Zum Inhalt

Schadstoffe im Wohnbereich - Gesünder Wohnen

Ein Interview mit Architekt DI Wolfgang Mück zum Thema gesundes Wohnen.

 

90 Prozent unserer Lebenszeit verbringen wir in Innenräumen, einen großen Teil davon in den eigenen vier Wänden. Umso beunruhigender ist die Tatsache, dass Wohnen in vielen Fällen krank machen kann.

Aber es sind nicht nur die giftigen Substanzen in Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen, die unsere Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen können. Selten beachtet werden die psychologischen Komponenten des Wohnens.

 

Bildbeschreibung (Bild: )Architekt DI Wolfgang Mück hat als führender Mitarbeiter das Österreichische Institut für Baubiologie und -ökologie mit aufgebaut (gegründet 1980).

Neben seiner Vortragstätigkeit (u.a. BAU-Akademie Wien, Wiener Akademie für Ganzheitsmedizin und Donauuniversität Krems), regelmäßigen Seminarreihen und Publikationen zum Thema Baubiologie und ökologisches Bauen führt er im Rahmen seines Wiener Büros  baubiologische und ökologische Beratungen durch, u.a. für die Sanierung von Althäusern.

Er ist Sachverständiger mit den Schwerpunkten Raumklima und Feuchteschäden sowie Trockenlegung.

Psychologische Bedingungen

Was bedeutet für Sie gesundes Wohnen?

Bauen und Wohnen zählt zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Wohnen heißt, an einem bestimmten Ort verwurzelt zu sein und ihm anzugehören. Viele, auch psychologische Bedingungen müssen erfüllt werden, um sich wohl und behaglich zu fühlen.

Was verstehen Sie unter diesen psychologischen Bedingungen?

Das Heim muss Schutz, Wärme und Geborgenheit bieten. Um diese Schutzbereiche zu errichten, setzen wir ideelle und materielle Grenzen, vom Gartenzaun bis zur Schlafzimmertür. Diese Faktoren innerhalb der eigenen vier Wände helfen dem Menschen, seine Kräfte zu sammeln und neue Energien aufzubauen.

Wie die persönliche Umgebung muss auch unser kollektives Umfeld bestimmte Strukturen erfüllen. Wenn ich z.B. in einer Nachbarschaft lebe, die nicht meinem Milieu, meinem Status entspricht, dann werde ich mich ständig unwohl fühlen. In schweren Fällen kann dies zu psychischen Krankheitssymptomen führen.

Auch die einzelnen Bauteile oder Bauelemente haben Signalwirkung und tragen bestimmte Bedeutungen in sich. Wenn Sie über das offene Land fahren, ist der erste Teil eines Hauses, dessen Sie gewahr werden, der Dachbereich. Die herausragende Bedeutung des Daches liegt ebenfalls in seiner Schutzfunktion, wie sie selbst im einfachsten Trekkingzelt erlebbar ist. Auch die Sprache weist im Begriff „Obdach“ auf diese ursprüngliche Bedeutung hin.

Darüber hinaus überragt das Dach als signifikantester Bauteil alle Teile des Gebäudes und gibt Aufschluss über seine Gründungsprinzipien. Der Blick etwa von einem Kirchturm auf die darunterliegende Ortschaft lässt auf die funktionelle Gestaltung der Häuser und im Einzelfall auch auf deren Eigentümer rückschließen, denn hier liegen Symbolwert und optische Gestaltung eng nebeneinander.

So demonstrieren hohe, steile Dächer, etwa bei Kirchen und Gutshöfen, Mächtigkeit. Ebenso weisen z.B. neue Passivhäuser mit ihren Flachdächern auf die besonders energiesparende Gesinnung ihrer Erbauer oder Besitzer hin. Allgemein gesagt: Gesundes Wohnen im psychologischen Sinn bedeutet, sich darüber klar zu werden, worin der eigentliche Sinn des Wohnens liegt.

Weitere Faktoren

Welche Faktoren gibt es noch?

Licht und Farbe haben meiner Meinung nach erheblichen Einfluss auf die Gesundheit des Menschen. Sie werden allerdings bei Grundsatzentscheidungen wie z.B. dem Kauf einer Wohnung oder eines Hauses zu wenig berücksichtigt. Bei Neubauten wurden punkto Lichteinstrahlung in den letzten Jahrzehnten sehr große Fortschritte gemacht.

Durch die Vergrößerung von hochgedämmten Fensterflächen können wir Tageslicht verstärkt in unsere Häuser lassen und die physiologisch so wichtige Tageslichtnutzung deutlich erhöhen. Damit kompensieren wir zumindest teilweise den immer längeren Aufenthalt in Innenräumen.

Wo sehen Sie Möglichkeiten, im psychologischen und sozialen Bereich selbst etwas zu verändern?

Eine der wichtigsten Eigenschaften im psychologischen Bereich ist die Wärme eines Hauses, nicht im technischen Sinn gemeint und daher nicht am Thermometer abzulesen. Die Wärme des Hauses entsteht durch das Zusammenwirken von Bauweise, Einrichtung und Farben. Sie steht in enger Beziehung zur inneren Geborgenheit einer Wohnung.

Wärme kann ich z.B. durch farbliche Komponenten positiv gestalten. Ich kann aber auch durch die liebevolle Anordnung der Möbel oder kleiner Utensilien, wie Mitbringsel aus dem Urlaub, etwas verändern.

Baubiologie

Was ist Baubiologie und wie wirkt sie sich auf den Hausbau aus?

