichweite des Kranken gestellt, er wird nicht gewickelt und wund liegen gelassen.

Zu wenig Entlastung für die Helfer

Nicht nur die Betreuung der Pfleglinge leidet darunter, wenn die Helfer überfordert sind: Es besteht auch die Gefahr, dass sie selbst Gesundheitsschäden davontragen und schließlich Betreuung brauchen. Vereinzelt finden sich Pflegende in Selbsthilfeklubs oder bei Pflegestammtischen – wie etwa in Graz oder in Oberösterreich – zusammen, wo ein Erfahrungs- und Informationsaustausch möglich ist. Das bringt müden Helfern eine wesentliche Erleichterung. Aber zur Entlastung fehlen in allen Bundesländern Tageszentren, in denen professionelle Pfleger die Betreuung übernehmen, während Angehörige wichtige Wege erledigen oder entspannen könnten.

Auch Helfer brauchen Urlaub

Insbesondere fehlen Angebote für bestimmte Zielgruppen, etwa für junge Hilfsbedürftige, für psychisch Kranke, demente Personen oder Komapatienten. Um Pflegenden einen Urlaub zu ermöglichen, bieten Pflegeheime Betten für eine Kurzzeitpflege von vier bis fünf Wochen an. Dieses Angebot ist aber begrenzt, weshalb man sich frühzeitig anmelden sollte.

Wenn man sich nicht mehr in der Lage fühlt, die Pflegearbeit weiterhin durchzuführen, sollte man sich keine Vorwürfe machen. Auch wenn der oder die Angehörige in ein Pflegeheim oder ein Hospiz aufgenommen wird, hat man die Möglichkeit und mehr Energie, mit dem geliebten Menschen Zeit zu verbringen und auch zu helfen.

Hilfe für Helfer

Ratgeber mit nützlichen Hinweisen und praktischen Tipps

Johanna Reinisch: Praxisbuch Hauskrankenpflege.

Leopold Stocker Verlag, Graz/Stuttgart 2000, 19,90 Euro

Ingeburg Barden: Hauskrankenpflege.

Trias Stuttgart, 9. Aufl. 2002, 23,60 Euro

Broschüre des Bundesministeriums für Soziale Sicherheit (Hrsg.):

Einblick, Orientierungshilfe zum Thema Behinderung, Band 4: Senioren und Seniorinnen, 3. Aufl. 2003. Kostenlos erhältlich beim Broschürenservice 0800 20 20 74, E-Mail: broschuerenservice@bmsg.gv.at , und allen Landesstellen des Bundessozialamts

Broschüre des Amts der Steiermärkischen Landesregierung  (Hrsg.) zur Familienhospizkarenz:

Monika Specht-Tomann: „Ich lasse Dich nicht allein...“ Angehörige begleiten. Kostenlos erhältlich: Tel. (0316) 877-3291, Fax: -3924

Information über Selbsthilfegruppen : Fonds Gesundes Österreich – SIGIS. Tel. (01) 895 04 00 11, Di und Do 9 bis 14 Uhr;
E-Mail: sigis@fgoe.org

Information über Kurzzeitpflegeplätze in Alten- und Pflegeheimen : beim Sozialsprengel oder beim Pflegetelefon,
0800 20 16 22

Service-Rufnummer der Caritas : (für Pflegende) 0800 880 280

Information über Hilfsmittel: Handynet, http://handynet-oesterreich.bmsg.gv.at

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