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Kombucha - Sagenhafter Teepilz

  • Das Kultgetränk auf dem Prüfstand
  • Streit um lebende und tote Keime
  • Millionengeschäfte mit der Gesundheit

Seit das geheimnisumwitterte Teegetränk Kombucha den Weg vom Reformkostladen in den Supermarkt gefunden hat, ist es zu einem Kassenschlager avanciert. Immer mehr Menschen lassen sich von den viel versprechenden Werbeaussagen verlocken.

Das neu entdeckte Wundermittel ist seit über 2000 Jahren bekannt. Der geographische Ursprung ist nicht exakt feststellbar, unter anderem wird er in Russland, China oder Japan vermutet. Fest steht, dass Kombucha in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts von Russland aus in Westeuropa Einzug gehalten hat. Doch als „Teekwass“, wie Kombucha auch bezeichnet wird, wäre das Produkt schwer zu verkaufen. Deshalb beziehen sich die Werbestrategen lieber auf chinesische Lebensweisheiten – mit dem Gleichklang von Körper und Seele lässt sich entschieden mehr Sympathie wecken.

„Kombucha“ oder „Teepilz“ ist eine gallertartige Masse (daher in der älteren Literatur auch als „Wolgaqualle“ bezeichnet), die Essigsäurebakterien und Hefen in unterschiedlicher Zusammensetzung enthält. Als Basis dient traditionell gezuckerter schwarzer Tee. Es kommen aber auch andere Arten wie Kräuter-, Früchte- oder Grüner Tee in Frage. Die Bakterien und Hefen sorgen für einen Fermentationsprozess, der Kohlendioxid, Alkohol und verschiedene Säuren entstehen lässt. Der Geschmack von Kombucha erinnert an Most, er wird als erfrischend bis säuerlich bezeichnet. Nach einer zweiwöchigen Gärungszeit würde er allerdings dem Geschmack von Essig nahe kommen.

Gärprozess oder Zusatz von Extrakten

Doch so weit kommt es bei industriell hergestellten Kombuchagetränken gar nicht. Denn um das Getränk (in ungekühlten Regalen) lagern zu können, wird der Gärungsprozess nach einigen Tagen durch Wärmebehandlung unterbrochen. Dadurch verliere das Getränk, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), allerdings auch seine vitalen Eigenschaften (lebende Keime und Enzyme), wie sie etwa für Joghurt typisch sind.

Davon zu unterscheiden sind Kombucha ähnliche Limonaden-Getränke, denen ein fertiger (seinerseits durch Fermentation gewonnener) Kombucha-Extrakt zugeführt wird. Beiden Getränken – Gärprodukten und Extraktprodukten – werden zahlreiche gesundheitliche Wirkungen zugesprochen. Was von Ernährungswissenschaftern bezweifelt wird. DGE-Präsident Helmut Erbersdobler bezeichnet Kombucha als „Erfrischungsgetränk auf Teebasis, in den Wirkungen allenfalls vergleichbar mit Sauermilchprodukten“. Aber selbst diese Wirkungen werden durch die Wärmebehandlung reduziert. Für gesichert halten Wissenschafter lediglich eine desinfizierende Wirkung sowie eine leicht abführende Wirkung dank des Gehaltes an Essig- beziehungsweise Milchsäure.

Die meisten Kombucha-Hersteller halten sich denn auch in der Auslobung positiver Wirkungen zurück – zumindest was die Angaben auf dem Etikett betrifft. So werden eher vage Umschreibungen gewählt wie „wertvoller Beitrag zu Ihrem Wohlbefinden“ oder „positive Wirkungen auf Körper, Geist und Seele“. Nur eines der sieben von uns getesteten Produkte greift zu gesundheitsbezogenen Aussagen im engeren Sinn: Stock Vital Kombucha will nämlich „die körpereigenen Abwehrkräfte unterstützen“ sowie „auf Stoffwechsel und Darmflora harmonisierend“ wirken. Angaben, die von Ernährungswissenschaftern nicht gerne gesehen werden, solange keine Untersuchungen über die Wirkung des jeweiligen Produktes auf Menschen vorliegen. Rein rechtlich jedenfalls sind die Angaben von Stock Vital zulässig, weil sie vom Gesundheitsministerium abgesegnet wurden.

