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Sound of Silence - Eine Kolumne von Michael Hufnagl

Der Mensch ist bekanntlich ein sonderbares Wesen. In dieser Rolle hält er auch verdammt viel aus. Nur keine Stille.

KONSUMENT-Kolumnist Michael Hufnagl (Foto: Ela Angerer) Es gibt Statistiken, die besagen, dass ein österreichischer Fernsehapparat im Durchschnitt vier Stunden pro Tag läuft. Von den Radios, die in traditioneller Selbstverständlichkeit die Büroräume des Landes mit Hintergrundgedüdel fluten, ganz zu schweigen. Und wer zuletzt in einem Kaufhaus war, ohne gnadenlos und ungefragt beschallt zu werden, der zeige bitte auf. Wir haben uns längst an die Dauerberieselung gewöhnt.

Bis man sie nicht mehr ignorieren kann...

Aber irgendwann kommt doch der Augenblick, wo du merkst, dass dich etwas haarscharf über der Wahrnehmungsgrenze subtil in den Wahnsinn treibt. Du liegst nach der Sauna in einer der Entspannungsliegen, liest ein Buch, blickst durch die großen Panoramascheiben in die bunte Herbstwelt hinaus, und plötzlich hörst du es: das Lied „Scarborough Fair“ von Simon & Garfunkel. Diese wunderbare Musik dringt ganz leise in dein Ohr und schlängelt sich in grenzenlosem Sanftmut weiter ins Unterbewusstsein. Aber nicht als Original, sondern ... in zermürbender halber Geschwindigkeit, ohne Gesang, und nur von Xylophon und Harfe intoniert. Du erkennst es, und von nun an kannst du es nicht mehr ignorieren. 

Musik gewordenes Grauen

Das Musik gewordene Grauen hält dich gefangen, schnürt dich ein, und es belebt nur einen Gedanken: Ich will nicht in einem spirituellen Schwebezustand einen Baum umarmen, nein. Ich will stattdessen nur, dass alle Ruheraummusikarrangeure einen Tag lang zu ihren eigenen Schandtaten in ein Tepidarium gesperrt werden, am besten alle gemeinsam, um selbst nach einer Antwort auf die quälende Frage zu suchen: Ist das die Erholung, die wir meinen? Daher fordere ich auch Gerechtigkeit für Simon & Garfunkel. Am besten mit „Sound of Silence“. Und zwar so laut wie möglich.

mail@michael-hufnagl.com

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