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Sepp Eisenriegler
"Der Konsument hat relativ wenige Handlungsmöglichkeiten", sagt R.U.S.Z-Gründer Sepp Eisenriegler. Bild: VKI

Obsoleszenz-Papst Eisenriegler: "Früher haben mich viele für einen Spinner gehalten"

Spätestens 2025 wird es keine Wegwerfprodukte mehr geben, sagt R.U.S.Z-Gründer und Obsoleszenz-Papst Sepp Eisenriegler im Interview.

Sepp Eisenriegler (Bild: VKI)
Sepp Eisenriegler

Herr Eisenriegler, schon vor Jahrzehnten haben Sie sich den Themen Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Gemeinwohl­ökonomie verschrieben. Sehen Sie sich ein bisschen als Don Quichotte im Kampf gegen die Windmühlen?
Als Don Quichotte habe ich mich noch nie gefühlt, dafür sind die Erfolge, die ich einfahren konnte, zu viele. Früher haben mich viele für einen Spinner gehalten. Die Gleichen sagen heute: Du hattest schon vor 30 Jahren recht.

Aber so richtig langlebig bauen die Hersteller ihre Produkte ja noch immer nicht ...
Noch nicht. Aber es gibt einige ganz konkrete Entwicklungen. Beispielsweise ist die Installierung eines EU-weiten Gütesiegels, vergleichbar mit dem Energieeffizienz-Label, anhand dessen Konsumenten erkennen können, für wie viele Verwendungsjahre ein Produkt gebaut wurde, wie reparaturfreundlich das Design und wie groß der ökologische Fuß­abdruck des Produkts schon bei der Produk­tion ist, weit vorangeschritten. Ich schätze, dass das noch zwischen einem halben Jahr und einem Jahr dauern wird, bis es in Brüssel durch ist. Und dann nochmal rund ein Jahr, bis es in den Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Es geht dabei auch darum, dass die Gewährleistungsfrage in allen Mitgliedstaaten gleich gehandhabt wird.

Klingt aber sehr ambitioniert ...
Das sind die letzten Informationen, die ich aus der Konsumentenschutz-Sektion des Ministeriums vernommen habe. Aber es ist ja ohnedies höchst an der Zeit! Die zirkuläre Wirtschaftsweise, als Gegenteil der linearen, heißt ja nichts anderes, als dass wir sparsamer mit unseren Rohstoffen umgehen müssen, insbesondere mit Metallen und Mineralien. Wir wissen ja um die Knappheit mancher Rohstoffe. Die Seltenen Erden tragen die Knappheit schon im Namen. Und trotzdem werden diese Rohstoffe nicht teurer. Das nenne ich Marktversagen. Es hat natürlich viel damit zu tun, dass sie in den Ländern des sogenannten Globalen Südens abgebaut werden, unter zum Teil absolut unmenschlichen Bedingungen. 

Welche Handhabe hat der einzelne Konsument derzeit?
Der Konsument hat relativ wenige Handlungsmöglichkeiten. Es herrscht ein großes Ungleichgewicht hinsichtlich des Wissens der Hersteller über ihre Produkte und dem, was davon an die Nutzer weitergegeben wird. Nicht einmal jene, die zwischengeschaltet sind, die Elektrohändler, können einschlägige Antworten zur vermuteten Nutzungsdauer von neuen Produkten liefern – weil sie es selber nicht wissen. Dahinter stehen Produktdesigner, die – entgegen der alten Ingenieursehre – ihren Ehrgeiz dareinsetzen, dass die Produkte punktgenau dann den Geist aufgeben, wann es die Marketing­abteilung angeschafft hat: am besten kurz nach Ende der Gewährleistungsfrist oder nachdem die Garantie ausgelaufen ist.

Aktionsplan der EU

Wer ist konkret in die Verantwortung zu nehmen?
Es ist nicht unbedingt die Schuld der Hersteller, auch nicht des Elektrohandels. Es ist ein Fehler im System. Man kann auf einem begrenzten Planeten nicht unbegrenzt wachsen, das versteht jedes Volksschulkind. Trotzdem hören wir es immer wieder: Wir brauchen Wachstum! Ohne Systemänderung geht es nicht. Das hat sich inzwischen auch in Brüssel herumgesprochen. Die Systemänderung, die derzeit auf der EU-Agenda steht, heißt Kreislaufwirtschaft. Es geht darum, zu definieren, wie wir mit den endlichen Rohstoffen zumindest etwas länger aus­kommen können. Es geht darum, zu entscheiden, ob gewisse Rohstoffe noch drei, vier Generationen reichen oder schon die nächste Generation in diesen Knappheitsproblemen gefangen ist. 

Und wir sprechen hier von mehr als bloßen Brüsseler Sonntagsreden?
Ja, durchaus. Ich arbeite in einem Normungsausschuss mit, der im Auftrag der EU-Kommission Standards für langlebige Produkte ent­wickeln soll. Wir gehen der Frage nach, mit wie viel Rohstoffen weniger man auskommen kann, um mindestens den gleichen Nutzen für die Konsumenten zu stiften. Und ich merke, dass auch die Hersteller inzwischen nicht mehr in Zweifel ziehen, dass die Kreislaufwirtschaft Einzug halten muss. Ein Vertreter eines großen Herstellers hat mir gegenüber gesagt, dass sie schon lange wissen, dass es so nicht weitergehen kann. Aber alleine hätten sie nicht vorpreschen und langlebigere, reparaturfreundlichere Produkte auf den Markt bringen können. Sonst wären sie weg vom Fenster gewesen. 

Es braucht also zwingend die politischen Vorgaben, der Markt alleine regelt es nicht?
Der Markt regelt sehr wenig alleine. Die "unsichtbare Hand des Marktes" habe ich eigentlich noch nie regulatorisch eingreifen gesehen.

Wie sieht der Kreislaufwirtschaft-Zeitplan der EU aus?
Der ist im sogenannten Circular Economy Action Plan festgeschrieben. Wenn ich diesem Plan vertrauen darf, dann kann man davon ausgehen, dass wir bis Ende 2019 die Standards haben, die wir brauchen, um bei der Novellierung der EU-Ökodesign-­Richtlinie Produktstandards festzulegen, die Importeure erfüllen müssen, wenn sie Produkte in die EU importieren wollen. Dieselben Standards gelten dann natürlich auch für die europäische Industrie. Es wird recht lange Übergangsfristen geben, damit die Hersteller die Möglichkeit haben, ihre Produktion umzustellen. Damit sie wieder das machen, was sie früher – zumindest teilweise – schon mal gemacht haben, nämlich langlebige Produkte herstellen. Ich rechne damit, dass das Ganze 2025 Gesetzeskraft erlangen wird.

2025 darf dann kein Produkt mehr verkauft werden ...
... das diesen Standards nicht entspricht.

Und das Wegwerfprodukt ...
wird’s nicht mehr geben. Macht ja auch keinen Sinn. Auch wenn die Ordnungs­politik gar nichts tut, die Rohstoffpreise werden irgendwann anziehen. Und dann kostet dich eine Wegwerf-Waschmaschine genauso viel wie eine, die 20 Jahre hält. Wer wird die dann noch kaufen? Das Problem regelt sich also ohnehin irgendwann von selbst. Aber wir haben jetzt noch die Möglichkeit, steuernd einzugreifen und Chaos zu vermeiden.

Bis dahin: Welche Reparatur- und Wartungs-­Tipps und -Tricks haben Sie für die Verbraucher?
Ein Tipp ist, zu erfragen, wie lange der Hersteller garantiert, für das konkrete Produkt Ersatzteile zu liefern. Das ist ein sehr genaues Instrument, um auf die Lebensdauer schließen zu können. Was man tun sollte, um eine Waschmaschine, einen Geschirrspüler, eine Kaffeemaschine oder was auch immer möglichst lange zu nutzen, ist, eine Beziehung zu diesem Produkt herzustellen, es nicht als Wegwerfprodukt zu sehen. Man hat die Möglichkeit, mit einer guten Wartung die Nutzungsdauer zu verlängern. Zum Beispiel: im Flusensieb der Waschmaschine nachschauen, ob sich Fremdkörper verfangen haben oder es so verstopft ist, dass das Wasser nicht mehr abgepumpt werden kann. Oder: Bei Staubsaugern gehören die Filter von Zeit zu Zeit ge­reinigt oder getauscht, je nach Modell. 25 Prozent unserer Reparaturaufträge im R.U.S.Z wären mit einer entsprechenden Wartung nicht notwendig geworden.

Verschrottungsprämien vs. Reparaturförderung

Mehr als gesunden Menschenverstand braucht’s also eigentlich gar nicht?
Eigentlich ja! Wir haben den gesunden Menschenverstand mit den letzten Wegwerfgeräten offensichtlich gleich mitentsorgt. Aber ein paar Tricks gibt es schon noch darüber hinaus. Im Sinne der Langlebigkeit von Waschmaschinen sollte man einmal im Monat oder Quartal, je nach Wasserhärte, einen leeren Kochwaschgang mit 1/16 Liter Essig durchführen – um den Kalk und das überschüssige Waschmittel loszuwerden, die sich in der Maschine absetzen. Weniger Waschmittel zu verwenden ist auch ein Tipp, der zudem unmittelbar hilft, Geld zu sparen.

Sie sind ein Weltverbesserer, sagen Sie selber. Und Sie verwenden immer wieder Begrifflichkeiten, die eingefleischte Kapitalisten auf die Palme bringen, zum Beispiel eingangs den Terminus „Globaler Süden“. Mit Absicht? 
Wir haben immer wieder versucht, konsensuale Lösungen zu finden, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Leider hat sich das nicht bewährt. 

Wer ist der typische R.U.S.Z-Kunde?
Als wir begonnen haben, vor 20 Jahren, waren es vor allem die Pensionistinnen und Pensionisten. Ich sag dazu: die Nachkriegsgeschädigten, die nichts wegwerfen können. Inzwischen ist das Publikum jünger geworden. Das hat auch damit zu tun, in welche Richtung wir unsere Kundenzielgruppe beeinflussen wollen – ich halte zum Beispiel viele Vorträge auf Universitäten

Wie wird eurer Dienstleistungsangebot "Saubere Wäsche" angenommen? Das Nutzen-statt-kaufen-Prinzip ist bei den Jüngeren ja durchaus im Kommen.
Kurz zur Erklärung: Seit zwei Jahren bieten wir die Produktdienstleistung "Saubere Wäsche" an. Gegen einen monatlichen Pauschalbetrag und eine Kaution können Kunden eine Waschmaschine mieten statt kaufen. Die Verantwortung für den einwandfreien Betrieb der Maschine bleibt bei uns. Die Geräte werden einmal jährlich beim Kunden vor Ort gewartet. Leider läuft "Saubere Wäsche" noch etwas verhalten. Wir haben derzeit 50 Verträge. Da ist die österreichische Seele wohl mit Schuld. Es gibt Leute die sagen mir frei ins Gesicht: „In mein Haus kommt nix, was nicht mir gehört.“ Aber spätestens, wenn die Rohstoffpreise eine ehrliche Sprache sprechen, werden wohl auch diese Verbraucher ihr Mindset ändern müssen. Weil die Maschinen dann für viele nicht mehr leistbar sein werden. Die Dienstleistungs-Schiene ist deshalb auch die Richtung, in die die Hersteller gehen werden. Weil sie es müssen.

Die "Kulturtechnik Reparieren", wie Sie es nennen, ist also kein Auslaufmodell?
Im Gegenteil. In den vergangenen Jahren hat sich zum Beispiel die Anzahl von Reparatur- Cafés vervielfacht. Zurzeit machen uns Reparaturdienstleistern allerdings diverse Verschrottungsprämien das Leben schwer. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen bzw. Re-use-Geräte und eine österreich­weite Reparaturförderung wie in Schweden oder Graz würden der Branche über die kommenden Jahre bis 2025 helfen.

Die Zeichen für das R.U.S.Z stehen aber auf Expansion.
Ja, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Es gibt in den alten EU-Ländern keine Millionenstadt mit einer höheren Reparaturquote als Wien. In Graz haben wir seit Ende 2017 eine Filiale. Die soll als Vorbild für unser Franchising-System dienen. Den ersten Franchise-Nehmer werden wir in Linz haben. Dann ist für heuer auch noch ein Standort im Westen geplant. Vorzugsweise Vorarlberg, weil von dort aus kann man auch in die Schweiz hineinstrahlen. 2019 kommen München, Berlin und Hamburg dran.

So umtriebig, wie Sie sind, möchte man es gar nicht glauben, aber Sie sind ja bereits in Pension. Wie schaut die Führungs-Zukunft des R.U.S.Z aus? Klappt der Generationenwechsel?
Es ist teils schon geregelt, ja. Ein Sohn von mir führt jetzt die Filiale in Graz und stößt sich dort die Hörner ab. Der andere Sohn arbeitet hier in Wien im Kundenverkehr. Es gibt einige Aspiranten, denen ich das alles gerne übergeben möchte. Es hat sich nur herausgestellt, dass das nicht von einem Tag auf den anderen geht. Es gibt natürlich auch Diskussionen darüber, ob es tatsächlich so ablaufen muss, wie ich mir das vorstelle. Ich habe mir das Ziel gesetzt, dass in fünf Jahren die Übergabe vollendet ist.

Video: "Das Wegwerfprodukt wird's nicht mehr geben"

Zur Person: Sepp Eisenriegler

Noch während seiner Tätigkeit bei der Wiener Umweltberatung gründete Sepp Eisenriegler 1998 das Reparatur- und Servicezentrum – das R.U.S.Z ist laut Eigenangaben der bekannteste unabhängige Reparaturbetrieb der EU.

Eisenriegler, der auch in nationalen und EU-weiten Normungsausschüssen mitarbeitet, kämpft unnachgiebig gegen die "geplante Obsoleszenz": Hersteller würden, so der 65-Jährige, die Lebensdauer von Elektrogeräten bewusst baulich beschränken. Das Wiener R.U.S.Z wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa 2017 mit dem Nachhaltigkeitspreis TRIGOS oder zuletzt (zum 2. Mal) mit dem Umweltpreis der Stadt Wien. 2016 veröffentlichte Eisenriegler das Buch "Konsumtrottel". 

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