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Herrenhemden: Verpackung - Nadelstiche

Wer ein Herrenhemd kauft, bekommt jede Menge Verpackungsmüll mitgeliefert. Hersteller und Händler haben das immer mit Marketinggründen gerechtfertigt. Doch jetzt gibt es deutliche Anzeichen einer Trendumkehr.

Männer gelten als Modemuffel. Das muss Hersteller und Handel gar nicht wundern. Denn nicht nur das Angebot ist deutlich schmäler als bei der Damenmode. Auch die Möglichkeiten, mal vor dem Kauf zu checken, ob man sich über das neue Modell „drübertraut“, ob es einem zu Gesicht steht, sind erheblich eingeschränkt. Etwa bei den Herrenhemden: Während die Dame sich einfach ein halbes Dutzend Blusen vom Ständer angelt und damit in die Umkleidekabine entschwebt, ist das dem Herrn ­häufig verwehrt.

Keine Anprobe

Müsste er doch zuerst umständlich die Ware aus der Verpackung nesteln, Nadeln und Einlagen entfernen, aufknöpfen – und bei Nichtgefallen das ganze Prozedere theoretisch wieder in umgekehrter Richtung durchführen, sofern es ihm nicht ­gelingt, das verfehlte Objekt der modischen Begierde unauffällig ­irgendwo im Laden zu deponieren. Ergo werden Hemden für gewöhnlich „auf Verdacht“ und ohne Anprobe gekauft, was naturgemäß das Risiko eines Fehlkaufes in sich birgt. Denn die teils fantasievollen Größenbezeichnungen sagen nur wenig über die reale Passform aus.

Abfallprofi Konsument?

Aber selbst wenn Passform und Design stimmen, geht daheim der Ärger erst richtig los: „Ich frage mich bereits seit 43 Jahren“, schreibt Leserin Ursula H. „weshalb durch den Kauf eines Herren-Oberhemdes der­maßen viel Müll entstehen muss. Und diese verflixten Stecknadeln, man übersieht immer die eine oder andere. Eine Idee wäre, dass jede/r Herrenhemd-Käufer/in das Hemd vor Ort auspackt und das Verpackmaterial im Geschäft zurücklässt. Wenn das zur Gewohnheit wird, gibt es bald Herrenhemden auf Bügeln!“

Auch Leser Paul K. deponierte seine Einschätzung in der KONSUMENT-Redaktion: „Vor­gestern habe ich drei Hemden in einem großen Bekleidungsgeschäft gekauft. Sie waren so in Cellophan verpackt, dass man nicht einmal erkennen konnte, ob sie langärmelig oder kurzärmelig sind. Zu Hause brauchte ich etwa 20 Minuten, um die Hemden von Folien, ­Papier, Seidenpapier, harten Kunststoffteilen, Kartonteilen und geschätzten 100 Steck­nadeln (zum Teil sehr gut versteckt) zu befreien. Gott sei Dank entsprach die Passform, denn ich weiß nicht, ob man die unverpackten Hemden zurückgenommen hätte! Warum muss das so sein?“

Die gute Nachricht: Es muss nicht so sein. KONSUMENT ist der Sache nachgegangen, hat Hersteller und Händler kontaktiert und schwärmte auch zum stichprobenartigen Lokalaugenschein vor Ort aus.

Weniger Cellophan, weiterhin mit Stecknadeln und Co.

Besserung in Sicht

Ergebnis: Die Lage bessert sich. Handel und Hersteller fahren den Verpackungswahnsinn Schritt für Schritt zurück. Mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Konsequenz zwar, aber immerhin. Denn jeder Verpackungsteil weniger bedeutet eine nicht unwesentliche Verminderung der Umweltbelastung, wie die Zahlen des Marktforschungsinstituts GfK (Consumer Scan: Haushaltspanel mit 2.800 österreichischen Privathaushalten) erahnen lassen: Demzufolge wurden im Jahr 2010 in Österreich insgesamt 11,3 Millionen Herrenhemden im Wert von 235 Millionen Euro verkauft. Aufeinander gestapelt ergäbe dies einen Hemden-Müllberg von mehr als 5.600 Metern Höhe, eineinhalb Mal so hoch wie der Großglockner.

Seit Kurzem kaum mehr Cellophan

Da fallen selbst geringe Modifikationen bereits ins Gewicht: So fanden wir letzten Dezember bei der Nachschau in Bekleidungshäusern und Boutiquen kaum mehr Herrenhemden vor, die in Cellophanumhüllung (exakter: Polybag) gestapelt gewesen wären. Diese Form der „Produktpräsentation“ scheint sich nur noch in den Schütten und Waren­körben von Lebensmitteldiskontern und Billigstläden mit Warensortiment vorwiegend fernöstlicher Herkunft zu finden.

In Bekleidungs­häusern allerdings auch – und zwar dann, wenn das Hemd in Kombination mit einer Krawatte oder mit Krawatte und einem Strickteil angeboten wird bzw. bei rein­weißen Hemden oder sehr hochwertiger, ­teurer Ware. Sonst werden die Textilien unter Verzicht auf die Polybag-Ummantelung angeboten – überwiegend aber immer noch mit sonstigen Ingredienzen des Verpackungscocktails: Stecknadeln und/oder Kunststoffklammern, Seidenpapier und/oder Karton als Einlage, Krageneinlagen und allerlei ­Anhängerchen und Etiketten.

Geht der Branche ein Knopf auf?

Die Hersteller versuchen aber, neue Wege zu gehen. So hieß es etwa in einer Stellung­nahme der Firma Gloriette: „Wir haben eine eigene Verpackungstechnik entwickelt und verpacken unsere Hemden seit rund 5 Jahren stecknadelfrei ... Wir bieten über unser Filialnetz das ‚Entpacken’ des Hemdes an und überreichen dem Kunden das Hemd auf Wunsch ohne Verpackungsmaterial.“ Was diesen zumindest von eigener Auspack- Artistik befreit. Konkurrent Seidensticker zog es übrigens vor, auf unsere Anfrage nicht zu antworten. Gleiches gilt (aus der Riege der Händler) beispielsweise für Kleiderbauer und Tlapa, während etwa die Firma Takko schrieb: „Herrenhemden werden in sogenannten ‚Lots’ angeliefert und in den Filialen aufgebügelt. Teilweise werden die Herrenhemden auch gelegt präsentiert, jedoch auch dann ohne Verpackung und Stecknadeln.“

Vorteile für alle Beteiligten

Na also, geht doch – und hat offensichtlich Vorteile für alle Beteiligten: „Durch diese Art der Präsentation“, so Takko weiter, „können wir unseren Kunden unsere Ware anschaulich und attraktiv zeigen. Zudem ist es unseren Kunden auf diese Weise möglich, die Ware problemlos anzuprobieren.“ Ergebnis: „Von unseren Kunden haben wir bislang nur posi­tive Resonanzen auf diese Art der Waren­präsentation erhalten.“

Auspacken lassen

Großteil hängend präsentiert

Ähnlich der Tenor von H&M: „Der Großteil der Herrenhemden wird bei H&M hängend präsentiert. Bei wenigen ausgewählten Modellen der Modern Classic Man Hemden-Kollektion wird die von Ihnen genannte ­Verpackungsmethode gewählt, um unserer Herrenkollektion ein exklusives und klassisches Feeling zu vermitteln.“

Auch bei C&A scheint man bereits auf dem richtigen Weg zu sein: „Seit Jahren bieten wir Herren-Freizeithemdenhängend in unseren Filialen an“, ließ man uns wissen. „Ein Großteil der verpackten Hemden wird bereits seit diesem Herbst/Winter ohne Plastik-Polybag angeboten – nur noch weiße Hemden bzw. Sets mit Krawatten sind in Polybags verpackt. Dies dient vor allem dem Schutz vor Verschmutzung. Derzeit testen wir, Cityhemden hängend wie Damenblusen zu verkaufen.“

Und weiter: „Ab Frühjahr/Sommer 2012 werden alle Plastik-Größenreiter auf Papier umgestellt um den Plastikmüll zu verringern. Weiters werden im Laufe des Jahres 2012 auch weniger Nadeln eingesetzt sowie verpackte Hemden ohne Nadeln im Verkauf getestet.“ Aber: „Hemden wie City- oder Business-Hemden werden am gesamten Markt verpackt präsentiert.“

Buntes Durcheinander

Nicht überall. So fanden wir bei unserer Nachschau vor Ort durchaus weitergehende Strategien: Beim Herrenausstatter New Yorker beispielsweise werden alle Hemden hängend präsentiert. Bei Marc O’Polo sowohl hängend als auch liegend; McNeal bietet liegend an, detto Kleiderbauer. Vögele ­präsentiert die billigsten Hemden hängend, bei teureren gibt es hängende Ansichts­exemplare; bei Fussl haben wir nur zusammengelegte Hemden gefunden.

Wehren Sie sich!

Es herrscht also ein buntes Durcheinander. Was kann der gleichermaßen um Qualität wie Umwelt besorgte Konsument tun, um die Eindämmung der Hemden-Müllflut voran­zutreiben?

  • Fragen Sie im Geschäft dezidiert nach offener, hängender Ware. Gibt es solche nicht, ersuchen Sie darum, dass man Ihnen das eine oder andere Modell zwecks Anprobe auspackt. Das kostet Zeit, und die ist auch in dieser Branche Geld.
  • Sollten Sie ein Hemd in Verpackung kaufen, ersuchen Sie spätestens an der Kassa, dass man es für Sie auspackt und den Müll auf eigene Rechnung entsorgt.
  • Ist das und/oder eine Anprobe nicht möglich, lassen Sie sich Ihr Umtauschrecht auf der Rechnung bestätigen – und erwägen Sie, auf einen anderen Anbieter umzu­steigen.

Würden alle Hemden hängend und ohne unnötige Verpackung präsentiert, könnte dies für alle Beteiligten zur Win-win-Situation führen. Die Umwelt wäre entlastet und die Männerwelt könnte durch erleichterte Anprobe und somit geringeres Risiko eines Fehlkaufes eher geneigt sein, sich das eine oder andere neue Hemd anzuschaffen. Denn 2010 fand dies nur in jedem dritten heimischen Haushalt statt.

Mit dem Wegfall aufwendiger Verpackung könnte auch der nicht gerade geringe Preisanstieg bei Herrenhemden ­gemindert werden: Satte 7 Prozent betrug dieser 2010 im Vergleich zum Jahr davor ...

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