Im Test wurden jene sieben Produkte berücksichtigt, die in Supermärkten und bei Drogerieketten am häufigsten angeboten werden. Darunter befinden sich vier fermentierte Kombucha-Getränke und drei Getränke mit Kombucha-Extrakt. Auf das gewohnte Testurteil haben wir verzichtet, weil fermentierte und nicht fermentierte Produkte nicht direkt verglichen werden können. Eine Bewertung von Inhaltsstoffen oder Keimzahl wäre insofern fragwürdig, als für die daraus abgeleiteten gesundheitlichen Wirkungen der wissenschaftliche Nachweis in Humanstudien fehlt. Lediglich Geruch und Geschmack wurden von einem Laien-Panel beurteilt.

Beim Zucker nicht gespart

Dennoch hat die Laboruntersuchung einige interessante Details zu Tage gefördert. So ist der Alkoholgehalt sehr unterschiedlich. Er schwankt zwischen einigen Hunderstel und 2,13 Volumsprozent. Bei Extrakt-Getränken ist er erwartungsgemäß niedrig. Da beim Gärungsprozess zwangsläufig Alkohol entsteht, ist der höhere Prozentsatz bei den fermentierten Getränken nicht verwunderlich. Ungewöhnlich hingegen ist der niedrige Alkoholgehalt des Gärgetränks Stock Vital Kombucha (0,07 Prozent). Es ist damit das einzige, das der engen Begrenzung für „Kombucha Teegetränke“ laut dem Österreichischen Lebensmittelbuch (maximal ein halbes Volumsprozent) entspricht.

Der Gesamtzuckergehalt reicht von fünf bis zehn Prozent, das bedeutet immerhin bis zu sechs Stück Würfelzucker pro Glas. Zumindest das süßeste Testprodukt, Dr. med. Sklenar, nimmt es also locker mit jeder Limonade auf. Für Diabetiker stellt Kombucha damit alles andere als ein Gesundheitselixier dar.

Recht unterschiedlich ist der Gehalt an Milchsäure. Wobei auffällt, dass gerade die nicht fermentierten Produkte mehr – zugesetzte – rechtsdrehende Milchsäure enthalten als die „echten“ Kombuchas. Rechtsdrehende Milchsäure wird ja gerne als besonders gesund gepriesen. Von großer Bedeutung ist diese Unterscheidung allerdings ohnehin nicht. Der Verzehr von linksdrehender Milchsäure ist unbedenklich, nur in Säuglingsnahrung sollte sie nicht enthalten sein (was auch nicht der Fall ist).

Der Essigsäuregehalt ist bei Gärprodukten eher hoch. Mit Gyn Chi Kombuvital kommt aber auch ein Extraktgetränk auf einen relativ hohen Essigsäureanteil. Ihm wurde allerdings Apfelessig zugesetzt. Die gesundheitlichen Wirkungen von Essig, besonders von Apfelessig, werden ebenfalls überschätzt. Gesichert ist lediglich die antibakterielle Wirkung.

Wie vital sind tote Keime?

Unbestreitbar erfreulich ist die Hygieneüberprüfung verlaufen. In keinem Fall wurden koliforme Keime gefunden. Doch das gilt leider auch für die „guten“ Keime: Nirgends wurde eine nennenswerte Lebendkeimzahl nachgewiesen, weder Milchsäurebakterien, noch Essigsäurebakterien, noch Hefen.

Somit ist die Behauptung, bei Kombucha handle es sich um ein lebendes (= vitales) Produkt, nicht nachvollziehbar. Die Bedeutung der Keimzahl wird denn auch von einigen Kombucha-Vertretern heruntergespielt. Es ginge nicht darum, wie viele Keime noch leben. Es reiche aus, dass sie einmal vorhanden waren, um eine Wirkung zu erzielen. Ernährungsexperte Erbersdobler dazu: „Es gibt tatsächlich solche Wirkungen von Totkeimen, etwa bei der Schutzimpfung. Aber für Kombucha muss das erst einmal bewiesen werden, mir sind dazu überhaupt keine Daten bekannt.“

Fazit der Laboruntersuchungen: Die Zusammensetzung der geprüften Getränke lässt den Schluss zu, dass keine besonderen Wirkungen zu erwarten sind, die über jene von Joghurt oder Essig hinausgehen. Andererseits kann man aber auch davon ausgehen, dass der – maßvolle – Genuss von Kombucha unbedenklich ist. Ausgenommen für Diabetiker (wegen des hohen Zuckergehaltes) und Alkoholkranke (auch ein geringer Alkoholgehalt kann zu einem Rückfall führen).

Im Geschmackstest wurden vier Produkte „gut“ bewertet, drei mit einem „durchschnittlich“. Die Verkoster zeigten keine klare Präferenz für Gärgetränke oder Extraktgetränke. Hinzufügen muss man, dass es sich bei den Verkostern ausschließlich um Personen handelte, denen der Geschmack von Kombucha vertraut war. Erstversucher würden vermutlich anders urteilen. Darauf deutet auch eine Befragung hin, die wir unter Kombucha-Kennern durchführten (mit Mehrfachnennung). Nur ein Drittel antwortete auf die Frage, warum sie Kombucha trinken, „weil es mir schmeckt“. Die meisten Nennungen bekamen die Antworten „zur Unterstützung der Darmflora“ (57 Prozent) und „zur Steigerung des Wohlbefindens“ (48 Prozent). Das mag belegen, dass gesundheitsbezogene Werbung durchaus ihre Wirkung hinterlässt.

Über die angebliche Heilkraft von Kombucha wird sehr viel geschrieben. Doch seit Jahrzehnten bleibt man jeden Beweis schuldig.

Kombucha ist in. In der Werbung, in Zeitschriften, Büchern und im Internet überstürzen sich die Erfolgsmeldungen über das „asiatische Kultgetränk“. Es muss für alles herhalten, was in der heutigen Gesellschaft hoch geschätzt wird: Schönheitselixier, Jungbrunnen, körperliche Fitness, geistige Reinheit... Die Anpreisungen gehen über bloß gesundheitsbezogene Aussagen hinaus. Es wird ausdrücklich versprochen, dass bestimmte Krankheiten allein durch das Trinken von Kombucha geheilt werden könnten. Schon im Titel der einschlägigen Literatur wird geklotzt: „Geballte Heilkraft der Natur“. Die Palette reicht von Asthma, Bluthochdruck, Gastritis, Immunschwäche, multipler Sklerose, Prostataleiden, Rheuma bis zu Stoffwechselerkrankungen. Selbst Aids und Krebs dürfen nicht fehlen.

Wunderbar. Mit Beweisen hält man sich nicht lange auf. „Kombucha stärkt das Abwehrsystem.“ „Es entgiftet und bekämpft damit wirkungsvoll Allergien.“ Nur bei schweren Krankheiten agiert man vorsichtiger. Da vermeidet man klare Versprechungen und verweist lieber auf die Berichte von Betroffenen. So weiß man zum Thema Multiple Sklerose von „schier unglaublich klingenden Berichten, wonach das Trinken von drei Glas Kombucha Patienten wieder auf die Beine geholfen hat, die ohne Krücken keinen Schritt mehr machen konnten“. In seriöseren Büchern wird zwar schon versucht, für die medizinischen Eigenschaften auch wissenschaftliche Belege anzuführen. Auffallend allerdings ist, dass die angeführte Literatur zu den gesundheitlichen Effekten mit Beginn der Dreißigerjahre endet. „Die wenigen Literaturstellen danach sind Berichte und Aussagen, die wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügen“, urteilt Helmut Erbersdobler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

Imageschaden. Die euphorische Literatur hat für die Kombucha-Hersteller den Boden aufbereitet, rasante Umsatzzuwächse sind die Folge. Der Kombucha-Markt wird allein in Österreich auf 100 Millionen Schilling geschätzt. Die Anbieter profitieren jedoch nicht nur passiv vom Kombucha-Fieber, sie verstärken es auch gezielt, ohne auf wissenschaftliche Erkenntnisse näher einzugehen. Erbersdobler: „Wenn gesundheitliche Behauptungen, wie zum Beispiel eine probiotische Wirkung, aufgestellt werden, muss dies erst einmal bestätigt werden. Die Wirkung muss an Menschen auch wirklich erprobt worden sein.“ Der Imageschaden könnte auf alle Anbieter zurückfallen. „Das macht die seriösen Produkte, die es ja auch gibt, kaputt. Irgendwann wird der Verbraucher überhaupt nichts mehr glauben.“

Kombucha

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Kombucha DGE-Präsident Erbersdobler: Behauptungen müssen bewiesen werden. |
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Kombucha Stock Vital Kombucha wirbt auf dem Etikett mit gesundheitsbezogenen Angaben. |
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Kombucha Bedenkenlos wird in Medien und Literatur mit gesundheitsbezogenen Aussagen herumgeworfen. |
Kombucha
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Alnatura GmbH:
Darmstädter Straße 3,
D-64404 Bickenbach,
(0049 62 57) 93 22-0

Dr. med. Sklenar Bio-Produkte GmbH:
Josef-Baumann-Straße 39,
D-44805 Bochum,
(0049 234) 891 66-0

Gyn Chi Früchtetee:
Mag. G. Scheler,
Horneckgasse 12–14,
A-1170 Wien,
(01) 480 36 38

Kombucha – Mango:
Delikatessa GesmbH,
IZ NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16,
A-2355 Wiener Neudorf,
(02236) 600-52 62

Spar Österreichische Warenhandels AG:
Europastraße 3,
A-5020 Salzburg,
(0662) 44 70-0

Stock Vital GmbH:
Brunn 115,
A-5330 Fuschl am See,
(0662) 65 82-0

Most oder Limo. Kombucha ist ein Erfrischungsgetränk auf Teebasis. Der Geschmack ist mit dem von Most vergleichbar. Bei starkem Zusatz von Zucker oder Aromastoffen schmeckt’s wie Limonade.

Desinfektion. Positive Auswirkungen auf die Gesundheit konnten nicht nachgewiesen werden. Plausibel erscheinen lediglich eine desinfizierende und eine leicht abführende Wirkung.

Keimfrei. Selbst bei vergorenen Produkten gibt es keine Probleme mit gesundheitsschädlichen Keimen. Aber auch „positive“ Keime wie Milchsäurebakterien sind praktisch keine vorhanden.

Teure Alternative. Sinnvollerweise kann Kombucha als Abwechslung zu Sauermilchprodukten dienen. Allerdings zu einem höheren Preis. Pro Liter werden im Supermarkt bis zu 44 Schilling verlangt.

Inhaltsstoffe
Der Gehalt an Zucker und Zuckerarten, Koffein sowie Konservierungsmitteln wurde mittels HPLC ermittelt. Der pH-Wert wurde mit Einstabmesskette und pH-Meter festgestellt. Alkohol, Essigsäure, Milchsäure und Gluconsäure wurden enzymatisch bestimmt.

Mikrobiologie
Die Produkte wurden auf Hygienezustand und das produkttypische Keimspektrum hin untersucht, das sind Aerobe mesophile Gesamtkeimzahl, Gesamt-Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien, Hefen und Schimmelpilze, mesophile Streptokokken und coliforme Keime.

Verkostung
Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz wurden von einem Laien-Panel nach dem Schulnotenprinzip bewertet und statistisch ausgewertet.

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