Baubiologie ist ein sehr weiter Begriff und setzt sich mit der Wechselwirkung zwischen Mensch, Gebäude und gebauter Umwelt auseinander.

Was sind die Hauptempfehlungen der Baubiologie punkto Baumaterialien und Baustoffen?

Baumaterialien sollten natürlich frei von Schadstoffen und toxischen Raumluftbelastungen sein, das gilt auch für die Verarbeitung der Materialien. Baustoffe, die Schadstoffe enthalten, werden heute nicht mehr akzeptiert.

Bauprodukte und Bauelemente sollten nachhaltig sein: Sie sollten bei ihrer Gewinnung, bei der Verarbeitung, der Nutzung und letztlich bei ihrer Entsorgung unsere Umwelt möglichst wenig belasten. Ressourcensparenden Materialien sollte gegenüber energieintensiven Baustoffen wie z.B. Metallen und Kunststoffprodukten der Vorzug gegeben werden.

Baumaterialien sollten eine möglichst hohe Lebenserwartung aufweisen und in ihrem Gebrauchsleben die Möglichkeit zur umweltschonenden Erneuerung aufweisen, ohne sie wegwerfen zu müssen. Sie sollen natürlich und unverfälscht sein und nicht nur der Gebrauchstauglichkeit genügen, sondern uns auch durch ihre positiven Eigenschaften wie Geruch, Oberfläche und Authentizität des Materials Freude beim Wohnen bereiten.

Gifte in Baumaterialien

Wie groß ist heute noch die Gefahr von Giften in Baumaterialien?

Gifte wie etwa Asbest oder Formaldehyd zu vermeiden war das Bestreben der baubiologischen Bewegung, die tatsächlich große Veränderungen in den Gesetzen und in den Verordnungen erreicht hat. Es gibt allerdings diese kritischen Produkte vielfach als Altlasten in Häusern aus den 1970er und 1980er-Jahren. Viele Gifte in Holzschutzmitteln z.B. weisen Halbwertszeiten von 10 Jahren auf, was bedeutet, dass diese Gifte noch immer manche unserer Wohnungen belasten. Sie wirken meistens über die Luft, gelegentlich auch über den Hautkontakt.

In den letzten Jahrzehnten wurden kolossale Fortschritte gemacht, vor allem bei der Verbesserung der Mess- und Filtertechnik wie z.B. im Mikroorganismus- oder im Feinstaubbereich. Mithilfe der verbesserten Analyseverfahren können wir heute Dinge nachweisen, die vor Jahrzehnten nicht nachweisbar waren.

Aber nicht nur bekannte Problemstoffe sind kritisch zu hinterfragen, auch sogenannte natürliche Materialien können problematisch sein. So können Leinölprodukte bei falscher Anwendung reaktive Naturstoffe freisetzen. Naturlatex kann Allergien hervorrufen, Schafwolle kann mit Insektiziden kontaminiert sein usw. Natürliche Materialien einfach als gesund zu bezeichnen, ist schlichtweg naiv und irreführend.

Gefahrenpotenzial natürlicher Baustoffe

Wie kann man als Konsument das Gefahrenpotenzial von natürlichen Baustoffen abschätzen?

Als Laie wird man das in den seltensten Fällen tun können. Ich empfehle, die eigene Nase sehr bewusst einzusetzen, vor allem beim Einkauf großer Flächen oder wenn sehr große Flächen neu beschichtet oder belegt werden. Die Nase kann uns oft auf störende Gerüche und mögliche Gefahren hinweisen, wenn auch nicht im technisch-wissenschaftlich Sinn.

Eine andere Möglichkeit ist das "Baubook". Hier können ökologische und gesundheitlich relevante Produktkennwerte nachgeschlagen werden. Für professionelle Anwender gibt es darüber hinaus einen erweiterten, jedoch kostenpflichtigen Zugang.

Die Gemeinde Wien führt einen Warenkatalog für ihren umweltfreundlichen Einkauf. Hier ist ein Teil dieser Produkte aus dem Baubook über das Internet frei zugänglich.

Buchtipp: "Wohnen ohne Gift"

Wohnen ohne GiftDicke Luft in den eigenen vier Wänden: Das Buch zeigt,  wie man mögliche Schadstoffquellen erkennen  und sein Heim so gestalten kann, dass man sich wohlfühlt  und keinen unnötigen Risiken ausgesetzt ist.  Außerdem: Umfangreicher Serviceteil mit Literatur,  Adressen und Links zum Thema.

Aus dem Inhalt:

  • Schadstoffquellen in Innenräumen
  • ABC der Wohngifte
  • Faktoren für Ihr Wohlbefinden
  • Richtiges Raumklima
  • Gesunde Materialien
  • Licht und Farben
  • Gerüche und Düfte
  • Elektrosmog

 148 Seiten, Flexcover, 14,90 Euro (+Versandspesen)

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Lebensmittel-Kontaktmaterialien: Prekäre Beziehung premium

Lebensmittel-Kontaktmaterialien: Prekäre Beziehung

Das Wissen über den sicheren Umgang mit Lebensmittelkontaktmaterialien hält sich in ­Grenzen. Dies zeigt eine von KONSUMENT in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage. Klare Vorgaben des Gesetzgebers sind notwendig.

Plastikmüll in der Nahrungskette premium

Plastikmüll in der Nahrungskette

Teil 4: Die Ozeane ersticken in Plastik. Mit Folgen für Tier, Mensch und Weltklima, die wir in letzter Konsequenz noch gar nicht abschätzen können. Ist es schon zu spät, unsere Meere zu retten?

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang