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Keimzelle und Einzelzelle - Familie

Familien werden weniger, Singels werden mehr. Ein satirischer Kommentar von Alois Grasböck.

Die Familie gilt als Keimzelle des Staates, und vereinzelt gibt es wirklich verblüffende Ähnlichkeiten. Manche Familien geben fürs Repräsentieren Geld aus, bis ihnen die Schulden bis zum Balkon stehen. Sie fahren die Straßenversion eines Kampfbombers, sie haben stets Butter, aber fürs Brot ist kein Geld da.

Eine Keimzelle kann die Familie nur sein, weil sie zugleich ein Anker ist. Wer Familie hat, neigt weniger dazu, seiner Umgebung zuzurufen: "Bevor ich eine Keimzelle bin, bin ich lieber eine Einzelzelle! Sekkieren könnt ihr wen anderen, habts mich gern, ich breche zu neuen Ufern auf!“

Damit es zur Verankerung kommen kann, braucht der Mensch einen Partner. Klappt das nicht, ist die Gefühlsindustrie der Medien allzeit bereit, dem Suchenden unter die Arme zu greifen. "Herzblatt“ zum Beispiel macht ihm klar, dass ein bisserl anzügliches Gerede gegenüber einer unsichtbaren Person – einem anonymen Anruf ähnlich – genügt, um Amors Pfeil ins Herz zu schießen.

Oft stellt sich heraus, dass es nur ein Schuss in den Ofen war. Wenn nicht, folgt als nächste Stufe die „Traumhochzeit“. Teilnehmer und Zuschauer sind dringend angehalten, vor Glück zu weinen, was selbst den Hart-herzigsten manchmal gelingt, indem sie daran denken, dass sie die Hochzeit nicht zahlen müssen.

Ist der Anker geworfen, kann leider der Eindruck entstehen, dass der Hafen der Ehe in Wahrheit eine Sandbank ist. Aber gerade die Untiefen des Lebens machen den Menschen erst wirklich wertvoll – für die Talkshows. Herzblatt und Traumhochzeit sind nur Vorspiele, die in Talkereien wie „Hilfe, mein Partner ist eine Charaktersau!“ ihre Vollendung finden.

Im Ernst: Die Familien werden weniger, die Singles mehr. Vielleicht liegt es auch daran, dass Partnerschaft zu wenig als Keimzelle des Staates dargestellt wird. Und zu viel als Schleimzelle der TV-Quote.

 Ihr Alois Grasböck

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